Partnerschaftliche Rollenteilung - ein Erfolgsmodell. Margret Bürgisser

Partnerschaftliche Rollenteilung - ein Erfolgsmodell - Margret Bürgisser


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der Kinder teilzuhaben. Und es gewährleistet, dass die Hausarbeit – das ungeliebte Stiefkind – auf beide Partner aufgeteilt wird.

      Im Rahmen der vorliegenden Langzeitstudie wurden 28 Elternpaare aus der deutschen Schweiz in Abständen von ca. zehn Jahren dreimal zu ihrer partnerschaftlichen Rollenteilung interviewt.[2] 2016 wurden ergänzend auch die inzwischen erwachsenen Kinder über ihre Erfahrungen und Rollenpräferenzen befragt. Die Ergebnisse der beiden Studien sind ermutigend: Nicht nur auf kurze Dauer, sondern auch im Zeitverlauf sind egalitär organisierte Paare mit ihrem Rollenmodell mehrheitlich zufrieden. Praktisch alle würden es wieder wählen.

      Die Vorurteile, das partnerschaftliche Rollenmodell mindere Lebens- und Karrierechancen, werden aus Sicht der Befragten weitgehend widerlegt. In den Anfängen des Arrangements haben einige Väter und Mütter solche Nachteile zwar durchaus erlebt. Aus heutiger Sicht beurteilen die meisten Paare ihre familiäre Entwicklung aber als stimmig und bereichernd. Wie einige Beispiele in diesem Buch zeigen, ist eine Karriere – mit zeitlicher Verzögerung – auch für Teilzeit arbeitende Eltern möglich. Wenn die Verantwortung für die Erwerbsarbeit auf zwei Schulternpaaren ruht, verteilt sich zudem die Last der Existenzsicherung.

      Dieses Buch vermittelt einen Überblick über die Erfahrungen und Beurteilungen der »Rollenteilungspioniere«, deren Kinder inzwischen herangewachsen sind. Es dokumentiert die Vielfalt an interessanten und berührenden Aussagen aus dem Paar- und Familienalltag. Weiter zeigt es auf, wie die inzwischen erwachsenen Kinder die im Elternhaus erlebte Rollenteilung beurteilen und wie sie sich ihre eigene Zukunft vorstellen. Es ist unverkennbar, dass die jungen Menschen von Vater und Mutter positiv geprägt wurden und mehrheitlich planen, auch die eigene Beziehung partnerschaftlich zu gestalten.

      Das vorliegende Werk versteht sich als Mutmacher für junge Paare, die das egalitäre Experiment ebenfalls wagen wollen. Wenn beide Partner eine partnerschaftliche Rollenteilung befürworten und wenn gewisse Rahmenbedingungen gegeben sind, kann das Modell für Eltern wie Kinder sehr bereichernd sein. Das Buch ist aber nicht nur für junge Menschen gedacht, sondern auch für Fachleute, die diese beraten und begleiten: Vereinbarkeitsfachleute, Lehrpersonen, Dozierende, Fachleute in Berufs- und Laufbahnberatung, Gleichstellungsbeauftragte, therapeutisch Tätige, Sozialarbeitende und wissenschaftlich Forschende. Ihnen allen kann das Buch helfen, die Vorzüge der partnerschaftlichen Rollenteilung zu erkennen und bestehende Vorurteile zu korrigieren.

      Luzern, April 2017

       Margret Bürgisser

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      »Seeing is believing«, meinte die Verhaltensökonomin Iris Bohnet in einer TV-Sendung:[3] Sehen heißt glauben. Was man sehen kann, entwickelt Überzeugungskraft. Das gilt auch für das Thema dieses Buchs. Die Skepsis gegenüber dem egalitären Rollenmodell ist nach wie vor groß. Junge Paare möchten es wählen, wagen es aber nicht aus Angst vor negativen Konsequenzen. Es braucht konkrete Vorbilder, die zeigen, dass das egalitäre Modell über einen längeren Zeitraum zur Zufriedenheit aller funktionieren kann.

      Solche Vorbilder vermitteln die nachstehenden »Porträts«. Zehn Elternpaare berichten darin über ihren Alltag und halten Rückschau auf ihr Leben. Sie haben die egalitäre Rollenteilung über mehr als zwei Jahrzehnte praktiziert und wandelnden Bedürfnissen angepasst. Ihre Aussagen belegen den Erfolg des egalitären Modells, verschweigen aber auch dessen Schwächen und Schwierigkeiten nicht.

      Die befragten Eltern haben sich bereit erklärt, im Buch mit Namen und Foto zu erscheinen. Sie haben die vorliegenden Texte zum Gegenlesen erhalten und für diese Publikation autorisiert. Der Zürcher Fotograf Reto Schlatter hat sie an ihrem Wohnort[4] – zusammen mit ihren Kindern und deren Partnerinnen und Partnern – im Bild festgehalten. Sie werden dadurch zu konkreten »role models«, an denen sich interessierte Paare orientieren können. Alle Altersangaben beziehen sich auf den Zeitpunkt des Interviews.

