Cashbook. Wolfgang Deutschmann

Cashbook - Wolfgang Deutschmann


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mithilfe der sozialen Medien möglich ist. Doch die Schulen reden am ehesten von den »bösen« sozialen Medien, in denen ach so viel Unfug kursiert und die das Gehirn vernebeln.

      Würden schon Kinder und Jugendliche lernen, was da alles geht, würden sich viel mehr von ihnen als Jungunternehmer versuchen. Ihre Eltern müssten sich deshalb keine Sorgen machen, denn auch für sie würde dieser goldene Grundsatz der sozialen Medien gelten:

      Wenn etwas nicht funktioniert, spielt das keine Rolle.

      Niemand verliert viel Geld. Niemand ist stigmatisiert.

      Es geht dann nur um zwei Fragen:

      Was habe ich dabei gelernt?

      Womit probiere ich es als nächstes?

      Es gibt bereits einige Gründer im Teenager-Alter, Schüler, die mithilfe der sozialen Medien Großartiges geleistet und der Wirtschaft einiges gebracht haben. Sie haben es aber nie wegen, sondern immer trotz unseres Bildungssystems geschafft. Sie könnten den Schulen als Inspiration für die nächste Generation dienen. Stattdessen machen ihnen ihre Lehrer oft Schwierigkeiten, weil sie mit ihrer Kreativität und Dynamik aus dem Rahmen fallen. In der österreichischen und auch der deutschen Lehrerschaft findet in den kommenden Jahren ein Generationenwechsel statt. Das ist eine Chance.

      DAS DILEMMA DER FACHHOCHSCHULEN UND UNIS

      Nachholen lässt sich das in der Schulzeit versäumte Wissen an Unis und Fachhochschulen auch nicht mehr so einfach. Wenn wir deren Absolventen bei uns in Graz zu Bewerbungsgesprächen einladen, tun sich Abgründe auf. Sie können philosophische Abhandlungen über Medienethik halten, aber wie sich mit den sozialen Medien Geld verdienen lässt, wissen sie nicht ansatzweise.

      Zudem ist ihr Wissen meist drei bis fünf Jahre alt. In einem sich dynamisch entwickelnden Bereich wie dem der sozialen Medien sind drei bis fünf Jahre eine Ewigkeit. Ich habe Lehrbücher gesehen, mit Screenshots, die es so schon lange nicht mehr geben kann. Das ist etwa so, als würden Schüler an Landwirtschaftsschulen heute lernen, wie sich Felder mit Holzpflügen bestellen lassen.

      Ich unterstelle den Universitäten und Fachhochschulen weder Ignoranz noch Unfähigkeit. Den meisten ist das Problem mangelnder Aktualität und Praxisbezogenheit ihrer Ausbildungen bewusst und sie versuchen ihr Bestes, es zu lösen. Sie kommen zu Unternehmern wie mir und laden sie als Vortragende ein.

      Ich habe einige dieser Einladungen angenommen, bin aber zurückhaltend geworden. Der Zeitaufwand ist groß, die Stundensätze sind niedrig und das ganze Bildungssystem ist so aufgesetzt, dass auch ausgeprägtes unternehmerisches Sendungs- und Verantwortungsbewusstsein kaum auf fruchtbaren Boden fällt.

      Der Grundfehler besteht darin, digitale Studienrichtungen genauso aufzusetzen wie ein Studium der Rechtswissenschaften oder der Betriebswirtschaftslehre. Bei letzteren beiden Studienrichtungen funktioniert das System. Hier ändern sich die Inhalte nur langsam und auf vorhersehbare Weise. Es hat deshalb Sinn, theoriebezogen zu lehren.

      Doch Facebook, Instagram, YouTube oder Pinterest brauchen nur ihren Algorithmus zu ändern, und schon müssen alle Lehrbücher über Social-Media-Marketing neu geschrieben werden. Die Ausbildungen hier müssen deshalb viel flexibler, dynamischer und vor allem viel praxisbezogener sein.

      Wir haben inzwischen notgedrungen unser eigenes dreimonatiges Trainee-Programm in Form einer Akademie entwickelt, mit Kursen, die vor Ort bei uns in Graz und online stattfinden. Wir bilden damit nicht nur unsere eigenen Leute aus und fort, sondern auch die Social-Media-Manager der Unternehmen, die wir betreuen.

      In Zukunft werden wir diesen Kurs und die damit verbundene Ausbildung zum Social-Media-Manager auch entgeltlich anbieten. Das ist für mich eine bessere Art, unternehmerisches Sendungs- und Verantwortungsbewusstsein auszuleben, als an etablierten Bildungseinrichtungen zu lehren. Außerdem habe ich dabei immer die Perspektive, die alle Unternehmer im Social-Media-Bereich bei all ihren Projekten haben: Wer weiß, was aus unserer kleinen Akademie noch alles wird.

