Die katholische Kirche und die Medien. Wolfgang Beck

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Niemetz und Ansgar Weiß für ihre Hilfe bei den Textkorrekturen. Dem Echter Verlag, insbesondere Herrn Heribert Handwerk, gilt der Dank für die Betreuung der Veröffentlichtung. Der Deutschen Bischofskonferenz wie auch dem Freundeskreis der Hochschule Sankt Georgen gilt der Dank für Druckkostenzuschüsse zur Ermöglichung der Veröffentlichung.

       Wolfgang Beck

      1. Einleitung

      Der Mensch „kann nicht nicht kommunizieren“1. Diese Beobachtung geht auf den Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick zurück, der Kommunikation vor allem als Beziehungsgeschehen versteht. Damit wird zugleich das Dilemma beschrieben, vor dem Menschen immer stehen. Menschliches Leben ist durch alle Stadien seiner individuellen Entwicklung in unterschiedlichen Formen und Intensitäten wie auch durch die kulturgeschichtlichen Epochen mit der Kommunikation verbunden. Die Kommunikation bindet sich an Medien, grundsätzlich an den menschlichen Körper und dessen Sinnesorgane. Mediengeschichtliche Reflexionen und Medientheorien können daher nicht von der Menschheitsgeschichte losgelöst werden. Wenngleich einzelnen kulturgeschichtlichen Entwicklungsschritten, wie dem Aufkommen der Schrift und des Bildes, des Buchdrucks und der modernen Massenmedien bis hin zu den digitalen Medien eine markante, Epoche bildende Bedeutung zukommt.

      Auch Religion baut immer als Kommunikation zwischen dem Menschen und dem Göttlich-Transzendenten bis hin zu einem personalen Gottesverständnis auf Kommunikation auf.2 Zudem bildet sich Religion mithilfe von generationsübergreifenden Tradierungsprozessen und ist dabei auf zwei grundlegende Funktionen von Medien angewiesen: erstens das Überbrücken von zeitlichen und/oder räumlichen Distanzen wie auch zweitens die Speicherung von Informationen, also das Erinnern. Diese beiden Funktionen markieren die wesentlichen Bedeutungsgehalte aller Medien.

      In besonderer Weise ist in dem Prozess des Zweiten Vatikanischen Konzils und insbesondere in der Erarbeitung der Pastoralkonstitution „Gaudium et spes“ (GS) aus dem Bewusstsein der kommunikativen Grundstruktur des christlichen Glaubens für die katholische Kirche eine grundlegende Struktur abgeleitet worden: als dialogische Verwiesenheit von Kirche und Welt, in der die Kirche zu einer lernenden Haltung (GS 44) findet.3

      Sie sind auch die Grundlage einer Einführung in die theologische Reflexion zum Verhältnis von katholischer Kirche und Medien, die hier im Folgenden unternommen werden soll. Mit ihr wird deutlich, dass sich der Gegenstand der Betrachtung nicht eindeutig abgrenzen lässt: Alles kann zum Bestandteil menschlicher Kommunikation werden. Alles kann Medium sein, sodass der Gegenstand der Untersuchung sich als verwirrend komplex darstellt.

      An kaum einem anderen gesellschaftlichen Phänomen werden zudem die rasanten gesellschaftlichen und technischen Entwicklungen des 20. und 21. Jahrhunderts so sichtbar wie im Umgang mit den Medien. Daraus ergibt sich eine Vielzahl an Möglichkeiten. Allerdings entsteht für größere Bevölkerungsteile auch Verunsicherung. Dies könnte es nahelegen, für die nachfolgende Beschäftigung ein Vorgehen zu wählen, das den Leser_innen den Eindruck vermittelt, man habe die Thematik nun im Griff. In der Betrachtung des Themas würde dabei ein (scheinbar) neutraler Beobachtungsort aufgesucht, um die komplexe Realität als Einheit zusammenfassen zu können. Dass damit lediglich eine scheinbare Sicherheit und Souveränität entstünde, liegt auf der Hand. Es wäre der Versuch, eine verwirrende Vielfalt durch massive Komplexitätsreduktion handhabbar zu machen. Stattdessen soll die Unübersichtlichkeit der Welt ausgehalten und die Differenz des Vielfältigen sichtbar bleiben.4

      Deshalb sollen Aufbau und Gedankengang der folgenden Beschäftigung mit dem Verhältnis von katholischer Kirche und Medien mit Wahrnehmungen der gegenwärtigen Situation beginnen. Erst später folgt dann ein Blick in die geschichtliche und lehramtliche Entwicklung wie auch die Frage nach einer digitalen Theologie. Schon in der Wahl des Vorgehens wird also erkennbar, dass das Anliegen hier nicht in der Entwicklung eines Rasters5 besteht, mit dem eine komplexe Wirklichkeit handhabbar werden könnte. Dies entspräche einem vormodernen, sicherheitsorientierten Wissenschaftsverständnis. Stattdessen wird hier ein fragmentarisches Vorgehen6 gewählt, das darauf abzielt, durch Irritationen neue Fragen aufzuwerfen.7

      2. Gegenwärtige Wahrnehmungen

      Sich mit Blick auf die Gegenwart mit Medien zu beschäftigen, lädt dazu ein, eigene Erfahrungen, eigenes Medienverhalten und die für die fortschreitende Moderne als dominierend zu beobachtende Präsenz von Medien zu reflektieren. Den Blick auf die gegenwärtige Mediennutzung zu werfen, offenbart eine Willkür, insofern sie auf einer Mediengeschichte aufbaut, die immer durch die Nutzung von Medien bestimmt war. In Orientierung an dem Medienwissenschaftler Jochen Hörisch8 erscheint es jedoch vertretbar, nachfolgend den Schwerpunkt der Betrachtungen auf die seit dem 19. Jahrhundert aufkommenden Medienformate zu legen.

