Arbeiten in der Tagesschule (E-Book). Regula Windlinger

Arbeiten in der Tagesschule (E-Book) - Regula Windlinger


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können.

      Der Alltag in der schulergänzenden Betreuung soll die Selbsttätigkeit und Eigenverantwortung der Kinder fördern. Die Kinder sollen an der Alltagsgestaltung beteiligt werden und Verantwortung übernehmen, für sich selbst und für andere. Die SEBB sorgt für adäquate Rahmenbedingungen, um den Entwicklungsaufgaben des Kindes- und frühen Jugendalters gerecht zu werden. Das Austragen von Konflikten ohne Eingreifen von Erwachsenen und das Sich-Zurechtfinden in der Gemeinschaft sind zwei der Kompetenzen, die es sich anzueignen gilt.

      Aus dieser relativ knappen Zusammenfassung lässt sich der sozialpädagogische Auftrag der Fachpersonen in der Betreuung ableiten. Sie sollen Schutz bieten, die Persönlichkeitsentwicklung fördern, Beteiligung ermöglichen, mit den Kindern Konfliktfähigkeit und Kommunikationsformen einüben, Kulturtechniken lehren und den Umgang mit den modernen Medien erarbeiten, Freizeitgestaltung einüben und die Kinder darin unterstützen, Verantwortung für sich und ihre Lebensgestaltung zu übernehmen (vgl. Flitner, 2017).

      Um diese vielfältigen Aufgaben zu erfüllen, sind einerseits materielle, infrastrukturelle und personelle Ressourcen notwendig. Anderseits sind Selbstreflexion, professionelles Handeln und Know-how über die Entwicklung und Bedürfnisse der Kinder essenziell. Die Arbeits- und Anstellungsbedingungen weisen darauf hin, dass die Vielfalt und Wichtigkeit dieser Aufgaben im öffentlichen Diskurs und in der Politik aktuell nicht ausreichend anerkannt werden, wodurch die notwendigen Voraussetzungen dafür nicht hergestellt werden (Räumlichkeiten, pädagogisch begründete Stellenschlüssel, Vor- und Nachbereitungszeit, ausreichend qualifiziertes Personal, Weiterbildung, Supervision).

      Dem Beruf der Erzieherinnen in der schulergänzenden Betreuung wird die Professionalität nur teilweise zuerkannt. Dazu tragen die scheinbare Nähe zur Familienarbeit, der hohe Frauenanteil und die unklaren Zugangsvoraussetzungen bei, ebenso die Tatsache, dass es keinen Branchenverband gibt und auch keine einheitlich festgelegten Berufswerte und Verhaltensnormen (vgl. Rudow, 2017, S. 70).

      Bis zur vollständigen beruflichen Anerkennung als ernst zu nehmende Profession auf der Grundlage von spezifischen Fachkenntnissen muss sich noch einiges tun. Eine Reihe von Voraussetzungen muss hierbei erfüllt sein. Unter anderem braucht es exakte Funktionsbeschreibungen, die Bewertung der Erziehungsarbeit als gesellschaftlich wertvolle und vielschichtige Tätigkeit, klare Anforderungs- und Ausbildungsprofile, wissenschaftlich begründetes Fachwissen, anerkannte Qualitätskriterien und die Definition von Berufswerten, also eine Art Berufskodex (vgl. Rudow, 2017, S. 71ff). Die Formierung eines Branchenverbands, der sich für die Definition und Verbreitung seiner Grundlagen und Zielsetzungen einsetzt, um die Diskrepanz zwischen beruflichen Anforderungen und öffentlicher Anerkennung zu verringern, wäre ein Meilenstein in der Entwicklung der SEBB.

      2.5 Schlussfolgerungen

      Am Beispiel der vier Themen «Rahmenbedingungen», «Arbeitsorganisation», «Kooperation» und «Anerkennung» ist deutlich geworden, welche Auswirkungen die heterogenen, teilweise prekären Arbeits- und Anstellungsbedingungen des Betreuungspersonals und die ungenügende Anerkennung der Arbeit auf die Entwicklung der Tagesschulen haben. Während sich bei einigen Punkten problemlos auf der Ebene der einzelnen Einrichtungen Lösungen entwickeln lassen, braucht es bei der Mehrheit der Fragen eine grundsätzliche Überprüfung, welche Ziele mit der schulergänzenden Betreuung verfolgt werden sollen. Die öffentliche Hand als wichtige Auftraggeberin und Investorin nimmt die Möglichkeiten der Qualitätsentwicklung, die in den Anstellungs- und Arbeitsbedingungen stecken, ungenügend wahr. Es ist offensichtlich, dass das Potenzial der Ganztagsbildung bisher bei Weitem nicht ausgeschöpft wird. Ob es jemals dahin kommt, ist in erster Linie eine Frage des politischen Willens. Konkret stellt sich die Frage, ob und wann die Schule den Schritt in Richtung auf eine ganztätige Bildungseinrichtung gehen wird und ob die notwendigen Mittel zur Verfügung gestellt werden, die den Raum dafür schaffen, dass das Personal gute Arbeit leisten kann. Dafür würde es in der Schweiz eine Gesamtstrategie zur systematischen Entwicklung von Ganztagsschulen brauchen.

