Die Essenz der Landschaftsfotografie. William Neill

Die Essenz der Landschaftsfotografie - William Neill


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eher bereit zu experimentieren. Wenn mir an dieser Stelle schon ein gutes Bild gelungen ist, dann besteht kein Risiko, dann ist kein Scheitern möglich. Sollte mir eine neue Sicht auf die Dinge gelingen: großartig. Aber es ist kein Erfolgsdruck da, und es ist auch nichts verloren, wenn kein gutes Foto dabei herauskommt.

      VISUELLE KOMPETENZ

      Beschäftigt man sich mit einem Thema, ist es wichtig zu wissen, welche anderen Fotografien dazu bereits existieren. Es geht darum, eine Art Bilddatenbank im Kopf zu haben. Verbessern Sie die visuelle Kompetenz auf Ihrem Gebiet – dann laufen Sie weniger Gefahr, Klischeebilder zu produzieren.

      GRUNDLEGENDE PLANUNG

      Wenn ich weiß, dass ich zum Fotografieren unterwegs sein werde, plane ich Mahlzeiten und andere Aktivitäten so, dass sie außerhalb der Zeiten mit dem besten Licht liegen. Auf dieser Reise war ich morgens um sechs draußen auf Bildersuche. Gegen acht oder neun Uhr kam ich zurück, war bereit für ein opulentes Frühstück und hatte noch den ganzen Tag für meine Familie. Wenn ich auf Sonnenuntergangsbilder aus bin, versuche ich oft früh zu Abend zu essen, vor allem im Sommer, um danach bis in die Dunkelheit hinein unterwegs zu sein. Unsere Unterkunft lag direkt am Strand von Carmel, also konnte ich zu Fuß gehen und musste nicht fahren. Was ich sagen möchte: Mit grundlegender Planung hat man die Chance, Fotografie und andere Interessen unter einen Hut zu bringen und dabei das Optimum aus den Fotomöglichkeiten herauszuholen. Ich neige nicht dazu, mich in minutiöser Ablaufplanung zu verlieren oder einen Kompass oder das GPS zu nutzen, um an irgendeiner als »richtig« wahrgenommenen Stelle zu fotografieren. Ich muss einfach vor Ort sein, schauen, was passiert, und mich auf Erfahrung und Intuition verlassen.

      GEDULD

      Rufen Sie sich ins Gedächtnis, wie wichtig es ist, Geduld zu haben. Es passiert so oft, dass wir bei der Ankunft an einem neuen Ort dermaßen begeistert sind, dass wir zu schnell arbeiten und uns nur zeitweise konzentrieren. Vom Zauber einer Neuentdeckung sind wir berauscht, aber auch abgelenkt. Wenn Sie an einer für Sie neuen Stelle ankommen: Bremsen Sie sich, nehmen Sie einen tiefen Atemzug (oder mehrere, falls notwendig) – auf diese Weise sehen Sie die Landschaft differenzierter. Hilfreich ist eine ruhige, meditative Herangehensweise, um in der jeweiligen Umgebung wirklich anzukommen, vor allem an unbekannten Orten. Wenn Sie eine Gegend schon kennen, verspüren Sie keine so große Eile, und oft bedeutet weniger Stress bessere Bilder. Es kann Ihrer Sichtweise nur förderlich sein, sich eingehender mit etwas zu beschäftigen.

      Wenn Sie Ihre Fotografie verbessern wollen, sollten Sie kontinuierlich an der Weiterentwicklung Ihrer technischen Fähigkeiten arbeiten. Das betrifft die Belichtung der Aufnahme, die Bildgestaltung, den Umgang mit der Schärfentiefe und die Feinheiten der Bildbearbeitung. Fotografischer Erfolg erfordert aber auch Hingabe, zum Beispiel indem Sie Ihre Abendessenszeit verändern, und langfristiges Bemühen, wozu durchaus auch gehört, dass Sie Ihre Lieblingsplätze wieder und wieder aufsuchen.

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      Kelp | Carmel Beach, Kalifornien | 2008

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      Black Oaks, Autumn (Schwarzeichen, Herbst) | El Capitan Meadow, Yosemite Valley, Yosemite National Park, Kalifornien | 1984

      LANDSCHAFTSAUFNAHMEN UND DAS LICHT

      LERNEN SIE, LICHTSITUATIONEN ZU ERKENNEN UND EINZUSCHÄTZEN

      Wenn man Landschaftsfotografie lehrt, besteht die größte Herausforderung darin, die Schüler dabei zu unterstützen, ihre eigene künstlerische Ausdrucksweise zu finden. Ein Weg, um die eigene Kreativität anzustacheln, ist die Frage: »Was möchte ich mit meinen Fotos sagen?« Es ist wichtig, dass man etwas zu sagen hat, dass man ein Thema oder ein Konzept findet, in dem jene Bilder Platz haben, für die man am meisten Leidenschaft verspürt. Denken Sie an Ihre Lieblingsfotografen – ich nehme an, dass Sie sofort parat haben, was diese mit ihren Arbeiten aussagen wollen.

