1 x Chemo mit Esprit, bitte!. Diana Grünberg

1 x Chemo mit Esprit, bitte! - Diana Grünberg


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ich innerlich weiter wurde. Etwas schenkte mir Frieden und tiefe Ruhe. In diesem Moment sagte Cornelia: „Suche dir nun dein Mantra, welches dir auf deinem Weg der Heilung helfen wird.“ Mir kam sogleich das Wort „Vertrauen“ in den Sinn, ich sah das Wort in großen Buchstaben vor meinem inneren Auge. Und mit jedem erneuten Anschlagen der Klangschale, ließ ich das Vertrauen in meine Zellen eindringen. Mein ganzer Körper vibrierte als Einheit mit dem Schall des Klangkörpers. Es war himmlisch.

      Ohne jegliches Zeitgefühl holte mich meine Freundin aus diesem tiefen Entspannungszustand zurück. Sie schenkte mir eine Mala, eine hinduistische Gebetskette mit vielen Perlen, vergleichbar mit einem Rosenkranz, und riet mir, diese immer dann zu benutzen, wenn Angst in mir aufstiege. Jede Perle repräsentiere Vertrauen und so könne ich mit den Fingern von Perle zu Perle rutschen und mir mein Mantra vor mein inneres Auge holen. Ihr habe das schon oft geholfen und deshalb wolle sie es jetzt an mich weitergeben. Mir wurde ganz warm ums Herz und ich spürte eine tiefe Verbundenheit zu meiner Begleiterin. Für heute sei es genug, meinte Cornelia dann auch schon, ich solle morgen wiederkommen und auch an jedem darauffolgenden Tag. Voller Dankbarkeit verabschiedete ich mich von ihr und ging innerlich ruhig und mit einer mir noch unerklärlichen Kraft nach Hause. Meine Mala hatte ich um den Hals und legte sie auch die nächsten Tage und Wochen nicht mehr ab. Sie hat mir wirklich sehr geholfen. Wann immer ich bemerkte, dass mich die Angst lähmen wollte, nahm ich meine Kette in die Hände und holte mir Perle für Perle mein Mantra „Vertrauen“ vor mein inneres Auge. Der Trick dabei ist ganz einfach: Die Gedanken werden unterbrochen. Da es dem Verstand nicht gelingt, sich auf mehrere Dinge gleichzeitig zu fokussieren, können wir so der unendlichen Gedankenflut entrinnen.

      Durch das tägliche Üben mit meinem Mantra fiel es mir immer leichter, meine Gedanken zu kontrollieren. Das heißt nicht, dass ich mir keine Gedanken mehr machte. Der Verstand ist so tückisch, dass er immer wieder versucht über Hintertürchen ins Bewusstsein zu gelangen. Ganz leise und unbemerkt schleichen die Gedanken wie kleine Monsterchen in den Kopf, um für Chaos und Angst zu sorgen. Und manchmal dauert es auch ein bisschen, bis wir diese destruktiven Gedanken wirklich erkennen. Bei mir entpuppten sie sich oftmals als ein leichtes, enges Gefühl in der Bauchgegend. Bei dir kann es etwas ganz anderes sein. Sobald ich diese Monsterchen jedenfalls aufgedeckt hatte, holte ich mir das Mantra „Vertrauen“ vor mein inneres Auge. Selbst heute noch, benutze ich diese Methode hin und wieder. Wann immer sich ein angstmachender Gedanke auftun will, kommt mittlerweile ganz automatisch mein Mantra und bringt mich in dieses tiefe Gefühl von Vertrauen zurück. Wahrscheinlich wird es mich noch mein Leben lang begleiten. Welch wundervoller, einfacher Trick!

      Das großartige Gefühl des Annehmens

      Während einer meiner darauffolgenden Klangschalensitzungen bei Cornelia begann ich in einer Meditation fürchterlich zu weinen. Ich schluchzte, schrie und wand mich auf meiner Unterlage, krampfhaft die Hand meiner Freundin haltend, aus Angst mich in dieser Dunkelheit, die sich mir in diesem Augenblick zeigte, zu verlieren. Ich sah ein tiefes schwarzes Loch, an dessen Klippe ich stand. Das Loch wurde größer und größer und ich taumelte und stürzte direkt hinein. Dabei fiel ich immer tiefer in ein unaufhörliches Nichts. Es schien, als würde ich all den Schmerz der vergangenen Jahrzehnte aus mir herausschreien.

      Das letzte Mal, als ich so geweint hatte, war ich dreizehn und meine erste große Liebe hatte mich gerade verlassen. Ich weiß nicht, wie lange ich mich so in meinem Leid wand, aber irgendwann war der Schrecken zu Ende und ein unsagbarer Frieden breitete sich in mir aus. Plötzlich erschien alles voller Licht und es war, als schwebte ich mit Leichtigkeit durch die Weiten des unendlichen Seins. Ich wusste in diesem Augenblick: Alles darf so sein, wie es ist.

      Mit diesem berauschenden Gefühl von innerem Frieden ging ich nach Hause. Sofort bemerkten meine beiden Töchter und auch mein Mann die Veränderung in mir. Meine ruhige und friedvolle Stimmung schenkte auch meiner Familie wieder Vertrauen.

      Die Energie von Drama und Leid hatte begonnen sich aufzulösen. Doch das Wissen, dass alles so sein darf, wie es ist, verlangte noch nach einer weiteren Prüfung.

