Partnerschaftliche Rollenteilung - ein Erfolgsmodell. Margret Bürgisser
uns zwei Ansprechpersonen haben. Sie scheinen genau zu wissen, dass es in bestimmten Momenten besser ist, mit der einen statt der anderen Person über etwas zu sprechen.« Der Vater ergänzt: »Sie nehmen auch immer wieder unsere Hilfe in Anspruch.«
Rollenprägung der Kinder Die Eltern vermuten bei ihren Kindern ein eher partnerschaftliches Rollenverständnis. »Wir hatten keine großen Gespräche darüber, wie sie zu unserem Modell stehen, aber man kann es trotzdem rausspüren«, erzählt der Vater. »Beide haben immer wieder gesagt, dass wir Exoten und anders als alle anderen seien. Sie haben uns keine Vorwürfe gemacht, sondern im Gegenteil gesagt, dass die anderen es nicht ›gecheckt‹ hätten. Sie haben einen gewissen Stolz diesbezüglich.«
Wie die Kinder die Rollenteilung schließlich handhaben werden, steht in den Sternen. Der Vater ist vor allem bei Gian gespannt, »wie er Karriere und Kinder unter einen Hut bringen möchte. Das geht für mich noch nicht ganz auf. Ich könnte mir aber vorstellen, dass er eine Lösung finden wird.« Die Mutter stellt fest, dass ihr Sohn vermehrt Bereitschaft zeigt, im Haushalt zu helfen. »Gian hat mich jeweils abends um neunzehn Uhr im Büro angerufen und gesagt, dass er heute Abend kochen möchte. Seit er ausgezogen ist, merkt man bei ihm, dass das Thema ›man macht etwas‹ präsenter ist als früher.« Ihre Tochter nimmt Eleonora ganz anders wahr. »Sina kocht und haushaltet nicht gerne. Sie sagt beispielsweise ganz klar, dass sie niemals nur zu Hause bleiben möchte.« – »Manchmal«, ergänzt der Vater, »sagt sie im Witz, dass sie sich jemanden holen wird, der für sie den Haushalt macht.«
Gesellschaftliche Rahmenbedingungen Eleonora und Ueli würden das partnerschaftliche Modell auch heutigen jungen Paaren empfehlen, stellen aktuell allerdings einen Traditionalisierungstrend fest. Ihres Erachtens liebäugeln junge Frauen wieder vermehrt mit dem Hausfrauenmodell. Sie geben bei der Heirat zudem ihren Namen auf, was für Frauen älterer Generationen undenkbar gewesen wäre. Eleonora ist auch der Ansicht, die Diskussion um die Teilzeitarbeit habe sich nicht wahnsinnig weiterentwickelt. »Auch bei der Thematik des Wiedereinstiegs – wenn jemand für ein halbes Jahr oder ein ganzes Jahr nicht berufstätig war – fehlt es in vielen Betrieben an Verständnis.« – »Was sich langsam verbessert hat«, betont Ueli, »ist die Tatsache, dass die jungen Männer Zeit mit ihren Kindern verbringen wollen. Diesbezüglich hat sich schon etwas verändert. Letztlich ist es aber so, dass der Hauptteil der Betreuung immer noch bei den Frauen liegt.« Ueli findet auch, Kinderkrippen seien zu teuer. »Wir haben irgendwann aufgehört, sie zu nutzen, weil das – mit unseren Einkommen – einfach zu teuer geworden ist. Ich bin der Ansicht, dass die Kinderkrippen grundsätzlich günstiger sein müssten, damit Eltern sie vermehrt nutzen könnten.«
CORINNE HAFFTER UND DANI SCHAFFNER
»Wir haben uns für dieses Modell entschieden und alle damit gewonnen«
Corinne Haffter holt mich am Bahnhof Winterthur ab. Sie wartet in der Unterführung, und wir erkennen uns auf den ersten Blick wieder. Beim Velostand packt Corinne ihr mit Plastikblumen dekoriertes Fahrrad und macht sich – es neben sich her stoßend – mit mir auf den Heimweg. Irgendwann biegen wir in eine Seitenstraße ein. Und dann sehe ich sie, die wunderschöne an die hundert Jahre alte Backsteinsiedlung, in der Corinne Haffter (60) und Dani Schaffner (62) mit Nachbarn und als Wohngenossenschaft ein denkmalgeschütztes Haus bewohnen. In der Wiese vor dem Hintereingang steht ein runder Tisch, der schon zum Essen gedeckt ist. Links und rechts auf der Treppe Töpfe mit bunten Frühlingsblumen. Bunt geht es auch im Inneren weiter. Zahlreiche Sachen verweisen hier auf lebensfrohe kreative Menschen. Eine hohe Glasvitrine ist gefüllt mit Dingen, welche die drei Kinder früher modelliert und bemalt haben: Tiere, Figuren, Objekte. Die Zeit ist begrenzt. Corinne muss um dreizehn Uhr wieder zur Arbeit. Darum direkt an den Küchentisch und rein ins Interview.
