Achtsamkeit in Schule und Bildung (E-Book). Detlev Vogel
alt="images"/>Implementierung von Achtsamkeit durch externe KursleiterInnen
Achtsamkeitstrainings für Lehrpersonen zur Selbstfürsorge und als Basis der Weitervermittlung
Beide Ansätze haben Vor- und Nachteile und können auch miteinander kombiniert und ergänzt werden. Im ersten Fall kann die Einführung durch eine noch nicht bekannte Person, frei von bisherigen Beziehungen und beidseitigen Einordnungen geschehen. Hier ist jedoch die Grundvoraussetzung für eine nachhaltige Entwicklung, dass zumindest eine Lehrperson der geschulten Klasse die Achtsamkeitspraxis gutheisst und sie weiterführt.
Dieser entscheidende Faktor ist natürlich ganz anders gegeben, wenn die zweite Variante gewählt wird. Auch kann in dieser Form die Vermittlung an die Schülerinnen und Schüler in einer ganz anderen Bandbreite erfolgen, vom erläuterten Vorleben einer achtsamen Haltung im Schulalltag, welche das Lernen am Vorbild ermöglicht, über die Integration von kurzen Elementen in den bestehenden Lehrplan bis hin zur expliziten Unterweisung in Achtsamkeit.
Ein 14-köpfiges Autorenteam, unter ihnen einige der führenden Entwicklerinnen und Entwickler von Achtsamkeitsprogrammen an US-amerikanischen Schulen (Meiklejohn et al. 2012), untersuchte in einem Artikel anhand der vorhandenen Programme ebendiesen Ansatz. Ihr Fazit war, dass der «entwickelte Sinn für Präsenz, verkörpert von der Lehrperson in den alltäglichen Klassenzimmeraktionen und Lernstrategien (…), eine weitergehende und nachhaltigere Wirkung auf das Bildungssystem hat.» Er braucht das eigene, erfahrungsbasierte Lernen der Lehrpersonen. Die eigene Achtsamkeitspraxis bietet den Boden für eine Vermittlung.
Achtsamkeitsprogramme für Schülerinnen und Schüler und deren Auswirkung
In den derzeit veröffentlichten Achtsamkeitsprogrammen für Schülerinnen und Schüler finden sich dieselben Bausteine wie in den Phasen der Lehrpersonenfortbildungen wieder, nur alters- und hörerinnenzentriert aufbereitet und an die Lebenswelten der Schülerinnen und Schüler angeknüpft. Hierzu kommen in Phase 1 und 2 – insbesondere für die jüngeren Kinder – Achtsamkeitsübungen mit einem sinnlichen Fokus: Übungen, die auf das Hören ausgerichtet sind (Geräusche, Musik), mit haptischen Elementen arbeiten (Steine, Massagen, Barfusspfad) oder Möglichkeiten des nichtwertenden Sehens kultivieren (Vordergrund – Hintergrund, Lenkung des Fokus).
Wie bei den Lehrpersonenprogrammen liegt oft ebenfalls ein Schwerpunkt auf der Entwicklung von Empathie und Mitgefühl zur Stärkung des Einzelnen und des sozialen Klassengefüges. Hinzu kommen die Elemente der Bearbeitung von schwierigen Emotionen und der achtsamen Kommunikation. Äquivalent zu Phase 3, der «Vermittlung nach aussen», wird häufig der Einbezug der Schülerinnen und Schüler in die Anleitung der Übungen gefördert. In manchen Programmen wird ein «achtsames Projekt» initiiert, das in individueller Form (z. B. Dankesbriefe an die Eltern, Freunde) wie auch als gemeinsames Umwelt- oder Sozialprojekt das Ziel hat, die Qualitäten von Achtsamkeit (Mitgefühl, Verbundenheit, Übernahme der Verantwortung für das eigene Handeln) nach aussen zu tragen.
Was die Programme unterscheidet, ist weniger der Inhalt, sondern sind die Metaphern und Wege der Vermittlung. In diesem Sinn ist es ganz entscheidend, dass LehrerInnen den zu ihnen passenden, authentischen Ausdruck finden. Es gibt bereits Grundschulprogramme, die Kindern in einfachen Worten die neurologischen Hintergründe vermitteln, so z. B., wenn Vera Kaltwasser (2016, S. 98) die Limba-Kinder Angsti, Haui, Lusti, Miesi und Freudi als Verdeutlichung des limbischen Systems erfindet. Andere fühlen sich eher von der Weisheit und dem spielerischen Aspekt der Handschildkröte «Polly Ananda» angezogen, die den Kindern ein Identifikationsobjekt gibt. Eline Snel (2013) sucht den Zugang über Geschichten, die die Lebensrealitäten der Schülerinnen und Schüler widerspiegeln, und arbeitet mit Bildern wie «stillsitzen wie ein Frosch» oder die «Grübelfabrik». Daniel Rechtschaffen (2016) legt den Hauptschwerpunkt auf die Reflexion der Übungen durch die Schülerinnen und Schüler und Helle Jensen eröffnet den Zugang über intensive Körperübungen.
Schon in dieser Aufzählung findet sich die Vielfalt der Programme wieder, hier in einer Auswahl präsentiert:
Achtsamkeit für Schülerinnen und Schüler | Land/Jahr | AutorInnen |
Inner Kids Programme | USA/2001 | Susan Kaiser Greenland |
Still Quiet Place | USA/2002 | Amy Saltzman |
MindUP! | USA/2004 | Goldie Hawn (Sponsor) |
Mindful schools | USA/2007 | Megan Cowan |
Learning to BREATHE | USA/2008 | Patricia Broderick |
Mind the Music | USA/2010 | Soryu Forall |
Mindfulness in Schools Project/ .b | GB/2008 | Richard Burnett, Chriss Cullen |
Aandacht werkt! («Aufmerksamkeit hilft»)/ Stillsitzen wie ein Frosch | NL/2010 | Eline Snel |
AiSchu | D/2008 | Vera Kaltwasser |
Happy Panda Project | D/2011 | Cecile Kayla |
Polly Ananda. Die weise Schildkröte | D/2014 | Nanine Schulz |
Hellwach und ganz bei sich | DK/2014 | Helle Jensen |
Achtsamkeit macht Schule | AT/2016 | Frank Zechner |
Achtsamkeit und Mitgefühl in der Schule | AT/2016 | Dominik Weghaupt |
Wache Schule | D/2018 | Susanne Krämer |
… und viele Initiativen und Projekte einzelner Lehrerinnen und Lehrer |
Tabelle 2: Achtsamkeitsprogramme für Schülerinnen und Schüler
Mittlerweile liegen zahlreiche Studien vor, wie Achtsamkeitsprogramme bei Schülerinnen und Schülern wirken.
Zunächst einige der wichtigsten Ergebnisse, um einen Überblick zu geben:
Wirkungen im physiologisch-medizinischen Bereich:
weniger Schlafstörungen (Bootzin & Stevens, 2005)
weniger ADHS-Symptome (Zylowska et al., 2008)
reduzierte Symptome von Angst, Depression und somatischem Stress bei Zunahme von Selbstwert und verbessertem Schlaf (Biegel et al., 2009)
Resilienz nimmt zu (Zenner et al., 2014)
Zunahme von Selbst-Mitgefühl, Selbstsorge (Neff & Dahm, 2015)
Wahrnehmung von eigenen kognitiven und