      Seelen können ungeduldig sein

      Da ich mir der Kraft und Macht des gesprochenen Wortes bereits bewusst war, wollte ich bei der Diagnosebesprechung nicht dabei sein und bat meinen Mann, dieses Gespräch mit meinem Arzt zu führen. Ich hatte mir ab dem Zeitpunkt der Diagnose untersagt, auch nur die kleinste Kleinigkeit über Krebs zu lesen oder mich anderweitig zu informieren. Weder über Naturheilverfahren noch über schulmedizinische Eingriffe. Ich wollte keine angsteinflößende Beeinflussung von außen. Da mein Mann Zahnarzt ist, kennt er sich in der Schulmedizin etwas aus und er bereitete sich gut auf das Gespräch vor. Er recherchierte ausführlich im Internet, um gezielt Fragen stellen zu können. Manchmal konnte ich an seinem Gesichtsausdruck seine Sorge um mich erkennen, doch ermahnte ich mich gleich, dass es seine Sorge und nicht die meine sei. Mein Mantra war stark! Die Angst war schwach.

      Dann war es soweit und wir fuhren wieder nach Bayreuth. Zwar war die Stimmung etwas gelöster als beim ersten Mal, aber die Ungewissheit war unser ständiger Begleiter. Die Mala fest in meiner Hand haltend, setzten wir uns in den Warteraum. In den Augen meines Mannes sammelten sich Tränen und er hatte große Mühe nicht loszuweinen. Mir war seltsamerweise nicht nach weinen zumute, denn ich spürte noch immer eine Präsenz, die mir Kraft und Ruhe schenkte.

      Dann wurde mein Name aufgerufen. Ich klärte kurz ab, dass mein Mann zuerst das Gespräch führen und ich erst später zur Therapiebesprechung dazukommen würde. Beides war in Ordnung und so setzte ich mich ins Wartezimmer und hörte über mein Smartphone Entspannungsmusik, während mein Mann mit dem Arzt sprach. Ich erinnerte mich an die Atemübungen, die mich Cornelia gelehrt hatte, und atmete tief und entspannt ein und wieder aus. Als ich gerade meine Augen schließen wollte, um tiefer in das Gefühl von Entspannung einzutauchen, hörte ich plötzlich eine süße, kleine Stimme: „Wann geht es denn nun endlich los mit unserem Abenteuer?“ Ich spürte eine euphorische Neugier in mir aufsteigen. Vor meinem inneren Auge tanzte freudvoll ein kleines Licht. Ein Lächeln legte sich über mein Gesicht, denn ich erkannte meine Seele, die es kaum erwarten konnte, in dieses Erlebnis einzutauchen. Ja, das war es in der Tat: ein Abenteuer, ein Erlebnis.

      Die Tür öffnete sich und ich wurde ins Arztzimmer gebeten. Mein Herz schlug schneller. Als erstes suchte ich den Augenkontakt zu meinem Mann, um aus seinem Gesicht lesen zu können: Puh, es war entspannt. O. k., dann mal los. Aufmerksam folgte ich den Worten meines Arztes, der sachlich, ruhig und sehr einfühlsam sprach. Und obwohl ich vieles nicht verstand, spürte ich eine unsagbare Vertrautheit zu diesem Menschen.

      Wie er bereits schon vermutete, war der Tumor in meiner Brust bösartig, weshalb er als Behandlungsformen Chemotherapeutika und eine Immuntherapie vorschlug. Er klärte mich über mögliche Nebenwirkungen auf und unterbreitete uns den Vorschlag eine Zweitmeinung einzuholen. Da ich mich jedoch in seiner Gegenwart sehr wohl fühlte, empfand ich das nicht als nötig und auch mein Mann stimmte dem zu. Daraufhin wurden gleich Termine für den Therapiebeginn vereinbart. Zuerst sollte ein Port gelegt werden, ein kleines Döschen, das unter die Haut eingepflanzt wird, um problemlos Medikamente und Infusionen einzubringen. Damit würden die Chemo und die Antikörper unkompliziert in den Körper gelangen. Gleichzeitig sollte mein Wächterlymphknoten, eine der ersten Schlüsselstellen des Immunsystems, entfernt werden, um eine Streuung des Tumors zu vermeiden. Ich muss dazu sagen, dass auch mein Arzt zum Zeitpunkt der Besprechung noch nicht wusste, wie weit sich die Zellen bereits verirrt hatten. Nachdem dies klar war, wurde auf eine Entfernung des Wächterlymphknotens verzichtet.

      Um den Port zu legen, war ein kleiner operativer Eingriff notwendig und noch am selben Tag wurde Blut genommen und die Lunge geröntgt. Weitere Untersuchungen und das Aufklärungsgespräch mit dem Anästhesisten wurden auf die darauffolgenden Tage gelegt. Dazwischen lag ein Wochenende. Da nach der Operation gleich die Chemo- und Antikörpertherapie beginnen sollte, beschlossen wir kurzfristig mit den Kindern zum Mondsee nach Österreich zu fahren. Da das Wetter sehr gut war, konnten wir unseren geplanten Klettersteig durchführen, der uns drei Stunden den Berg nach oben führte. Außer den seltsamen Rückenschmerzen ging es mir recht gut. Leider konnte ich die Wanderung nicht so recht genießen, da mir meine bevorstehende therapeutische Reise im Genick saß. Außerdem hatten sich die Rückenschmerzen bis zum Zeitpunkt des Abstiegs höllisch verstärkt.


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