      WER ICH BIN

      Ich habe mich im Learning-by-doing-Verfahren mit dem Geldverdienen in den sozialen Medien vertraut gemacht. Dass ich jetzt andere Unternehmer bei ihren Social-Media-Auftritten betreue, ist fast so etwas wie eine Lebensaufgabe für mich. Denn schon als Schüler einer Höheren Technischen Lehranstalt (HTL) in Kaindorf an der Sulm fiel mir auf, dass es viele geniale Ideen gibt, die sich nicht durchsetzen, weil es ihre Erfinder nicht schaffen, Geld damit zu verdienen. Das kann doch nicht sein, dachte ich mir bereits mit 18 und erahnte in der Finanzierung beziehungsweise Monetarisierung solcher Ideen einen Markt.

      Noch vor meinem Schulabschluss, in den letzten Sommerferien, gründete ich mit meinem Sitznachbarn ein Unternehmen, mein erstes von bisher insgesamt zwölf. Mein Zeugnis über den Abschluss der fünften HTL-Klasse habe ich bis heute nicht abgeholt, weil ich an dem Tag beruflich zu tun hatte. Wir befassten uns mit der Versorgung von Gebäuden mit selbstproduzierter Solarenergie in Form von Strom, mit Photovoltaik-Anlagen also. Diese Industrie boomte damals aufgrund großzügiger, staatlicher Förderungen.

      Wir recherchierten intensiv alle damals teilweise noch neuen und für Grundstückseigentümer oft schwer nachvollziehbaren Förderdetails und sprachen mit potenziellen Interessenten und Investoren. Dank unseres Engagements und unserer technischen Expertise in Sachen Photovoltaik, die wir in der HTL mitbekommen hatten, bekamen wir unsere ersten Aufträge. Im Grunde ging es uns darum, in Kenntnis der Förderrichtlinien und versteckter Kosten die Rendite solcher Anlagen exakt festzustellen und anschließend zu optimieren.

      Irgendwann bekamen wir den Auftrag, ein Bürgerbeteiligungsmodell für so eine Photovoltaik-Anlage zu konzipieren. Für uns war es naheliegend, das über eine Website zu organisieren, auf der sich interessierte Kleininvestoren anmelden konnten. Schließlich waren wir zu zweit und hatten gar nicht die Ressourcen, ein solches Projekt ohne digitale Unterstützung zu organisieren. Ein paar Zeitungen berichteten darüber und wir konnten unser Modell fünf Gemeinden präsentieren.

      Nachdem wir binnen eines Monats rund 300.000 Euro für die Finanzierung von Photovoltaik-Anlagen gesammelt hatten, wies uns jemand darauf hin, dass es sich bei unserem »digitalen Modell« um keine Bürgerbeteiligung, sondern um »Crowdfunding« handelte. Crowdfunding? Wir hatten schon davon gehört, wussten aber nicht genau, was das sein sollte. Wir googelten den Begriff und stellten fest, dass der Hinweis stimmte. Was wir machten war tatsächlich eine Art von Crowdfunding.

      Von nun an kümmerten wir uns um die Finanzierung aller möglichen guten Ideen mittels Crowdfunding. Es ging um einzelne Hallen für expandierende Firmen oder um junge Start-ups mit guten Ideen. Wir spezialisierten uns auf nachhaltige Projekte, erneuerbare Energien, Umwelt, Mobilität und Gesundheit und nannten die Plattform, über die wir das alles abwickelten, GREEN ROCKET.

      Wenn du Ambitionen und Visionen entwickelst, die nicht alle verstehen, stößt du immer auch auf Missgunst. Oft genug hörte ich, wie dumm es wäre, an solchen Projekten zu arbeiten. Crowdfunding, das sei ein Minderheitenprogramm, und wenn es doch funktionieren würde, würde es bald hunderte andere Anbieter geben und wir beiden blutjungen Anfänger würden untergehen. Und dann auch noch so eine Nische wie Nachhaltigkeit. »Besser, ihr lasst es gleich bleiben«, sagten uns die meisten.

      Du wirst als sehr junger Gründer nicht gerade unterstützt, vor zehn Jahren noch viel weniger als heute, und es war nicht leicht, das alles zu ignorieren. Aber wir blieben dran, und zwar mit einer Ansage gegenüber möglichen Partnern, Auftraggebern und Kunden, die gut funktionierte und die ich dir, wenn du dein unternehmerisches Glück jetzt in den sozialen Medien versuchst, ans Herz legen möchte:

      »Wir haben kein Geld, aber wir haben eine Idee, für die wir brennen. Und in Zukunft werden wir auch Geld haben.«

      Langsam kam alles ins Rollen. Unser unschuldiges Erscheinungsbild und unser jugendlicher Charme, beides kombiniert mit dieser Ansage, halfen uns. Doch vor allem brachten uns unsere Begeisterung für unser Vorhaben, unser Mut und unsere akribische, ausdauernde Arbeit weiter.

      Als wir zum Start von GREEN ROCKET auch noch ein Foto des damaligen österreichischen Umweltministers,


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