Partnerschaftliche Rollenteilung - ein Erfolgsmodell. Margret Bürgisser

Partnerschaftliche Rollenteilung - ein Erfolgsmodell - Margret Bürgisser


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hat über Jahre hinweg im Service gearbeitet.

      Beziehung zwischen Eltern und Kindern Die Beziehung zu den Kindern lebt nach Aussage der Mutter stark von spontanen Anlässen. »Es ist nicht so, dass wir fixe Treffen wie beispielsweise ein Abendessen jeden Sonntag oder ein fixes Telefonat in der Woche vereinbart hätten. Ich bin der Ansicht, dass die Kinder ihren Freiraum brauchen.« Dies ist kein Hindernis, zu beiden Kinder verbindliche, lebendige Beziehungen zu pflegen. »Es läuft sehr viel über den Austausch«, erklärt Rita, »über Anteilnahme an dem, was gerade aktuell ist.« Eltern und Kinder verbringen auch Skiferien zusammen oder unternehmen andere Aktivitäten. »Es gibt viele erlebnisorientierte Sachen wie einen Kinobesuch, Musicalbesuche oder ein Wochenende, verbunden mit Filmnächten, in Locarno.«

      Auch Jürg erlebt die Beziehung zu seinen Kindern als tragfähig und bereichernd. »Vor zwei Jahren haben Tim und ich mit Golfspielen begonnen. Wir haben beide bei null angefangen und entwickeln uns nun zusammen weiter. Dadurch ergeben sich schöne Gelegenheiten, bei denen ich mit Tim über Gott und die Welt spreche.« Mit Lea hat Jürg weniger direkten, persönlichen Kontakt. »Seit sie in Zürich arbeitet, hat sie fast keine Zeit mehr. Wir telefonieren oder schreiben SMS, oder Lea schickt mir eine Mail, wenn sie ein administratives Problem lösen möchte.«

      Kinder und Rollenteilung Die frühere Rollenteilung ist gemäß Rita kein großes Gesprächsthema zwischen Eltern und Kindern. »Manchmal machen sie Witze darüber, dass bei uns alles ein wenig speziell war. Sie witzeln zum Beispiel darüber, dass fast keine anderen Kinder mit diesem Rollenteilungsmodell aufgewachsen sind. Ich denke aber, dass sie es grundsätzlich gut finden, dass wir beide zu Hause gewesen und beide einer beruflichen Tätigkeit nachgegangen sind.«

      Spezielle Prägungen als Folge ihres Rollenmodells erkennt Rita am ehesten im Bereich der Sozialkompetenzen: »Beide Kinder haben die Fähigkeit, mit sehr unterschiedlichen Personen umzugehen und zusammenzuleben. In der Wohngemeinschaft von Lea hat es viele Wechsel gegeben«, was ihr nach Aussage der Mutter keinerlei Mühe bereitete. Auch beim Sohn gab es Wechsel innerhalb der Wohngemeinschaft. »Das hat Tim überhaupt nicht gestresst. Er hat gesagt, dass er einen neuen Wohngemeinschaftsmitbewohner finden wird und dass er mit verschiedenen Leuten zusammenleben kann.«

      Verwendung der freien Zeit Die Kinder sind ausgezogen, wodurch freie Zeit entstanden ist. Einen Teil davon hat Rita in ihre Arbeit investiert, den anderen Teil nutzt sie, »um Sport zu treiben oder spontan am Abend auszugehen und mich mit Freundinnen zu treffen. Ich genieße auch die ruhige Zeit zu Hause.« Jürg übte neben seinem Beruf viele Jahre auch amtliche Tätigkeiten aus. Diese Engagements hat er etwas abgebaut. »In der jetzigen Phase habe ich das Gefühl, dass ich mehr Zeit mit Rita verbringe. Wir unternehmen heute viel mehr zusammen – manchmal geplant und manchmal spontan. Ich nehme mir auch mehr Zeit für mich.«

      Zufriedenheit mit der Rollenteilung Wie zufrieden ist das Paar mit der von ihm praktizierten Rollenteilung? »Über den ganzen Zeitraum hinweggesehen«, meint Rita, »bin ich sehr zufrieden. Es gab aber Phasen, in denen wir sehr viel leisten mussten und wenig Luft zum Atmen blieb. Trotzdem habe ich immer gewusst, dass das Traditionelle für mich nicht gut gewesen wäre.« Die Konsequenzen des traditionellen Modells kennt Rita aus ihrer Praxis. »Es begegnen mir viele Frauen, die im Alter, wenn die Kinder erwachsen und nicht mehr zu Hause sind, in eine massive Krise stürzen. Sie haben keinen Lebensinhalt mehr und wissen nichts mit sich selbst anzufangen.«

      Auch Jürg findet die egalitäre Rollenteilung ein gutes Modell. »Ich würde es wieder gleich machen. Ich habe das Gefühl, dass ich durch dieses Modell eine andere Beziehung zu meinen Kindern aufbauen konnte, als ich es mit einem 120-Prozent-Job hätte machen können. Das weiß ich sehr zu schätzen.« Doch auch er erinnert sich an belastende Zeiten. »Durch das Aufstocken der Arbeitszeit – bei mir mit meiner Selbstständigkeit und bei Rita mit ihren Zusätzen – hatte ich phasenweise das Gefühl, dass alles sehr, sehr dicht wurde.«