Berufliche Entwicklungen Wie hat sich die berufliche Situation des Paares entwickelt? Corinne hat ihr Ziel erreicht, als Psychotherapeutin beruflich selbstständig zu werden. 2005 hat sie ihren Job als Psychologin am kinder- und jugendpsychiatrischen Dienst Winterthur aufgegeben und die private Praxis, die sie schon zu 20 Prozent betrieb, weiter ausgebaut. Da sie schon lange in Winterthur arbeitete und gut vernetzt war, hatte sie keine Mühe, Klientinnen und Klienten zu finden. Die Institutionen, mit denen sie zusammenarbeitet, kannten sie ebenfalls schon lange. Corinne arbeitet heute 80 Prozent. Da sie ihre Klientinnen und Klienten auch am Abend empfängt, kommt sie nie vor neunzehn Uhr nach Hause. Es hat sich darum eingespielt, dass abends vor allem ihr Mann kocht. Corinne besorgt dafür am Freitagvormittag den wöchentlichen Gemüse- und Früchteeinkauf und erledigt am Nachmittag Hausarbeiten.
Dani arbeitet noch immer am Naturmuseum, wo er für technische Belange zuständig ist. Er hat einen kreativen Wirkungsbereich, in dem er sehr selbstständig arbeiten kann: technische Aufgaben, interaktive Projekte, Fotografie. Dani betrachtet es »als ein gewisses Privileg, diese Stelle und diese Möglichkeit zu haben. Es ist nicht selbstverständlich, dass man so eine spannende Stelle bekommt.« Seine Arbeit ist im Zeitverlauf allerdings komplexer und anforderungsreicher geworden. Deshalb ist er froh, mehr Zeit zur Verfügung zu haben als früher. Nach einigen Jahren hat er von 50 auf 60 Prozent aufgestockt; inzwischen ist sein Pensum ebenfalls auf 80 Prozent angewachsen. Dani ist jetzt Dienstag- und Mittwochmorgen zu Hause, erledigt Hausarbeiten und nutzt die Zeit für Schlagzeugproben.
Bedeutung der beruflichen Tätigkeit Dani ist mit seiner Arbeit grundsätzlich sehr zufrieden. Das Schöne an seinem Job sei, dass er als Einziger für seine Arbeit zuständig sei. Er fühlt sich am Arbeitsplatz als Teilzeitangestellter aber zu wenig ernst genommen, was er schon in früheren Gesprächen bemängelt hat. Man akzeptiere die Teilzeitarbeit von Frauen voll und ganz, jene von Männern nur bedingt. Dies hänge stark von der Einstellung des/der jeweiligen Vorgesetzten ab. Manche hätten Verständnis für die Bedürfnisse Teilzeit arbeitender Väter, andere leider nicht.
Dass Corinne und Dani ihre Pensen nach und nach aufgestockt haben, hatte auch mit dem Älterwerden der Kinder zu tun. Diese brauchten zunehmend weniger Betreuung, sodass ihnen die Eltern längere Abwesenheiten zumuten konnten. Mehr Arbeit bedeutete zudem mehr Lohn. Dieser war hochwillkommen, kosteten die Ausbildungen und die Hobbys der Kinder doch eine Stange Geld. Die Eltern standen jedoch voll hinter dieser Situation. Sie rieten ihren Kindern, einen Beruf (bzw. ein Studium) zu wählen, das ihnen wirklich Freude machte. Die bisherige Entwicklung zeigt, wie richtig das war.
Entwicklung der Kinder Die Kinder – Florian, Bigna und Laurin – sind alle erwachsen, haben eine Erstausbildung abgeschlossen und absolvieren nun ergänzende Studien. Sie stehen mit beiden Beinen im Leben und beteiligen sich neben dem Studium noch an kreativen Projekten. Die jungen Erwachsenen leben nicht mehr im Elternhaus, sondern mit Wohnpartnern, bei denen sie ihre Sozial- und Haushaltskompetenzen unter Beweis stellen können. Einer der Söhne hat von seiner Mutter den Brauch übernommen, für den Sonntagmorgen einen Zopf zu backen, was seine Mitbewohnenden sehr schätzen.
Florian (30) hat in Genf internationale Beziehungen studiert, den Bachelor gemacht und eine Journalistenausbildung absolviert. Nach einem Master in Volkswirtschaft und einem Studienaufenthalt in China arbeitet er nun als Assistent an der Uni Zürich und schreibt seine Doktorarbeit. Er lebt mit seiner Partnerin zusammen.
Bigna (28) hat sich zur Primarlehrerin ausbilden lassen und anschließend zwei Jahre in London in verschiedenen Schulen und Einrichtungen gearbeitet. Ab Herbst 2015 macht sie berufsbegleitend eine Textilfachausbildung in Zürich und plant zu zweit ein Textilatelier. Sie lebt als Jüngste in einer Genossenschaftswohngemeinschaft in Zürich.
Laurin (25) hat eine Lehre als Möbelschreiner gemacht und danach als Zivildienstleistender dreizehn Monate lang in einer Kita gearbeitet.[8] Anschließend hat er den Vorkurs für die Zürcher Hochschule der Künste absolviert und studiert nun Industriedesign. Auch er lebt in Zürich in einer Wohngemeinschaft.
Eltern-Kind-Beziehung Obwohl selbstständig, pflegen die Kinder einen herzlichen Kontakt zu ihren Eltern. Sie haben diese beispielsweise zum Besuch der Weltausstellung in Mailand eingeladen. Die ganze Familie hat dort ein Wochenende verbracht. Doch auch untereinander haben die Kinder viel Austausch und Unterstützung. Die Eltern freuen sich darüber,