Zwischen Beraten und Dozieren. Geri Thomann

Zwischen Beraten und Dozieren - Geri Thomann


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Zielpublikum, das vorab aus Dozierenden an Hochschulen besteht? Über das Lernen ist viel geschrieben worden und darüber, dass Lehrangebote das Lernen lediglich anregen können. Wie genau aber ein solcher Paradigmenwechsel die lehrende Tätigkeit beeinflusst, diskutiert die (Fach-)Öffentlichkeit bisher eher wenig. Unter Dozieren im Hochschulalltag wird spontan nach wie vor noch Unterrichten, Erzählen, Vorzeigen, Vorlesungenhalten assoziiert. Ein Klischee?

      Wir wissen, dass sich Lernprozesse an Hochschulen überall auch anders abspielen: Projektlernen, Laborsituationen, Praktika, begleitete Online-Phase, Peergrouplearning, das Schreiben von Texten. Ebenso wissen wir, dass die Dozierenden hierbei in anderen Formen – eben beratend oder begleitend – tätig sind.

      Verfügt diese «andere» Form von Dozieren über weniger Status als die traditionelle Lehrrolle? Frei nach dem Motto: «who can, does, who cannot, teaches, who cannot teach is counselling somebody».

      Dass der scheinbare Widerspruch von Beraten und Dozieren in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat, veranschaulichen folgende Beispiele:

      imageIm Rahmen des begleiteten Selbststudiums an Hochschulen erfordert E-Learning bzw. Digital-Learning notwendigerweise beratende Begleitung durch Dozierende. In institutionalisierten E-Learningsettings zeigt sich hingegen, dass das zur Verfügung stehende Zeitbudget der Dozierenden noch nicht dem steigenden Anteil der Beratungsarbeit entspricht.

      imageDank Bologna werden mehr schriftliche Arbeiten geschrieben an Hochschulen und überhaupt mehr (schriftliche) Leistungsnachweise verlangt. Die Begleitung und Beurteilung solcher Arbeiten beansprucht Dozierende zunehmend in weiteren Rollen (Beratung und Beurteilung).

      imageDozierende werden in der Regel als (wissensvermittelnde) Expertinnen und Experten angestellt; die neu geforderte Zurückhaltung in beratendem Sinne stellt mit Sicherheit eine Herausforderung dar.

      imageUnd doch existiert ein Bild des Experten als «wissender Berater», es hält sich im Meister-Novizen-Modell seit der Entstehung der Universitäten im Mittelalter. Hochschuldozierende beraten eigentlich gerne. Handelt es sich bei dieser Art von Beratung jedoch wirklich um diejenige Beratung, die wir meinen, wenn wir gleichzeitig betonen, Lernende seien für ihr Lernen selbst verantwortlich?

      Die vorliegende Textsammlung konzentriert sich auf die Frage, wie Lehrende im Hochschulalltag beraten. Die Texte diskutieren Rahmenbedingungen und etablierte Praxen und hinterfragen, wie sich Dozierende wahrnehmen, wenn sie beraten.

      Sie lassen in verschiedene Welten blicken und bilden keine konsistente Gesamtperspektive. Sie thematisieren vielmehr verschiedene Ansprüche an die beratende Tätigkeit und damit verbundene immanente Spannungsfelder. Dies ermöglicht hoffentlich eine Annäherung an ein hochschulrelevantes Beratungsverständnis und eine Diskussion darüber. Beides scheint uns dringend notwendig.

      Was Beratung ist und sein kann, auch im Alltag von Lehrenden, umreisst Geri Thomann im ersten Artikel dieses Bandes.

      Weil mit Bologna und der Zunahme der schriftlichen Kommunikation im Berufsalltag das Schreiben an Bedeutung gewonnen hat, stellt Monique Honegger in ihrem Beitrag Tipps und Tricks für das Anleiten und Begleiten von Schreiben in fachorientierten Modulen im Hochschulstudium zur Verfügung.

      Es folgt ein Dialog von Monique Honegger und Daniel Ammann zum Thema Begleiten von Masterarbeiten.

      Wie Studierende in ihren Lernprozessen online begleitet werden können und wie ein entsprechendes Lehrsetting für Dozierende aussieht, stellt Peter Suter in seinem Beitrag dar.

      Das Tutorat ist eine weitere Form des Beratens. Der Projektbericht von Evelyn Waser zum Thema Tutorieren im Problem-based Learning (PBL) bietet Einsichten in die beratenden Tätigkeiten im Rahmen dieses Lehr-/Lernkonzepts.

