Partnerschaftliche Rollenteilung - ein Erfolgsmodell. Margret Bürgisser
Tag jemand vorbeischaut.«
Gesellschaftliche Rahmenbedingungen Das Paar findet, die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für die partnerschaftliche Rollenteilung hätten sich insgesamt verbessert. Insbesondere seien die Väter mehr interessiert, sich an der Betreuung ihrer Kinder zu beteiligen. Ronnie findet auch, das Betreuungsangebot sei stark ausgebaut worden. »Es gibt mehr Krippenplätze, es gibt gute und weniger gute Krippen. Es gibt zweisprachige Krippen, Förderprogramme, private Krippen. Es wurde auch zum Business.« Als Facharzt für Kinderpsychiatrie beurteilt Ronnie diesen Trend eher skeptisch. »Ich glaube, dass das Kind davon profitiert, wenn es mit anderen Kindern zusammen ist, aber nicht im ersten Lebensjahr. Es muss auch eine Vertrautheit aus der Alltagsversorgung geben. Die hat man nicht, wenn das Kind fünf Tage die Woche von Krippenfrauen übernommen wird.« Rochelle teilt Ronnies Vorbehalte. »Ich habe von Frauen, die in Krippen arbeiten, schon gehört, dass Mütter die Kinder so früh wie möglich bringen und auf den Mutterschaftsurlaub verzichten möchten. Sie bringen sie so lang wie möglich in die Krippe. Solche Geschichten erschrecken mich.«
Karriere um jeden Preis? Auch den Trend, dass Frauen um jeden Preis Kinder und Karriere verbinden wollen, beurteilt Rochelle skeptisch. Sie bezweifelt, dass Beruf und Familie ohne Verzicht vereinbart werden können, sofern man das Wohl der Kinder ins Zentrum stellt. »Es gibt heute einen gesellschaftlichen Druck, dass man Karriere machen und zeigen muss, dass man das auch mit Kind unter einen Hut bekommt.« Sie findet das unrealistisch. »Karriere und Kind ist too much. Es geht einfach nicht, wenn man es für die Kinder gut genug machen will.« Partnerschaftliche Rollenteilung beinhaltet nach Rochelles Meinung, »dass beide wirklich Teilzeit arbeiten und auf eine steile Karriere verzichten. Ich denke, man kann dabei trotzdem eine interessante Arbeit machen.«
Ronnie weist auf jene Familien hin, die sich ein egalitäres Rollenmodell aus finanziellen Gründen nicht leisten können. »Es gibt am anderen Ende des Spektrums diejenigen, bei denen beide arbeiten müssen, weil es für sie eine finanzielle Notwendigkeit ist.« Rochelle pflichtet ihm bei. »Sie können sich die Krippenplätze kaum leisten. Es gibt zwar welche, aber sie sind für viele Leute noch zu teuer. Das ist überhaupt nicht gelöst.«
Großeltern als »Sandwichgeneration« Rochelle stellt neuerdings fest, dass »die ältere Generation unter Druck gesetzt wird, kostenlose Betreuungsarbeit zu leisten. Das ist auch ein volkswirtschaftlicher Faktor, wenn das der neue Trend wird. Wenn man mal nein sagt, ist man heutzutage sofort eine Rabengroßmutter!« Rochelle anerkennt, dass »der Faktor Sorge nicht vernachlässigt werden sollte. Das ist ein Wert. Aber das bedeutet nicht, dass man Leute unter Druck setzen darf, Gratisarbeit zu leisten.« Ronnie doppelt nach: »Du kannst das Gleiche auch über die Altenbetreuung sagen; das ist ein vergleichbares Thema. Rein demografisch verschiebt es sich massiv, weg von der Kinder- hin zur Altenbetreuung.« – »Wir sind die neue Sandwichgeneration«, vermutet Rochelle. »Frauen in unserem Alter müssen auf die Enkel aufpassen und gleichzeitig die Eltern unterstützen. Und das in einer Phase, wo sie gerade mit der Arbeit fertig sind!« Das findet sie für viele eine Überforderung.
VERENA UND PETER VOSER
»Die Flexibilität war für mich nie ein Opfer, sondern eine Abwechslung«
Hoch über dem Zugersee, am Ende einer verwinkelten Straße, findet sich das Mehrfamilienhaus, in dem Verena und Peter Voser wohnen. Ihr Leben ist seit jeher durch ein »doppeltes Halbe-Halbe« geprägt. Zur Hälfte gehen sie einer existenzsichernden Erwerbsarbeit nach, zur anderen Hälfte ihrer künstlerischen Tätigkeit. Verena hat ihr Atelier außer Haus, Peter in der Wohnung.
Ihre Tätigkeiten sind über einen langen Zeitraum annähernd gleich geblieben. Peter ist in einem Verlag als Korrektor/Lektor tätig, dies, obwohl er das Rentenalter bereits erreicht hat. Bei der Pensionierung machte man ihm das Angebot, 25 Prozent weiterzuarbeiten. Man bemühte sich sehr um ihn und bot ihm – zu gleichen Konditionen – einen Aushilfsvertrag an. Peter genießt es, in einem kleinen Pensum weiter beschäftigt zu sein und zu erfahren, dass seine Arbeit nach wie vor geschätzt wird.
