Jeder Schritt ein Auftritt (E-Book). Marcel Felder
steht dabei im Mittelpunkt. Das Fundament bilden spezifische Beobachtungen, der Abgleich von Selbst- und Fremdwahrnehmung, Reflexionsaufträge und die Kultivierung einer Feedbackkultur (vgl. Felder 2016, S.99).
Simulationsübungen
In Simulationsübungen (zum Beispiel berufsrelevante Auftritts- und Gesprächssituationen) werden die Erfahrungen und Erkenntnisse aus den Wahrnehmungs- und Sensibilisierungsübungen angewandt und weiter trainiert. Dabei kann überprüft werden, ob das Wissen und Können in spezifischen Situationen abrufbar ist. Durch die im Unterrichtssetting natürlich gegebene Komplexitätsreduktion wird deutlich, dass nicht die Wirklichkeit, sondern für die Wirklichkeit trainiert wird (vgl. Felder 2016, S.99f.).
Transfer
Idealerweise ist eine Parallelstruktur zum Training gegeben, die es ermöglicht, dass Neues in realen Anwendungssituationen erprobt und etabliert werden kann.
Das Training ist idealerweise so aufgebaut, dass Wahrnehmungs- und Beobachtungsaufträge den Lernprozess begleiten und die gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen aus den Übungen und Transferanwendungen wieder in die Trainingssituation einfließen und somit die Grundlage für neue Lernfelder bilden.
Ein Trainer oder eine Trainerin unterstützt die Teilnehmenden bei ihren individuellen Lernprozessen. Er oder sie gestaltet das Training so, dass ein Individuum neue Kompetenzen erwerben und neues Verhalten erlernen kann. Dies setzt ein klares Trainingskonzept voraus. Selbstverständlich konzipiert er oder sie das Training dem Lerngegenstand entsprechend, behält den berufsspezifischen oder situativen Fokus im Auge, setzt an subjektiven Theorien an, kontextualisiert das Theoriewissen und strukturiert Transfermöglichkeiten (vgl. Vanier 2013, S.38). Dies alles bildet die Basis für das selbstgesteuerte Lernen und verantwortliche Handeln im geschützten Trainingssetting.
Ebenso ist die Beziehungsgestaltung zwischen den Teilnehmenden und den Trainerinnen und Trainern – aber auch zwischen den Teilnehmenden selbst – von Bedeutung und muss bewusst kultiviert werden. Das Auftrittskompetenztraining setzt Vertrauen voraus, denn es gehört zum Wesen des Trainings, dass bisher Bewährtes infrage gestellt wird. Dies kann verunsichern, fordert die emotionale Beteiligung und berührt das Selbstkonzept (vgl. Vanier 2013, S.41). Die Trainerinnen und Trainer müssen sich deshalb der hohen Anforderung an ihre Professionalität bewusst sein.
Die Fähigkeit der Trainerinnen und Trainer, kompetent, wertschätzend und fokussiert Feedback zu geben, ist unabdingbar. Die Trainerinnen und Trainer verzichten auf Kategorien wie «richtig» und «falsch» und lassen Bewertungen wie «gut» oder «schlecht» weg. Sie bleiben stets spezifisch in der Rückmeldung zur erzeugten Wirkung und trennen in ihren Feedbacks klar zwischen Beobachtung und Interpretation. Vielleicht entscheiden sich die Trainerinnen und Trainer auch, den Auftritt der Teilnehmenden zu spiegeln, oder sie führen selbst Simulationsübungen vor. Die Empathiefähigkeit und Präsenz der Trainerinnen und Trainer sind wichtige Voraussetzungen für das Gelingen des Trainings. Auch eine gute Portion Humor, Gelassenheit und Geduld sind im Wahrnehmungs-, Findungs- und Optimierungsprozess förderlich. Die Trainerinnen und Trainer sind sich ihrer Modellfunktion bewusst.
Die einzelnen Trainingseinheiten sind so zu gestalten, dass die Teilnehmenden regelmäßig neue Erfahrungen und Erkenntnisse gewinnen und dabei Erfolgserlebnisse verbuchen können. Dadurch bleibt das Training für die Teilnehmenden bedeutsam, macht Freude und motiviert die Teilnehmenden, am Thema dranzubleiben und die nächsten Schritte mitzugehen.
Warum Übungen aus der Theaterpädagogik?
Die Idee, dass gewisse Übungsformen und Methoden aus dem Theaterbereich sich für die Entwicklung spezifischer Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Bewältigung eines (professionellen) Auftritts besonders eignen, ist nicht neu. Tatsächlich haben schon Philosophen des antiken Griechenlands die Möglichkeiten des darstellenden Spiels als Lernmethode für Gebiete wie die Rhetorik und die persönliche Präsentation erkannt (vgl. Göhmann 2004, S.88).