      Rita betont, sie würde das Modell wieder wählen, den Mutterschaftsurlaub aber erheblich verlängern. »Diese ganze Phase mit Stillen, wenig Schlaf und Nebenher-Arbeiten würde ich nicht nochmals wiederholen.« Jürg kann den Wunsch seiner Frau nachvollziehen, äußert aber auch Vorbehalte. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich den gleichen Zugang zu den Kindern hätte, wenn Rita nach den Geburten ein volles Jahr zu Hause verbracht hätte. Man muss aufpassen, dass der Mann den Zugang zu den Kindern nicht verliert und umgekehrt. Im ersten Jahr passiert diesbezüglich sehr viel.«

      Gesellschaftliche Rahmenbedingungen Haben sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für die Wahl des egalitären Rollenmodells im Zeitverlauf verbessert? Ja, denkt Rita Scholl Born, es seien zumindest mehr junge Männer mit kleinen Kindern unterwegs als früher. Gleichzeitig fällt ihr auf, dass sehr wenige Paare die partnerschaftliche Rollenteilung wählen. Im Beratungskontext begegnen ihr junge Frauen, »die vor ihrer Heirat aufgrund der Kinderfrage ›die Krise schieben‹. Sie haben von ihren Eltern nur die traditionelle Rollenteilung kennengelernt und kennen kein alternatives Modell. Das macht ihnen Angst.«

      Jürg war phasenweise stark in der Väterszene tätig und in einem schweizerischen Gremium engagiert. Er bezweifelt, dass sich die gesellschaftlichen Umstände zum Vorteil des egalitären Modells gewandelt haben. »Ich bin mir nicht sicher, welche Berufsgruppen sich heute ein 50:50-Modell leisten können. Wenn man ein Eigentum besitzt, ein Auto und eine Krankenkasse hat und alle Bedürfnisse befriedigen will, die vorhanden sind, wird es eng.« Jürg bedauert, dass seitens der Unternehmen nur ein kleines Spektrum an Arbeitszeitmodellen angeboten wird. »Viele Männer möchten Teilzeit arbeiten. Untersuchungen zeigen aber, dass viele ihre Freizeit dazu nutzen möchten, um ihren Hobbys nachzugehen. Es gibt auch solche, die mehr Zeit mit den Kindern verbringen möchten, jedoch nicht zwingend in einem 50:50-Modell.«

      Rita und Jürg haben ihre Kinder, als sie klein waren, weitgehend selbst betreut. Über familienergänzende Kinderbetreuung denken sie eher kritisch. »Ich habe jüngere Kolleginnen«, erzählt Rita, »die unter Kita-Stress leiden. Bevor sie morgens zur Arbeit kommen, müssen sie die Kinder zur Kita bringen, und am Abend müssen sie aus der Sitzung raus, um die Kinder rechtzeitig abzuholen. Entweder erledigt dies die Frau oder der Mann. Es braucht viel Aufwand, damit alles gut läuft.« Auch Jürg sieht durch seine berufliche Tätigkeit in viele Kitas hinein. »Es bräuchte noch mehr davon, und die Leute dort machen ihre Arbeit gut«, sagt er anerkennend, ergänzt dann aber: »Ich höre jedoch immer wieder vom Stress der Eltern. Das ist für die Kinder nicht förderlich.«

      »Was ich an dieser Lösung immer geschätzt habe, ist die Abwechslung«

      Fahrt mit dem Bus vom Bahnhof Luzern nach Littau. Hier typisch Agglomeration: Gewerbe, Industrie, alte Genossenschaftshäuser, neue Mehrfamilienhäuser. An der Haltestelle »Blattenmoos« steige ich aus und erkundige mich nach der »Zimmeregg«. Ganz einfach: quer übers Schulareal und dann nach oben. Hinter den großen Mehrfamilienhäusern, in Waldnähe, befindet sich die Reihenhaussiedlung, in der Jeannette Schwager und René Meier seit bald drei Jahrzehnten wohnen.

      Erwerbsarbeit Jeannette Schwager (60) und René Meier (64) sind immer noch bei den gleichen Arbeitgebern tätig wie 2004 – sie in der Verwaltung des Kantons Luzern, er bei der SUVA. Sein Job als Organisator und Informatikspezialist ist nach wie vor derselbe. »Ich arbeite immer noch 60 Prozent bei der SUVA und habe dieses Jahr mein 35. Dienstjahr. Das wird sich auch nicht mehr ändern; in etwa einem Jahr werde ich ordentlich pensioniert.« Neben seinem Haupterwerb ist René noch in der Bildungskommission des Stadtparlaments Luzern engagiert. »Der Donnerstag ist jeweils der Parlamentstag, an dem Kommissions- und Parlamentssitzungen stattfinden. Mit den Sitzungsvorbereitungen zusammen bemisst sich mein Pensum auf rund 20 Prozent.«

      Jeannette hat über die letzten Jahre ihr Arbeitspensum sukzessive aufgestockt, zuerst auf 80 Prozent, dann auf 90 Prozent und schließlich auf 100 Prozent. Sie hat zudem einen Wechsel vom Bildungs- ins Finanzdepartement vorgenommen. »Zwischenzeitlich habe ich Weiterbildungen absolviert und arbeite nun seit 2001 als Bereichsleiterin im Controllingdienst.«

      Entwicklungen im Beruf René arbeitet bei der SUVA in einer Stabsstelle. In den letzten Jahren erlebte er einige Veränderungen aufgrund von Organisationsentwicklungen. Obwohl


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