      Allerdings ändern philosophische Plaudereien von mir oder anderen nichts daran, dass man eine solide Technik braucht und die wesentlichen Zutaten einer exzellenten Landschaftsaufnahme verstanden haben sollte. Dazu zählt die Lichtqualität. Für diejenigen unter Ihnen, die sich als Einsteiger begreifen, habe ich Empfehlungen zusammengestellt, die Ihnen vermitteln, worauf es bei den Lichtverhältnissen ankommt. Fortgeschrittene können sich an dieser Stelle gern die Grundlagen ins Gedächtnis zurückrufen.

      Vielleicht überlegen wir uns zunächst, auf welche Weise sich Licht auf eine Landschaft auswirken kann.

      •Aus welcher Richtung kommt das Licht? Kommt es von der Seite, von gegenüber oder von hinten, über Ihre Schulter? Der Winkel der Sonne hat großen Einfluss: Licht mit einem flachen Einfallswinkel, wie man es früh und spät am Tag vorfindet, erzeugt längere Schatten und betont Strukturen.

      •Welche Farbe hat das Licht? Die Farbtemperatur des Lichts, das auf eine Landschaft fällt, ist wichtig für die Stimmung, die ein Bild vermittelt, und für seine Wirkung. Mittagslicht ist meist ziemlich neutral, ganz anders als das viel wärmere Licht eines Sonnenaufgangs oder Sonnenuntergangs. Ist der Himmel klar und blau? Dann wird bläuliches UV-Licht in die Schatten reflektiert.

      •Welchen Effekt hat das Licht auf den Kontrast zwischen dunklen und hellen Tönen? Wenn Licht auf eine Landschaft fällt, teilt es den Bildausschnitt, den wir im Sucher sehen, in dunkle und helle Flächen auf. Aus diesen Flächen und ihrer Verteilung im Bildausschnitt ergeben sich Gestaltung und Rhythmus der Aufnahme. Licht und Bildgestaltung in einem Foto sind üblicherweise eng miteinander verwoben: Die Lichtverhältnisse beeinflussen die Komposition – und die Art und Weise der Bildgestaltung hat Einfluss darauf, wie das Licht in einer Landschaftsaufnahme wahrgenommen wird.

      •Gibt es vielleicht eine bessere Zeit, um eine bestimmte Szene zu fotografieren? Wie oft kommen wir genau zum richtigen Zeitpunkt an einem tollen Fotospot an? Wenn Sie ein Bild belichten, dann tun Sie das hoffentlich, wenn Ihnen Ihr Gefühl signalisiert, dass das Licht gut ist. Es lohnt sich jedoch, darüber nachzudenken, wann das Licht noch besser sein könnte, vielleicht zu einer anderen Tages- oder Jahreszeit.

      Ich habe für dieses Kapitel zwei Beispiele für Lichtbedingungen ausgewählt, die sich beide gleichermaßen gut fürs Fotografieren von Herbstlaub eignen. Das Bild Black Oaks, Autumn auf Seite 14 habe ich im Yosemite Valley gemacht. Es war früh am Morgen, die Sonne war gerade erst über die Felswände gestiegen und beleuchtete die Bäume von hinten, während die Felsen im Schatten lagen. In der Kombination von Gegenlicht und dunklem Hintergrund entsteht ein starker Kontrast, der die Herbstfarben betont.

      Die Aufnahme Autumn Foliage, Ellis River auf der rechten Seite entstand bei weichem Licht in den White Mountains von New Hampshire. Die Bedingungen waren hervorragend geeignet, um das farbintensive, kleinteilige Herbstlaub zu fotografieren. Es war windstill, keinerlei Schattenwurf zeigte sich. Das gleichmäßige Licht machte es mir möglich, alle Details aufzunehmen, einschließlich der sehr hellen Anteile in den Birken, ohne die dunklen Bildteile ans Schwarz zu verlieren. Kontrastreiche Aufnahmen wie diese sind mit digitaler Technik weniger ein Problem, als sie es zu Zeiten von Film waren, aber das bedeutet nicht, dass man aufhören könnte, über die Qualität des Lichts nachzudenken.

      Licht sehen zu lernen ist ein Prozess, der nie enden wird. Schauen ist eine Lebensaufgabe – sehen Sie gleich noch mal hin!

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      Autumn Foliage (Herbstlaub) | Ellis River, White Mountains, New Hampshire | 1990

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      Spring Storm (Frühlingsgewitter) | Yosemite Valley, Yosemite National Park, Kalifornien | 1986

      LANDSCHAFT IM LICHT


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