      Ich stelle diese Porträts bewusst an den Anfang des Buchs. Sie sollen den Einstieg ins Thema erleichtern und zeigen, dass egalitäre Rollenteilung mehr ist als ein bloßes Forschungsthema. Sie ist gelebte Realität und – wie die vorgestellten Beispiele zeigen – langfristig eine Erfolgsgeschichte.

      »Im Haushalt hat sich einiges verändert, seit die Kinder groß sind«

      Von der Haltestelle »Talwiesen« aus zu Fuß dem Höfliweg entlang. Links eine neuere Großüberbauung, rechts alte Reihenhäuser. Der Vorplatz von Haus Nr. 7 ist unspektakulär, die Briefkästen grau und alt. Beim Eintreten ein Gang mit Durchblick in den Keller, wo allerlei Geräte lagern. Oben die Wohnung der Mendelins. Sie wohnen nun schon über zwanzig Jahre hier und bilden mit anderen Wohnungsbesitzern eine Hausgemeinschaft.

      Berufliche Entwicklung Beruflich haben sich gegenüber unserem letzten Gespräch vor zehn Jahren Änderungen ergeben. Caroline Mendelin (50) arbeitet nicht mehr im von ihr gegründeten Gestaltungsatelier mit, sondern hat eine Leitungsfunktion im Zürcher Lehrmittelverlag übernommen. »Das war ein Glücksfall«, erklärt sie. »Ich wusste, dass ich Karriere machen und in absehbarer Zeit eine Abteilung übernehmen kann.« Sie wollte diese Chance ergreifen und etwas Neues anpacken, auch im Hinblick auf die gemeinsame Perspektive. »Wir haben es als Versuch definiert«, erklärt Urs, »und wollten schauen, wie es funktioniert. Die Firma lief normal weiter, Caroline hätte auch wieder einsteigen können.«

      Die neue Konstellation erhöhte die materielle Sicherheit – »es ist viel Existenzdruck von uns gewichen« –, zog aber auch Einschränkungen bezüglich Autonomie und Gestaltungsfreiheit nach sich. Urs Mendelin (53) ist nun allein in der Firma, lässt sich aber in gestalterischen Fragen weiterhin von seiner Frau beraten. Da ihm das Alleine-Arbeiten zu einsam wurde, suchte er Anschluss an eine Bürogemeinschaft. »Ich bin schon ein Einzelkämpfer«, begründet er, »aber das war zu viel. Jetzt habe ich ein gutes Umfeld.« Beide arbeiten nun in hohen Pensen. Für Caroline ist klar, dass sie beruflich Karriere gemacht hat. Für Urs war eine solche nie zentral. »Ich würde es als Entwicklung bezeichnen, nicht als Karriere.« Gleichwohl ist er mit seiner beruflichen Situation zufrieden. »Der Vorteil der Selbstständigkeit ist, dass ich meine Zeit selbst einteilen kann. Der Nachteil ist, dass ich – seit ich alleine bin – sehr schnell an meine Grenzen stoße. Wir haben ja viel miteinander gearbeitet und uns gegenseitig unterstützt. Jetzt muss ich alles selbst machen.«

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      Weiterbildungsbestrebungen Beide haben viel in Weiterbildung investiert und tun es heute noch. Caroline qualifizierte sich als »Multi Media Producer«, Urs als »Leiter Marketing / Kommunikation«. Um die Zukunft ihrer beruflichen Position zu sichern, absolviert Caroline eben eine Zusatzausbildung in Betriebswirtschaft. Urs bildet sich für die Herausforderungen im Internetbereich vor allem »on the job« weiter. »Der Wandel ist stetig, aber spannend. Wir haben nie etwas anderes gekannt. Darum ist es nichts, was mich überfordern würde.«

      Rollenteilung und Hausarbeit Die Rollenteilung ist nach wie vor unbestritten, wurde aber an die neuen Gegebenheiten angepasst. Da Caroline ganztags auswärts arbeitet, ist Urs mehr im Haus präsent und auch stärker der Ansprechpartner für die Kinder und andere Angehörige. »Wenn ich im Geschäft bin«, betont Caroline, »kann ich mich nicht noch um Privates kümmern, das macht nun Urs.« Dieser präzisiert: »Im Haushalt hat sich einiges verändert, seit die Kinder groß sind und mithelfen. Das ist kein großer Aufwand mehr. Wir haben auch jemanden, der putzt; das ist eine große Entlastung.«

      Rückblick auf die Anfänge der Rollenteilung Die Rückblende auf 25 Jahre partnerschaftlicher Rollenteilung spannt einen weiten Bogen: Urs ist in einer Familie mit traditioneller Rollenteilung aufgewachsen, Caroline als Tochter einer alleinerziehenden Mutter. »Meine Eltern sind geschieden und lebten in zwei Welten. Für mich


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