Nach Liebau, Klepacki und Zirfas (2009) gehören theatrale Lehr- und Lernformen zu den produktiven Lernformen und sind handlungs- und erfahrungsorientiert. Im Wesentlichen bestehen theatrale Lehr- und Lernprozesse aus Wahrnehmungs-, Darstellungs-, Gestaltungs-, Präsentations- und Reflexionsprozessen. Die vier zentralen Effekte theatraler Lernprozesse: Kompetenz, Reflexivität, Erfahrung und Präsentation sind nach Klepacki und Zirfas (2013) den theatralen Lehr- und Lernprozessen immanent. Da im Fokus der theatralen Auseinandersetzung die körperliche Ausdrucksweise und deren Konzeption stehen, eignen sich Wahrnehmungsübungen, Methoden und Settings aus der Schauspiel- und Theaterarbeit folglich besonders für die Vermittlung von Auftrittskompetenzen.
Theatrale Lehr- und Lernformen können nach Hentschel (2010) für verschiedene Zielebestimmungen eingesetzt werden: als Erziehung durch Theater, als Erziehung zum Theater oder als eine allgemeine Wahrnehmungserziehung mit «theateraffinen» Mitteln (vgl. Hentschel 2010, S.238). In Anlehnung an Hentschel umschreibt Kramer-Länger (2013) die Erziehung zum Theater, mit dem Ziel, Wissen und Können über Theater aufzubauen und die Erziehung durch Theater als ein Feld, in dem über Theater an sozialen und personalen Kompetenzen gearbeitet wird und eher bildungs- und kulturpädagogische Ziele verfolgt werden. Ferner hat Erziehung mit theateraffinen Mitteln neben dem Aufbau sozialer oder personaler Kompetenzen die Ausbildung fachlicher Kompetenzen zum Ziel. Übungen, Methoden und Settings aus der Schauspiel- und Theaterarbeit werden eingesetzt, um fachfremde Inhalte zu vermitteln (vgl. Kramer-Länger 2013, S.46f.). Für das Grundverständnis des in diesem Buch angestrebten Trainings ist die Verortung des Auftrittskompetenztrainings in der Erziehung mit theateraffinen Mitteln wesentlich. Bei der Festigung der Auftrittskompetenz geht es nicht primär darum, fremde, fiktive Rollen zu ergründen oder spielerisch darzustellen. Dies würde einerseits ein Verständnis der dramatischen und theatralen Kunst voraussetzen und andererseits intensive Recherchearbeit in den spezifischen sozialen Bezügen erfordern (vgl. Felder 2016, S.88). Vielmehr stehen die Auseinandersetzung mit der eigenen sozialen Rolle (beziehungsweise Berufsrolle) und die persönliche Wirkungsgestaltung im Mittelpunkt des Trainings.
Welche Aspekte gehören zur Auftrittskompetenz?
Inhalte | Aspekte |
Nonverbale, nonvokale Kommunikation [Nonverbalität] | Mimik, Gestik, Blickkontakt, Körperhaltung, Raumverhalten, Stand, Körperbewegung, Gang, Energie/Dynamik, Spannung, Atmung, Artefakte (wie Kleidung, Schmuck, Frisur, Gegenstände/Requisiten, symbolische Zeichen) |
Nonverbale vokale Kommunikation (Paraverbalität) | Intonation, Stimmmodulation, Sprachrhythmus, Dynamik (wie Lautstärke), Pausen, Rahmensignale (wie Gähnen, Husten, Räuspern, Sprechunarten wie «ähm» und so weiter), Sprechtempo, Atmung, Betonungen, Stimmlage, Artikulation, Sprechhaltung |
Verbale Kommunikation (Verbalität) | Dialektik, Wortwahl, Satzbau, Aufbau und Dramaturgie, Inhalt, Sprachstil, Aussprache, Schlagfertigkeit, Rhetorik (wie Frage- und Argumentationstechniken, Redefiguren und so weiter) rhetorische Improvisation, Schlagfertigkeit |
Effekte | Primacy-Effekt, Recency-Effekt |
Status | gesellschaftlicher, natürlicher und gespielter Status, Führen und Leiten, das Verhältnis zur eigenen Autorität, das Spannungsfeld zwischen Dominanz und Unterordnung |
Kontaktverhalten | kontaktbejahendes und kontaktverneinendes Begegnungsverhalten, Beziehungsgestaltung, Kontakt aufnehmen, halten, abbrechen |
Interaktionsstrategien | Lob und Zustimmung, Ignorieren, Schweigen, Beharrlichkeit und so weiter, Raum geben und nehmen, mit Grenzen umgehen |
Proxemik |
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