Arbeiten in der Tagesschule (E-Book). Regula Windlinger
knapp, aber derzeit ist eine Ausdehnung nicht finanzierbar.»
Antonia Näf wünscht sich eine Obergrenze für die Gruppengrössen. In Anbetracht der Räumlichkeiten sind die Gruppen in ihren Tagesstrukturen zu gross. Vor allem die Lärmemissionen über die Mittagszeit sind anspruchsvoll für die Kinder wie für das gesamte Team. Bedauernswerterweise kennt der Kanton Aargau keinerlei Vorgaben zu den Rahmenbedingungen einer Tagesstruktur, die mit guter Qualität geführt wird. Im Kanton Aargau legen die Gemeinden die Qualitätsstandards für die familien- und schulergänzende Kinderbetreuung fest. Die Gemeinden haben sozusagen eine Doppelrolle, indem sie einerseits als Subventionsgeberinnen auftreten und andererseits Qualitätsprüfungen durchzuführen haben. Den Spagat zwischen finanzieller Rentabilität und realistischen Rahmenbedingungen zur Sicherstellung von Qualitätsstandards zu schaffen, ist kein leichtes Unterfangen. Von Vorteil wäre eine Trennung der zuständigen Instanzen. Dabei könnte der Kanton die Rahmenbedingungen zur Qualitätssicherung vorgeben, und die Gemeinden würden den Part als Subventionsgeberinnen übernehmen. Qualitätssicherung und finanzieller Support wären somit institutionell getrennt.
Antonia Näfs Vision ist eine intensivere Zusammenarbeit der beiden Betreuungsformen von Kindertagesstätten und Tagesstrukturen, zum Beispiel im Bereich der Ausbildung zur Fachfrau respektive zum Fachmann Betreuung Kind. Der Fachkräftemangel ist auch im Kanton Aargau spürbar, da immer mehr gut ausgebildetes Fachpersonal gesucht wird. Für die Auszubildende in den Tagesstrukturen Untersiggenthal konnte eine gute Lösung gefunden werden, indem sie und die Auszubildende der Kindertagesstätte im Dorf für ein halbes Jahr den Ausbildungsort getauscht haben.
3.6 Starkes Team und starke Trägerschaft
Antonia Näf ist überzeugt, dass die Arbeit in der schulergänzenden Bildung und Betreuung äusserst anspruchsvoll ist.
«Ohne unser starkes Team würden wir bezüglich der Arbeitsbedingungen eher an unsere Grenzen stossen. Mit dem Festhalten an gemeinsamen Werten ist das pädagogisch bestens ausgebildete Leitungsteam in der Lage, die Tagesstrukturen zu steuern und zu lenken, was zu grosser Zufriedenheit und Stimmigkeit führt. Dies spürt nicht nur das Team, das spüren auch die Kinder in den Tagesstrukturen und die Erziehungsberechtigten, die uns ihre Kinder anvertrauen.»
Bei grossen Tagesstrukturen sind eine pädagogische Qualifikation und eine Führungsausbildung essenziell, um optimale Arbeitsbedingungen sicherzustellen. Die professionelle Trägerschaft hat massgeblich zu den aktuellen Bedingungen beigetragen.
«Wenn man keine professionelle Trägerschaft hat, verpuffen viele finanzielle und personelle Ressourcen. Hier in den Tagesstrukturen Untersiggenthal können wir uns auf das Kerngeschäft konzentrieren, da die Trägerschaft professionell ist und über viel Fachwissen in diesem Bereich verfügt.»
3.7 Literatur
KiBeG (2016). Gesetz über die familienergänzende Kinderbetreuung, SAR 815.300. Aarau: Grosser Rat des Kantons Aargau.
4 Chance Schul(um)bau – Bildungs- und Lebensräume für den Ganztag
Unterwegs zu einer nachhaltig zukunftsfähigen Gestaltung und Nutzung von Räumen und Infrastruktur, wo alle sich wohlfühlen und gut arbeiten können
Ueli Keller, Željko Marin
In diesen Beitrag sind Teile von diversen Publikationen und Präsentationen eingeflossen, die den vielfältigen Erfahrungen und Reflexionen der beiden Autoren zum Thema «Bildung und Raum» entsprechen (vgl. Keller, 2014, 2018; Keller & Marin, 2018; Marin & Keller, 2018). Sie sind von ihnen für diesen Beitrag aktualisiert sowie einmalig neu und speziell zusammengestellt worden, dies im Sinne einerseits eines Originals, das anderseits dynamisch veränderungsfähig bleibt.