      Rogers Johners Beitrag zu Projektbegleitung in der Hochschulpraxis, die vorab aus «steuernder Beratung» besteht, bietet praxiserprobte Tipps.

      Urs Ingold schildert eine praktische Umsetzung zu Online-Beratung in Studiengängen.

      Das Beraten findet auch zwischen Tür und Angel statt. Dieses Zwischengespräch, scheinbar jenseits aller formalen Rahmen, fokussiert Reto Tremp in seinem Artikel.

      Heinz Brunner behandelt das Thema Intervision in Dozierenden-Teams.

      Arbeiten mit Studierenden bedeutet stets Arbeiten mit Gruppen. Gruppen zu leiten und zu begleiten, ist eine zentrale Tätigkeit von Dozierenden. Geri Thomann und Monique Honegger bieten hierzu einen Überblick.

      Ein Interview mit der Beratungsexpertin Elisabeth Fröhlich Luini rundet die Tour d’Horizon ab. Sie äussert sich dazu, wie Lehrende sich in der Beratungsrolle finden und suchen.

      Angereichert wird der Band mit Geri Thomanns Instrumenten. Es handelt sich dabei um die Idee, den Dozierenden Modelle aus der professionellen Beratung für ihre Praxis zur Verfügung zu stellen. Diese benötigen eine Übersetzungsleistung in den Hochschulalltag, besitzen einen inneren Zusammenhang und stehen in Beziehung zum ersten Text Grundlagen der Beratung.

      Die Autorinnen und Autoren stellen sich jeweils zu Beginn ihrer Texte mit einem positiven Statement zu «Beratung» vor. Wir danken ihnen herzlich für das inspirierende Mitdenken und freuen uns aufs Weiterdenken.

      Interessierte finden unter https://phzh.ch/de/Weiterbildung/Hochschuldidaktik-und-Erwachsenenbildung/publikationen-projekte/#ein moderiertes Gespräch der Herausgeberinnen und Herausgeber zur Thematik.

      Ein grosser Dank gebührt Dominique Eigenmann, Deutschlandkorrespondent beim Tages-Anzeiger, für die Moderation des Gesprächs und Werner Burger für dessen Aufnahme, Regie und Schnitt. Ebenso danken wir Daniel Ammann für sein Mitdenken in diesem Band.

      Nicht zuletzt möchten wir uns beim hep verlag (vor allem bei den Projektleiterinnen Geraldine Blatter und Katharina Roth sowie dem Verleger Peter Egger) bedanken.

      Die Herausgeberin und die Herausgeber

       Grundlagen der Beratung für die Hochschullehre

      «Das Spannendste an Beratungen sind für mich immer wieder die Geschichten, welchen ich zuhören darf, die mich anregen und neue Welten eröffnen, in welchen wir (die zu beratende Person mit mir) zusammen Muster zu erkennen versuchen, um Hypothesen zu bilden und daraus Schlüsse zu ziehen.»

      Geri Thomann, Prof. Dr. phil, dipl. Supervisor/Organisationsberater, ist Leiter des Zentrums für Hochschuldidaktik und Erwachsenenbildung (ZHE) der Pädagogischen Hochschule Zürich.

      Einleitung

      Die einen Studierenden sind am Schreiben ihrer Bachelorarbeit oder sind in Projekten engagiert und suchen bei Stolpersteinen Ihren Rat als begleitende Fachperson. Andere beissen sich ihre Zähne an Case Studies aus, sind blockiert und fragen Sie im Unterricht um Ihren Rat; wieder andere leiden unter der Komplexität der Studiengangsorganisation und möchten von Ihnen Orientierungshilfe. Einige zweifeln gar an ihrer Studienwahl und wünschen, mit Ihnen darüber ein Gespräch zu führen. All diesen Phänomenen kann nicht mit reiner Fachexpertise begegnet werden.

      Im Kontext der Bologna-Reform nehmen an Fachhochschulen selbstorganisierte Lehr-/Lernformen einen grösseren Platz ein. Zudem kann Lernen im Zuge einer «Ermöglichungsdidaktik» auf Basis eines konstruktivistischen Lernverständnisses lediglich angeregt und begleitet werden. Die Rolle der Dozierenden erweitert sich damit aus lernpsychologischen und strukturellen Gründen und enthält immer mehr begleitende und beratende Aspekte. Die Aktivität liegt dabei vorwiegend bei den Lernenden.

      Dadurch


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