Partnerschaftliche Rollenteilung - ein Erfolgsmodell. Margret Bürgisser
einen Job hatte, der für mich spannend war und mich gefordert hat. Ich wurde nicht auf ein Abstellgleis gestellt.«
Jeannette hat im Laufe der Zeit eine große berufliche Entwicklung durchlaufen. »Wenn ich mir anschaue, wie ich als junge Lehrerin begonnen habe und wo ich heute stehe, habe ich das Gefühl, dass ich jetzt einen sehr spannenden Beruf habe. Ich hatte oft die Chance, zur richtigen Zeit am richtigen Ort die richtigen Leute zu treffen, die meine berufliche Entwicklung ermöglicht haben.« In den letzten Jahren haben sich beide ausschließlich »on the job« weitergebildet. Mit ihren Tätigkeiten sind sie aber nach wie vor zufrieden.
Akzeptanz der Teilzeitarbeit Beide Partner stellen fest, dass die Akzeptanz von Teilzeitarbeit gestiegen ist. An Jeannettes Arbeitsplatz arbeiten viele Mitarbeitende Teilzeit. »Bei Frauen wie Männern geht es um die Kombination von Familie und Beruf. Bei den Männern stelle ich fest, dass das Teilzeitpensum meist 80 Prozent beträgt, das sind junge Väter. Frauen mit Familie arbeiten eher Teilzeit unter 60 Prozent, manchmal 50 Prozent. Das wird problemlos akzeptiert.« René ergänzt, auch die SUVA habe »über die letzten Jahre eine große Entwicklung gemacht. Heute ist sehr vieles möglich, was vor zwanzig Jahren noch exotisch gewesen wäre. Die Förderung von Vereinbarkeit ist bei der SUVA ein Teil der Personalstrategie.«
Die Flexibilität sei heute sehr groß, meint René, hänge aber von den einzelnen Führungspersonen ab. »Die Unternehmung an sich lässt vieles zu. Ob es die direkten Vorgesetzten zulassen, bedarf eines Aushandlungsprozesses.«
Teilzeitarbeit in Karrierepositionen? Auf die Frage, ob Teilzeitarbeit in Kaderpositionen nach wie vor schwierig sei, meint René: »Ob es so ist, weiß ich nicht, aber es wird so angeschaut, ja.« In Jeannettes Umfeld hingegen »ist es durchaus möglich, im Kader Teilzeit zu arbeiten«. Sie nennt vier Beispiele für Teilzeit Arbeitende in anspruchsvollen Tätigkeiten. Ganz ohne Einschränkungen geht auch das anscheinend nicht. »Wenn ich von Teilzeit spreche, fällt mir auf, dass es bei Teilzeitarbeit in einer Kaderposition vermutlich nicht tiefer als 80 Prozent geht.«
Perspektiven Der Berufsalltag bei Schwager-Meiers verläuft in geordneten Bahnen. Beide sind auf der Zielgeraden ins Rentenalter. Im letzten Interview, vor elf Jahren, äußerte René noch die Idee, über die Pensionierung hinaus weiterzuarbeiten. Davon will er nichts mehr wissen. »Heute passt es für mich, mit 65 Jahren pensioniert zu werden. Im Freiwilligenbereich gibt es noch viele unausgereifte Projekte; ich werde mich bestimmt wieder irgendwo engagieren.«
Nutzung der Freizeit René hat durch sein 60-Prozent-Pensum zwei Tage in der Woche einen organisatorischen Freiraum, den er auch nutzt. »Wenn ich an einem Donnerstag keine Parlamentssitzungen habe und es schönes Wetter ist, nehme ich mein Fahrrad und mache eine Tour. Man muss auch den Mut haben, sich zu sagen, dass man nur einmal lebt und seine Zeit nutzen will. Als die intensive Betreuungsphase vorbei war, habe ich mein Pensum deshalb auch nicht erhöht.«
Auch Jeannette leistet sich ab und zu etwas Besonderes. »Als ich fünfzig Jahre alt wurde, habe ich mir eine größere Reise geschenkt. Das war damals möglich, weil ich wusste, dass zu Hause alles rundläuft. Die beiden Männer können die Hausarbeit selbst erledigen, und ich kann das Haus für längere Zeit verlassen, ohne dass ich etwas organisieren muss.«
Rollenteilung Die Rollenteilung funktioniert nach wie vor zur beiderseitigen Zufriedenheit, obwohl René den Haushalt nun weitgehend alleine erledigt. Er betrachtet dies als Ausgleich für das höhere Arbeitspensum von Jeannette. »Ich mache sicher mehr – nicht alles gleich gerne. Was ich an dieser Lösung immer geschätzt habe, ist die Abwechslung. Nebst der Berufsarbeit erledigt man mit dem Haushalt eine ganz andere Arbeit. Für mich passt das so.« Jeannette engagiert sich in Bereichen, die ihr speziell am Herzen liegen. »Die Gartenarbeit«, erklärt sie, »hilft mir, mich zu erholen.« Sie ist René speziell dankbar dafür, dass er ihr die Pflege von sozialen Kontakten abnimmt, für die sie keine Zeit habe. »Das Besuchen von Bekannten in Pflegeheimen oder von Freundinnen, die krank sind. Das sind Sachen, die René macht und nicht ich.«
Wird sich der Haushalt nach Renés Pensionierung verändern? Jeannette rechnet nicht damit. »Beide kennen die Küche und den Haushalt. Ich mache mir keine Sorgen, dass wir uns nicht miteinander absprechen können und einander in die Quere kommen.« – »Es wird ein Aushandeln sein«, vermutet René, »eine Feinanpassung, wer was macht. Ich gehe davon aus, dass wir die Arbeit nach sinnvollen Kriterien, zum Beispiel Vorlieben, aufteilen werden.«
Was ist aus dem Sohn N. geworden? Sohn N., 25, hat in Genf politische Wissenschaften studiert und den Bachelor erworben. Jeannette hat hautnah erlebt, wie spannend diese Studienrichtung ist. »Während der Jahre des Studiums wie auch nachher hörte N. regelmäßig politische Sendungen auf Deutsch, Französisch oder Englisch. Er hat diese drei Jahre durchgezogen und weiß mehr über das politische Weltgeschehen als wir.« Während des Studiums wohnte N. in Wohngemeinschaften. Nun leistet er Zivildienst in einer gemeinnützigen Organisation und wohnt wieder zu Hause. Nachher wird er ein Master-Studium in den Bereichen Verwaltung, Ökonomie und Recht in Angriff nehmen. Fast scheint es, er möchte in die Fußstapfen seiner Eltern treten.