Verena arbeitete früher als schulische Heilpädagogin an einer Oberstufe. Inzwischen hat sie eine Stelle als Fachperson für Heterogenität übernommen. Ihre Aufgabe beinhaltet vor allem die Begleitung von Lernenden und Lernbegleitern. Sie trägt dazu bei, der Unterschiedlichkeit der Schüler und Schülerinnen möglichst gut gerecht zu werden. Erwerbsarbeit ist für Verena primär eine Notwendigkeit: »Ich muss Geld verdienen«, betont sie, »sonst kann ich auf dieser Welt nicht bestehen. Wenn ich es aus dieser Perspektive betrachte, ist es eine interessante und gut bezahlte Arbeit. Mein Herzblut fließt aber nicht dafür.« Nun steht Verena kurz vor der Pensionierung und freut sich auf den Freiraum, den ihr diese eröffnen wird.
Wahl der partnerschaftlichen Rollenteilung Die beiden haben sich durch gleiche Interessen kennengelernt und früh auf eine egalitäre Rollenteilung geeinigt. Peter Voser stammt aus einfachen Verhältnissen. In seiner Kindheit erfuhr er, dass auch Frauen den Unterhalt einer Familie teilweise (oder ganz) übernehmen können. Peter arbeitete seit jeher Teilzeit. »Ich habe gewusst, dass ich nicht jeden Tag in eine Firma gehen und arbeiten möchte, nur damit ich mir einen BMW leisten kann. Der Auslöser war, dass ich Kunst machen wollte. Dafür habe ich Zeit gebraucht.« Als Peter Verena kennenlernte, sagte er ihr, dass er nicht der Haupternährer sein möchte, und sie hat das sofort akzeptiert. Verena erkannte die Chancen dieser ungewohnten Konstellation. Die egalitäre Rollenteilung eröffnete ihr einen Freiraum, »der es mir ermöglicht, meine Zeit in Kunst zu investieren oder auch mal nichts zu tun oder etwas Überraschendes, das ich nicht geplant habe«. Zudem konnte sie finanziell unabhängig bleiben, was ihr wichtig war. Seit sich das Paar kennt, führen die beiden getrennte Kassen und Konten.
Verena Vosers Wunsch nach finanzieller Unabhängigkeit wurzelt in ihrer Kindheit. Ihre Familie hatte häufig finanzielle Probleme, was Verena in ihrem Wunsch bestärkte, einmal anders zu leben. Die Mittelschul- und Lehrerinnenausbildung, die sie hart erkämpfen musste, ermöglichte ihr den Aufbau eines eigenständigen Lebens. Die Bedingungen im Bildungsbereich waren dafür gut; schon damals galten gleiche Löhne für Mann und Frau.
Als Tochter Céline geboren war, entwickelte Verena Voser mit einer Kollegin den Plan, eine Lehrerstelle im Jobsharing zu teilen. Es gelang ihnen, die Schulbehörden zu überzeugen, und so unterrichteten die beiden Frauen sechs Jahre lang dieselbe Klasse. Verena teilte mit der Kollegin jedoch auch die Kinderbetreuung, sodass Vosers Tochter mit deren Kindern wie mit Geschwistern aufwuchs. Alle vier Elternteile engagierten sich zu gleichen Teilen in der Betreuung der Kinder, je nachdem im einen oder anderen Haus. So war es möglich, dass Verena und Peter neben Erwerbsarbeit, Haushalt und Kinderbetreuung genügend Zeit für ihr künstlerisches Schaffen fanden. Die Zeit, die sie im Atelier verbrachten, belief sich auf fünfzehn bis zwanzig Stunden pro Woche. Diese Lebensform bewährte sich sehr, erforderte aber auch viel Energie und eine Reduktion der materiellen Ansprüche.
Peter ist als Kind in verschiedenen Familien aufgewachsen und betont, er habe davon sehr profitiert. »Ich würde deshalb empfehlen, dass man die Kinder in andere Familien, in Spielgruppen oder in einen Frühkindergarten geben sollte.« Dem ist auch Verena nicht abgeneigt. Sie findet Kitas gute, »professionelle Orte«, von denen Kinder profitieren können. »Die Kinderbetreuung ist heute besser – es gibt ein größeres Angebot. Wenn man aber wenig Geld verdient, braucht man eine subventionierte Krippe. Das war bereits früher ein Problem und ist es auch heute noch.«
Aufteilung der Hausarbeit Die Hausarbeit wird auch heute noch partnerschaftlich geteilt, jedoch eher »en passant« erledigt. »Wir haben konkrete Zuständigkeiten«, erklärt Verena. »Die haben sich durch Ausprobieren und durch Erfahrungen mit Dingen, die nicht funktioniert haben, nach und nach ergeben.« Verena putzt Bad und WC, Peter Küche und Wohnzimmer; dazu jeder sein eigenes Zimmer. Konflikte über die Aufteilung der Hausarbeit und unterschiedliche Sauberkeitsstandards haben im Laufe der Zeit an Bedeutung verloren. Verena kann heute akzeptieren, dass Peter für manches Überwindung braucht. Sie hat auch gelernt, die beiderseitige Andersartigkeit und die unterschiedlichen Ansprüche zu akzeptieren.
Peter fragt sich, ob die Rollenteilung