Spielen und bewegen, rutschen und sausen, flexibel und beweglich sein!
Wählen, wann ich wo und was mit wem lernen will!
Textauszug aus dem Beitrag einer Primarschulklasse zum Thema «Traumschule» (Basel, 2014)
Abbildung 1: Stadtteil-Tageskindergarten in Tokio für über 500 Kinder Tezuka Architects, Tokio (Foto: Katsuhisa Kida)
Abbildung 2: Der Weg, den ein Kind in den ersten 15 Minuten, sich frei bewegend und lernend, zurückgelegt hat. Tezuka Architects, Tokio
Abbildung 3: Blick in den Innenraum. Tezuka Architects, Tokio (Foto: Katsuhisa Kida)
4.1 Grundsätzliche Herausforderungen an den Tagesschulbau
Schulen werden oft sehr teuer neu, aus- oder umgebaut. Aber oft nicht für eine Bildung für die Zukunft. Das ist grundsätzlich so. Und nicht nur im Hinblick auf die Entwicklung von Tagesschulen. Bei bereits gebauten Schulen wird das Potenzial, das in den Aussen- und Innenräumen steckt, häufig nicht beachtet. Um bestehende Schulbauten an die sich wandelnden Bedürfnisse anzupassen und die Bauten nachhaltig zu gestalten, fehlt oftmals nicht viel. Zeitgemässer und sinnvoller Schulbau, ob alt oder neu, verlangt heute nach einem pädagogischen Konzept, das Bildung und Betreuung umfasst.
Wie die Umsetzung eines pädagogischen Konzepts durch die Raumgestaltung unterstützt werden kann, ist in diesem Zusammenhang eine entscheidende Frage. Die Fragestellung greift jedoch zu kurz, wenn es dabei nur um ein einziges und für alle Zeiten gültiges Konzept gehen soll. Dies ist ein Paradox, wie die Vorstellung, mit einer einzig richtigen Bildungsorganisation den Bedürfnissen aller Schülerinnen und Schüler und denjenigen aller Betreuungs- und Lehrpersonen in demselben Ausmass dauernd gerecht zu werden.
Bei der Tagesschulentwicklung können im Sinne von Prototypen mit fliessenden Übergängen vier Modelle als Orientierung dienen (siehe Abbildung 4).
Abbildung 4: Die vier Modelle der Tagesschulentwicklung (Keller, 2012)
4.2 Berücksichtigung von Bedürfnissen und Ideen
Die perfekte Tagesschule gibt es nicht. Die Vorstellung einer besten und allgemeingültigen Form ist weder lern- noch lebensfreundlich. Statt nach der besten Schule zu verlangen, sollte die Fragestellung lauten: «Welche Bildungsorganisation passt zu uns und ist mit den Ressourcen realisierbar, die uns dafür zur Verfügung stehen?» Das Vorgehen, wie sich diese Schule Schritt für Schritt entwickelt, ist entscheidend für die spätere Nutzung der Räume.
Auf Partizipation zu setzen, ist hierbei lohnenswert. Die angestrebte permanente Partizipation kann nur realisiert werden, wenn Räume mit möglichst wenig Aufwand umzustrukturieren sind. Nur so können die unterschiedlichen Interessen, Talente und Entwicklungsthemen aller Beteiligten gemäss bestehenden und zukünftigen Bedürfnissen dynamisch berücksichtigt werden. Schlüsselkompetenzen dafür sind Kooperation und Kokreation, Letzteres verstanden als transdisziplinär gestaltetes Prozessmanagement, das bei der Ideenfindung, Meinungsbildung und Entscheidung auf einen Konsens abzielt, und dies so, dass Erfahrungen, Positionen und Wissen der Beteiligten im Sinne einer kollektiven Intelligenz bestmöglich nachhaltig zukunftsfähig genutzt werden können.
Im Planungsprozess von Aus-, Um- oder Neubauten sollten die beteiligten Parteien eine Betriebsbeschreibung vornehmen, bevor das Projekt in Form eines Architekturwettbewerbs ausgeschrieben wird. Welche Form von Bildungsorganisation soll mit dem Bauprojekt unterstützt werden? Wozu sollen sich die einzelnen Räumlichkeiten eignen? Diese und weitere Fragestellungen sollten alle Verantwortlichen gemeinsam klären. Zu diesem Verantwortungsgremium zählen die Behörden und die Politik, die Lehr- und Betreuungspersonen, die Schulleitung, Eltern, aber auch die Kinder, welche die Räumlichkeiten später hauptsächlich nutzen werden. Willenskraft ist die erste Gelingensbedingung. Wenn