Die Eltern beschreiben die Beziehung zu ihrem Sohn als anregend und vertrauensvoll. »N. wollte früh eigenständig sein«, betont der Vater, »aber, wenn es ihm nicht gut geht oder wenn ihn etwas beschäftigt, sucht er das Gespräch. Wenn er sich über etwas ärgert oder ihn etwas beschäftigt, erzählt er das.« Die Mutter ergänzt: »Oder er ruft uns an, wenn eine Liebesbeziehung auseinandergebrochen ist.«
Das Elternpaar Schwager/Meier hat seinen Sohn früher maßgeblich selbst betreut. Beide waren anfänglich 60 Prozent erwerbstätig. Gleichzeitig vernetzte es sich mit anderen Eltern und organisierte einen Kindertausch. Jeannette freut sich, dass diese Beziehungen nach wie vor lebendig sind. »In den drei Familien, die sich damals vernetzt haben, bestehen die Freundschaften zwischen den Kindern nach wie vor. Es gibt immer wieder verschiedene Phasen der Begegnung und auch einen Austausch zwischen den Eltern.«
Hausarbeit und Rollenprägung des Sohnes N.s Beteiligung an der Hausarbeit ist nicht allzu intensiv und muss von den Eltern immer wieder eingefordert werden. »Zurzeit ist es so«, beschreibt Jeannette, »dass wir immer wieder miteinander absprechen, wer was erledigt. N. ist nicht jemand, der sich für das Erledigen der Hausarbeit anbietet, man muss ihn immer wieder auf seine Aufgaben hinweisen.« René ergänzt: »Das Einzige, was wir geschafft haben, ist, dass er seine eigene Wäsche wäscht. Wir haben einfach aufgehört, ihm die Wäsche zu waschen. Ansonsten erledigt er alles nur aufgrund von Vereinbarungen und wenn wir ihn pushen.« Offensichtlich prallen unterschiedliche Standards und Werte aufeinander. »N. sagt, dass wir bezüglich Ordnung, Reinlichkeit usw. viel zu hohe Ansprüche haben«, erzählt die Mutter. Grundsätzlich ist sie aber von N.s Haushaltstauglichkeit überzeugt. »Ich konnte beobachten, dass er in der Zweierwohngemeinschaft sowohl gekocht als auch geputzt hat.« Der Vater sieht das auch so. »N. könnte bestimmt gut alleine leben und einen Haushalt führen. Er kann kochen, putzen und Wäsche waschen, und er macht es auch, wenn es notwendig ist.«
Jeannette und René wissen nicht, wie N. ihre (frühere) Arbeitsteilung erlebt hat. Sie vermuten, er habe ihr Modell nicht groß reflektiert; es sei für ihn die Normalität gewesen. Auch im Moment scheint Rollenteilung für den Sohn kein Thema zu sein. Im Vordergrund stehen Bildungs- und Berufsfragen. Jeannette denkt aber, »dass N. durch seinen Wohngemeinschaftsmitbewohner festgestellt hat, dass er einen anderen Background bezüglich der Fähigkeiten und des Wissens hat, die wir ihm mitgegeben haben«.
Rückblick auf die Anfänge des Modells Der Entscheid zur partnerschaftlichen Rollenteilung beruhte stark auf Jeannettes Initiative. »Ich konnte mir zu jener Zeit nicht vorstellen, vollberuflich Hausfrau und Mutter zu sein. Mein Wunsch war, dass ich neben der Familie auch am Berufsleben teilnehmen konnte – das war mir immer sehr wichtig.«
René räumt ein, die egalitäre Rollenteilung sei nicht von Anfang an sein Modell gewesen. »Aber ich konnte mir vorstellen, dass ich an der Erziehungsaufgabe und allem Drum und Dran wie Hausarbeit usw. teilhabe. Bereits in den Anfängen habe ich dieses Modell mit dem Rollenwechsel interessant gefunden.«
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