      Der erste notwendige Schritt wäre eine klare Entscheidung und ein deutlicher politischer Auftrag der zuständigen Erziehungsdirektorenkonferenz sowie des Bundes, dass die Entwicklung der Tagesschulen als Form der Ganztagsbildung vorangetrieben werden soll.

      2.6 Literatur

      Blöchliger, O.R. & Bauer, G.F. (2014). Arbeitsbedingungen und Gesundheit des Kindertagesstätten-Personals in der Stadt Zürich. Eine repräsentative, quantitative und qualitative Befragung des Personals in Kitas in der Stadt Zürich durch das Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention (EBPI) der Universität Zürich. Zürich: Sozialdepartement der Stadt Zürich.

      Bundesamt für Sozialversicherungen (2020). Finanzhilfen für die Schaffung von familienergänzenden Betreuungsplätzen für Kinder: Bilanz nach siebzehn Jahren (Stand 31. Januar 2020). Verfügbar unter www.bsv.admin.ch/bsv/de/home/finanzhilfen/kinderbetreuung.html (Zugriff: 15.4.2020).

      Erziehungsdepartement des Kantons Basel-Stadt (2018). Zahlenspiegel Bildung 2018. Staatliche Schulen und Angebote im Kanton Basel-Stadt. Verfügbar unter www.bildungsstatistik.bs.ch (Zugriff: 2.4.2020).

      Erziehungsdirektion des Kantons Bern (2018). Tagesschulen im Kanton Bern. Reportingbericht Schuljahr 2016/17. Bern: Erziehungsdirektion des Kantons Bern.

      Flitner, C. (2017). Sozialpädagogischer Auftrag der Tagesbetreuung. vpod bildungspolitik, 202, 24–25.

      Präsidialdepartement des Kantons Basel-Stadt (2019). Statistisches Jahrbuch des Kantons Basel-Stadt. Verfügbar unter www.statistik.bs.ch/zahlen/statistisches-jahrbuch.html (Zugriff: 2.4.2020).

      Rollett, W. & Tillmann, K. (2009). Personaleinsatz an Ganztagsschulen. In I. Kamski, H.G. Holtappels & T. Schnetzer (Hrsg.), Qualität von Ganztagsschule – Konzepte und Orientierungen für die Praxis (S. 132–143). Münster: Waxmann.

      Rudow, B. (2015). Belastungen von Erzieherinnen in der Arbeit an der Schule (Berliner Modellprojekt) – BEAS Berlin. Berlin: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft.

      Rudow, B. (2017). Beruf Erzieherin/Erzieher – mehr als Spielen und Basteln. Arbeits- und organisationspsychologische Aspekte. Ein Fach- und Lehrbuch. Münster: Waxmann.

      SKBF (2018). Bildungsbericht Schweiz. Aarau: Schweizerische Koordinationsstelle für Bildungsforschung.

      Stadt Zürich. (2017). Statistisches Jahrbuch der Stadt Zürich. Verfügbar unter www.stadt-zuerich.ch/jahrbuch (Zugriff: 2.4.2020).

      Stern, S. & Schwab Cammarano, S. (2017). Familien- und schulergänzendes Betreuungsangebot im Kanton St. Gallen. Schlussbericht. Im Auftrag des Amts für Soziales, Kanton St. Gallen unter Mitwirkung des Amts für Volksschule, Kanton St. Gallen. Zürich: infras.

      Windlinger, R. (2016). Von «Unterricht plus Betreuung» zur Tagesschule. Wie wachsen Schule und Betreuung zu einem Ganzen zusammen? Forschungsüberblick und Literaturanalyse. Verfasst im Auftrag von Bildung und Betreuung und der PHBern. Bern: PHBern.

      Windlinger, R. & Züger, L. (2020). Arbeitsplatz Tagesschule. Zur Situation in Einrichtungen der schulergänzenden Bildung und Betreuung. Bern: hep.

      3 Anstellungen im Monatslohn sind selbstverständlich – Einblick in die Tagesstrukturen Untersiggenthal

      Laura Züger

      Interview mit Antonia Näf

      ehemalige Co-Leiterin Tagesstrukturen Untersiggenthal und aktuell zuständig für die Qualitätsüberprüfung in Kitas und Tagesstrukturen bei der Fachstelle Kinder und Familien, Fachfrau Betreuung EFZ, Kindererzieherin HF, CAS Führen in Nonprofit-Organisationen

      Untersiggenthal,


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