1 x Chemo mit Esprit, bitte!. Diana Grünberg

1 x Chemo mit Esprit, bitte! - Diana Grünberg


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an dem die Voruntersuchungen für die Operation durchgeführt wurden. In dem Glauben, dass darüber hinaus nichts Besonderes geschehen würde, beschloss ich, alleine in die Klinik zu fahren. Immer wieder holte ich mir zur Beruhigung mein Mantra ins Gedächtnis. Im Warteraum saß eine ältere Dame, die, wie sich später herausstellte, auch wieder als Engel an meine Seite gestellt wurde. Als wir ins Gespräch kamen, erfuhr ich, dass sie selbst Brustkrebs gehabt hatte und jetzt, immer montags, ehrenamtlich in der Klinik Patientinnen zur Seite stand.

      Da es eine weit verwinkelte Klinik war, war es ganz gut, eine Begleitung zu haben, die einen von einer Untersuchung zur nächsten bringt. Alleine hätte ich die Wege nicht gefunden. So begleitete sie mich nach dem Anästhesievorgespräch auch zum geplanten Herzecho. Weiter waren keine Untersuchungen vorgesehen

      Die Ärztin, die für das Herzecho zuständig war, zeigte sich sehr wortkarg und eher kühl. Nachdem sie das Herz untersucht hatte, wollte sie auch noch die Leber über Ultraschall anschauen. „Oh nein“, dachte ich, „wieso denn das?“ Ich musste mich umdrehen und mir wurde schlecht. Wahrscheinlich ahnte ich schon etwas Ungutes. Kaum gedacht, sagte sie auch schon ganz entsetzt: „Ihre Leber, nein, also Ihre Leber ist gar nicht in Ordnung!“ In mir schien das Blut zu gefrieren. Ich bekam kaum noch Luft und musste mir das Weinen verkneifen. „Hat man Sie nicht aufgeklärt?“ fragte sie mich. „Aufgeklärt? Worüber?“, dachte ich nur kopfschüttelnd, da ich immer noch keinen Ton von mir geben konnte. Während ich mich wieder ankleidete, fragte sie mich noch: „Haben Sie Kinder?“ Als ich nickte, schüttelte sie seufzend den Kopf und in ihren Augen spiegelte sich Bestürzung. „Jetzt hast du dein Todesurteil erhalten“, dachte ich mir und verließ das Behandlungszimmer. Ich begann zu weinen und zitterte am ganzen Körper. Der Ohnmacht nahe, setzte ich mich auf den Stuhl im Wartezimmer und erst als sie meine Hand nahm, um mir Trost zu spenden, erkannte ich meine Begleiterin von vorhin, die die ganze Zeit auf mich gewartet hatte, obwohl sie hätte gehen können. Ich erzählte ihr, was vorgefallen war und sie versuchte ganz rührend mir wieder Mut zu machen, indem sie mich mit Fragen über meinen Beruf und meine Familie ablenkte.

      Der mir bereitgestellte Engel in Menschengestalt blieb noch bei mir und brachte mich wieder zurück ins Anmeldezimmer des Brustzentrums. Ich war so froh und dankbar für die Anwesenheit diese Frau. Sie hat mich in einem meiner schlimmsten Momente aufgefangen.

      Wieder hatte ich Wärme und Zuwendung erfahren, was in solch schwierigen Momenten so wertvoll ist.

      Und erneut hatte sich gezeigt, wie macht- und kraftvoll Worte auf uns wirken können. Wie kann ein Mensch so gefühl- und taktlos sein? Wie kann ein Arzt so unwissend die Macht der Sprache einsetzen? Doch es sind eben auch nur Menschen und ich hoffe sehr, dass viele Ärzte dieses Buch lesen und ein Bewusstsein für die Wirkung von Worten entwickeln. Mein Arzt jedenfalls hatte das bereits erkannt.

      Von Engeln umgeben

      Ich wurde ins Arztzimmer gebeten und kurz darauf erschien er – meine Engel in Weiß. Noch immer liefen Tränen über meine Wangen und ich zitterte am ganzen Körper. Einfühlsam fragte er mich, was mich so erschüttert hätte und ich erzählte ihm von der Diagnose der Leber, jedoch nichts über die Reaktion der Ärztin. Er nickte mit dem Kopf und bestätigte mir, dass es wohl Veränderungen in meiner Leber gäbe. Dabei streichelte er mir liebevoll über meine Wange.

      Im Gegensatz zu der gefühlskalten Ärztin war er ganz ruhig und strahlte eine unsagbare Sicherheit aus. Ich spürte, wie auch ich begann, mich wieder zu entspannen. „Wovor haben Sie am meisten Angst?“, fragte er mich. „Dass ich sterben muss“, antwortete ich ihm. „Hatten Sie jemals in Ihrem Leben schon einmal die gleiche Angst?“, fragte er mich weiter. Nach kurzem Überlegen fiel mir in der Tat eine Situation in meinem Leben ein, in der ich mich schon einmal genauso gefühlt hatte. Ich nickte ihm zu und daraufhin bat er mich zu erzählen, was damals geschehen war. Es war eine etwas peinliche Geschichte, doch ich teilte sie mit ihm. Als ich zehn Jahre alt war, entdeckte ich in meinem Stuhlgang Würmer. Ich war so entsetzt, dass ich in mein Zimmer lief und verzweifelt vor mich hin weinte. „Jetzt muss ich sterben, jetzt muss ich sterben …“ Immer und immer wieder hörte ich mich diese Worte sagen. Da es mir zu peinlich war, darüber zu sprechen, erzählte ich niemandem von meiner Angst. Es waren schreckliche Tage, in denen ich das alles mit mir alleine ausmachte. Gott sei Dank verschwanden die Würmer bald wieder und so hatte ich diese Geschichte schnell wieder vergessen.