      Sowohl in der technologischen Entwicklung, insbesondere in den digitalen Medien, als auch in der Ausbildung einer „Kultur der Digitalität“9 können zwei Elemente aufgegriffen werden, die auch in öffentlichen Diskussionen immer wieder benannt werden: Beschleunigungseffekte und Skandalisierungen.

      In jüngerer Vergangenheit wurden gesellschaftliche Beschleunigungseffekte vor allem von dem Soziologen Hartmut Rosa als bestimmendes Element einer nach Wachstums- und Steigerungslogiken funktionierenden Gesellschaft analysiert.10 Diese scheinen in der Entwicklung neuer Medienformate, im technologischen Fortschritt wie auch in der inhaltlichen Gestaltung digitaler Medien besonders anschaulich zu werden: Wer gestern noch als Nutzer_in eines sozialen Netzwerkes in dem Gefühl lebte, auf der Höhe der Zeit und geradezu gesellschaftlich avantgardistisch zu sein, gilt heute schon zur belächelten Gruppe derer, die die neuesten Entwicklungen nicht mitbekommen haben. Als Beispiel dafür kann Bundeskanzlerin Merkel gelten, die früh als Nutzer_in von Twitter als durchaus technikbegeistert galt und dennoch mit ihrer Aussage, das Internet sei „für uns alle Neuland“, im Jahr 2013 eine Welle des Gespötts ausgelöst hat.

      Diese Beschleunigungseffekte durchziehen alle gesellschaftlichen Bereiche, entwickeln sich zu einer „Simultaneität“11 als Lebensform und werden in den Medien besonders anschaulich. Denn die digitalen Medien bilden im 21. Jahrhundert eine beeindruckende Wirkkraft auf öffentliche Diskurse und Meinungsbildungsprozesse aus. Politische Wahlen hängen nicht nur davon ab, ob ein Wahlkampfteam in einem Gesamtkonzept alle aktuellen Medienformate nutzt, sondern auch davon, ob die Prozesse der öffentlichen Debatten wahrgenommen und verstanden werden. Und zunehmend scheinen hier Mechanismen der Skandalisierung an Bedeutung zu gewinnen, an und in denen es fortlaufend zu lernen gilt.12 Insofern moderne Kulturen sich als lernend verstehen, damit also Wachstum und Steigerung zu ihren Wesensmerkmalen gehören, stellt der Skandal nicht nur ein singuläres Phänomen oder Ärgernis dar, sondern wird zu einem gesellschaftlichen Grundschema: „In dynamischen, also von Ungewissheit durchzogenen Situationen können Gesellschaften nicht anders lernen, als durch Versuch und Irrtum. Gesellschaftliches Lernen setzt voraus, dass Fehler gemacht, akzeptiert, genutzt werden.“13 Der Skandal ist eine der gesellschaftlich etablierten Lernsituationen. Was zu einem Skandal wird, gegen welche bestehenden und gesellschaftlich akzeptierten Werte also verstoßen wurde, verändert sich mit der Gesellschaft ebenso wie das Ablaufschema innerhalb eines Skandalgeschehens. Und in diesen Prozessen haben digitale Medien eine enorme Bedeutung erlangt, da mit und in ihnen Tendenzen der „Theatralisierung“14 und Inszenierung verstärkt werden.

      Mit der Wahrnehmung aktueller Entwicklungen im Bereich der Medien, die in den nächsten Schritten weiter vorgenommen werden soll, ist immer auch die grundlegende Frage verbunden, welche gesamtgesellschaftlichen Phänomene sich daran ablesen lassen. Entsprechend einem wahrnehmungswissenschaftlichen Verständnis der Pastoraltheologie gehört die Beobachtung des Zeitgeschehens zu ihren konstitutiven Merkmalen, bevor sie zu pastoraltheologischen Reflexionen im engeren Sinn übergeht. Es geht also im Folgenden nicht darum zu klären, was gut oder schlecht sein könnte, sondern darum, zu beobachten, zu verstehen und nach möglichen theologischen und kirchlichen Lernfeldern Ausschau zu halten. Zu diesen Lernfeldern gehört es aber auch, Digitalität nicht bloß als ein weiteres Beispiel in der Kette innovativer Medien zu verorten, mit denen sich nichts Grundlegendes an der Wirklichkeit und dem menschlichen Zugang zu ihr ändern würde, wie dies vielen noch am Ende des 20. Jahrhunderts erschien.15


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