Zwischen Beraten und Dozieren. Geri Thomann

Zwischen Beraten und Dozieren - Geri Thomann


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mögliche Divergenz zeigt Schein auf eine andere Weise mittels folgender Grundmodelle auf:

      Drei Grundmodelle der Beratung

      ABeratung als Beschaffung von Information und Professionalität, Expertenberatung

      Der Klient oder die Klientin weiss,

      imagewas das Problem ist;

      imagewelche Lösung benötigt wird;

      imagewoher die Lösung kommen kann.

      Der Berater oder die Beraterin beschafft die benötigten Informationen und erarbeitet die Lösungen.

      BBeratung im Rahmen der Arzt-Patienten-Hypothese

      imageDer Klient oder die Klientin leidet unter bestimmten Unzulänglichkeiten oder Problemen, deren Ursachen sowie mögliche Lösungsansätze sind ihm/ihr aber unbekannt.

      imageDer Berater oder die Beraterin übernimmt die Verantwortung für eine richtige Diagnose (Erfassung) des Problems und dessen angemessene Lösung.

      imageDer Klient oder die Klientin ist abhängig vom Beratungsprozess bis zur Lösungsfindung.

      CDas Prozess-Beratungs-Modell

      imageDer Klient oder die Klientin hat das Problem und behält während des ganzen Beratungsprozesses die volle Verantwortung dafür.

      imageDer Berater oder die Beraterin hilft der Klientin oder dem Klienten, bestimmte Ereignisse und Vorgänge wahrzunehmen, richtig zu interpretieren und zu verstehen und ihnen angemessen zu begegnen (handeln).

      imageDer Klient oder die Klientin weiss sich selber zu helfen, und die Beraterin oder der Berater vermeidet, von Klientinnen und Klienten in eines der vorangehenden Modelle geleitet zu werden.

      nach Schein (2000, S. 25 ff.), modifiziert durch Thomann (2013)

      Wenn Sie sich den Berater-Jargon (z. B. «Klientin/Klient») wegdenken, bemerken Sie vielleicht, dass die Zuordnung der eigenen Beratungstätigkeit zu einem der Grundmodelle gar nicht so einfach ist: Mögen Sie Beratung noch so sehr als zurückhaltende und moderierende Prozessberatung verstehen: Wenn Sie beispielsweise als (Fach-)Experte oder (Fach-)Expertin beauftragt sind, werden Sie auch so wahrgenommen. Da wäre zu entscheiden, ob Instruktion nicht grundsätzlich adäquater ist als Beratung.

      Die Expertenhypothese des Modells von Schein setzt interessanterweise sehr selbstbewusste und handlungsfähige «Klientinnen und Klienten» voraus. Studierende würden hier genau wissen, was sie benötigen und Sie als Dozentin oder Dozent mit den «richtigen» Fragen kontaktieren (vgl. das fragegeleitete Lerncoaching in Landwehr/Müller 2006, S. 184 ff.).

      Die Arzt-Patienten-Hypothese fasziniert vielleicht durch den hohen Machtanteil der Beratenden und käme einem gewissen «Betreuungspotenzial» auf der Seite der Dozierenden und einem «Abhängigkeitsbedürfnis» auf der Seite der Studierenden entgegen; es wäre jedoch verfehlt zu behaupten, Klienten oder Studierende müssten als «Kranke» «geheilt» werden.

      Reflexionsfragen «Grundmodelle der Beratung»

      Versuchen Sie die drei Grundmodelle zu verstehen und auseinanderzuhalten (auch wenn sie in der Realität ineinanderfliessen). Probieren Sie dann, mittels folgender Fragen an Ihre Beratungserfahrungen anzuschliessen:

      imageWenn Sie an Beratungssituationen denken (als Beraterin oder Berater und Begleiter oder Begleiterin oder als Klientin oder Klient): In welchem/welchen Grundmodellen bewegten/bewegen Sie sich tendenziell?

      imageWürden Sie der (provokativen) These zustimmen, dass in sozialen und lehrenden Berufen sozialisierte Menschen häufig im Rahmen der Arzt-Patienten-Hypothese beraten? Weshalb (nicht)?

      imageIst Prozessberatung überhaupt möglich? Wann und wie?

      imageVerfügen zu Beratende über das Wissen, welches für die von Schein formulierte Expertenberatung notwendig ist?

      imageWelches Modell wäre Ihnen als Beratungsperson am nächsten? Weshalb?

      Das Schwergewicht der Beratungskompetenz liegt bei Formen der Expertenberatung im jeweilig spezifischen Fachwissen, bei Formen der Prozessberatung in Kenntnissen von sozialwissenschaftlichen Theorien und Verfahren.

      Zum professionellen Beratungshandeln gehören die Berücksichtigung von spezifischen Prozessphasen, eine adäquate Kontraktierung, die sorgfältige gemeinsame Diagnose sowie angepasste Interventionen – zum Beispiel durch die Wahl von adäquaten Fragen.

      Sie finden dazu in diesem Buch verteilt ausgewählte Instrumente:

Instrument 1:Fünf Phasen der Beratung (S. 33)
Instrument 2:Ablauf einer Beratung im Hochschulalltag (S. 50)
Instrument 3:Der Beratungskontrakt (S. 62)
Instrument 4:Diagnose in der Beratung (S. 101)
Instrument 5:Landkarte des Fragens (S. 105)
Instrument 6:Gesprächsführung (S. 125)
Instrument 7:Intervision – Vorgehensmodell und Checkliste Contracting (S. 148 & S. 150)

      Begleiten: Steuerung innerhalb des Kontinuums «Beratung – Instruktion – Führung»

      Wir beschäftigen uns im Folgenden mit der Begleitungsrolle, die sich von der Beratungsrolle unterscheidet, indem sie Führungshandeln integriert.

      Innerhalb der zu begleitenden Projektphasen «Initiieren – Realisieren – Präsentieren – Evaluieren» beispielsweise (siehe Text von Roger Johner, S. 109 ff.) ist die Anleitung zu Beginn eine Führungsaufgabe, während im Zuge der Realisierung Beratung gefordert ist.

      Lernen begleiten

      Im Zusammenhang mit Lernbegleitungsaktivitäten stehen folgende Aufgaben im Vordergrund:

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