      Mein Arzt schaute mich lächelnd an und sagte: „Und? Jetzt sind fünfunddreißig Jahre vergangen und Sie leben immer noch!“ Sprachlos sah ich ihn an. Er hatte recht. Was machte ich mir nur für Gedanken? Meine Atmung wurde wieder etwas tiefer. Nachdem ich mich beruhigt hatte, teilte mir mein Arzt mit, dass er die Gesamtsituation, mit der entsprechenden Therapie, immer noch positiv sähe. Das machte mir wieder Hoffnung. Ich schaffte es auch, mich wieder an mein Mantra zu erinnern und langsam kam das Gefühl von Vertrauen zurück.

      Ganz behutsam berichtete mir mein Arzt, dass es auch Veränderungen in der Lunge sowie in der Wirbelsäule gäbe. Wie weitläufig sich doch meine Zellen schon verirrt hatten. Die Art und Weise, wie er mir das erklärte und wie die Therapie nun aussah, brachte mich nicht aus dem Gleichgewicht. Aufmerksam hörte ich ihm zu und wie schon beim ersten Therapiegespräch verstand ich nicht alles, doch ich wusste, dass es gut für meine Heilung ist. Außerdem erfuhr ich, dass der Arzt bereits vor unserem Kurztrip nach Österreich meinen Mann angerufen und ihm von den Veränderungen in der Lunge berichtet hatte, die auf dem Röntgenbild zu sehen waren. Mein Mann hatte mir das nicht erzählt, was auch sehr gut war. Denn entgegen der weit verbreiteten Annahme, dass es besser sei, einem Patienten die volle Wahrheit sofort mitzuteilen, habe ich die Erfahrung gemacht, dass es nicht immer gut oder geboten ist, jeden Patienten sofort mit all den erschreckenden Ergebnissen zu konfrontieren. Manchmal ist es besser eine Torte Stück für Stück zu essen, damit einem nicht schlecht wird.

      Laut Aussagen von mehreren Ärzten, hätte ich eigentlich Atemprobleme haben müssen, was jedoch nicht zutraf. Das verwunderte meinen Arzt und noch mehr wunderte er sich, dass ich in diesem Zustand einen dreistündigen, schwierigen Klettersteig gegangen war. Vielleicht wäre es mir anders ergangen, wenn ich die Ergebnisse gewusst hätte. Wie oft sind die Dinge anders als sie zu sein scheinen.

      Versteckte Geschenke

      Während all dieser Turbulenzen in den vergangenen Tagen und Wochen ereignete sich etwas Seltsames. Jedes Mal, wenn ich an einem Spiegel vorbeikam oder am Morgen in den Spiegel schaute, erkannte ich mich selbst nicht mehr. Wer war diese Gestalt dort im Spiegel? Natürlich wusste ich, dass diese Person Diana war, aber irgendwie konnte ich mich nicht mehr mit dieser Gestalt identifizieren. Es war, als schaute ich von außen auf diesen Menschen, so als sei ich der Raum, in dem sich dieser Mensch bewegt. In dieser Zeit betrachtete ich öfters das Gesicht. Teilweise war es verschwommen und ich sah bloß die Konturen der Augen, des Mundes und der Nase. Erst nach einer gewissen Zeit wurde mein Spiegelbild wieder klar und ein weiches, zartes Gesicht lächelte mir entgegen. Wie wunderschön ich doch war! Mir schien, als sei all die Härte, das teilweise ausgeprägt Maskuline und der Ausdruck von auferlegter Stärke entschwunden. Nicht nur meine Gesichtszüge hatten sich in meinen Augen verändert, sondern auch mein Körper. Durch meine radikale Ernährungsumstellung hatte ich abgenommen. Auch meine stark ausgeprägte Muskulatur, die ich mir antrainiert hatte, war zurückgegangen, da ich nur noch moderate Yogaübungen durchführte. Mir gefiel, was ich sah. Mein Körper glich jetzt eher dem Körper einer kleinen, zarten Fee. Vielleicht war ich ja schon immer diese kleine, zarte Fee und hatte nur geglaubt, dass ich mir meine innere Stärke auf meinen Körper packen muss, um nach außen zu zeigen, wie stark und taff ich doch bin.

      Lange Zeit hatte mich dieser Glaube unterstützt und mich sicherlich auch zu viel Erfolg und Anerkennung geführt. Doch der mühsame, immer wiederkehrende Kampf, diese Fassade aufrecht zu erhalten und das nicht enden wollende Bedürfnis nach noch mehr Erfolg, Anerkennung und Lob wurde nun zu Recht vom Leben zerschmettert.

      Ich fühlte mich wohl in diesem zarten, weichen Körper. Ja, auch irgendwie zauberhaft leicht. Jetzt erlaubte ich mir, das Wesen zu sein, welches ich schon immer war. Eine lichtvolle, leichte, wunderschöne, bezaubernde und liebende Wesenheit.

      Diana und das spirituelle Wesen, das ich bin, leben seitdem bewusst zusammen und ich weiß jetzt, dass ich nicht nach mehr


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