Partnerschaftliche Rollenteilung - ein Erfolgsmodell. Margret Bürgisser

Partnerschaftliche Rollenteilung - ein Erfolgsmodell - Margret Bürgisser


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woran sie sich erst gewöhnen musste. »Bisher habe ich immer in einem selbstverwalteten Betrieb gearbeitet, der basisdemokratisch organisiert war. Jetzt bin ich zum ersten Mal ein Rad in einer Gesamtorganisation.« Corina ist sich bewusst, dass jede Arbeit Vor- und Nachteile hat. »Auch bei uns sind die betriebswirtschaftlichen Argumente sehr dominant. Als Erstes geht es um die Kosten-Nutzen-Bilanz – erst dann kommen andere Argumente.« Auch die Ansprüche an die Mitarbeitenden sind ihres Erachtens gestiegen. Heute müssen alle, die in einer Leitungsfunktion sind, über eine Managementausbildung verfügen. Corina wie Markus haben deshalb in mehrere CAS-Ausbildungen investiert, um für die Herausforderungen ihrer Führungsfunktionen fit zu sein.

      Akzeptanz von Teilzeitarbeit Markus Brandenberg sieht in seinem Erwerbsbereich die Zeichen wieder vermehrt auf Leistung, Präsenz und traditionelle Arbeitszeitformen ausgerichtet. Vermehrt hört er den Spruch »Führung ist unteilbar«. Seine eigenen Erfahrungen widerlegen dieses Vorurteil. »Wir sind das beste Beispiel dafür, dass Co-Leitungen perfekt funktionieren. Alle anderen Abteilungen sind auch doppelt besetzt.« Doch nun sollen die Co-Leitungen auf Abteilungsebene an der Pädagogischen Hochschule wieder abgeschafft und das Rad zurückgedreht werden. Bei einem Großteil des Personals ist Teilzeitarbeit allerdings fest verankert. »Bei den Dozierenden, dem wissenschaftlichen Personal oder auch dem administrativ-technischen-Personal haben wir vor allem Teilzeitmitarbeitende.«

      Auch Corina stellt in ihrem Kita-Verbund fest, dass Teilzeitarbeit beim Kader eher rückläufig ist. »Auch bei uns heißt es ›Führung ist unteilbar‹«, betont sie. »Wir versuchen aber, bei den Kita-Leitungen Teilzeitmodelle einzuführen, die bereits im Betrieb arbeiten und gerne eine Familie gründen möchten.«

      Unterschiedlich hohe Löhne Corina ist sich bewusst, dass Markus, der Karriere gemacht hat, dafür einen hohen Einsatz leisten musste. Sie selbst wäre nicht dazu bereit gewesen. Ihre Zurückhaltung hat auch mit einer früheren Erkrankung zu tun, derentwegen sie auf ihre Gesundheit achten muss. »Ich wollte keinen Job, bei dem ich so viel Stress habe. Markus war teilweise sehr gefordert und hat nun auch ein entsprechendes Salär. Ich finde es interessant, dass ich 70 Prozent arbeite und er 80 Prozent, aber er verdient zwei Drittel und ich ein Drittel unseres Gesamteinkommens. Das hat auch damit zu tun, dass ich einen klassischen Frauenjob habe.«

      Die Söhne sind zu Männern geworden Die beiden Söhne, Elias (24) und Marius (21), sind erwachsen. Elias hat sich zum Informatiker ausgebildet und dann bei einer Großbank ein Praktikum absolviert. Im Rahmen dieser Erfahrung erkannte er, dass seine Interessen auf einem anderen Gebiet liegen. Er begann ein Studium der Sozialarbeit, das ihm sehr gefällt, und denkt nun sogar daran, den Master zu machen. Marius hat das Gymnasium und ein Austauschjahr in den USA absolviert. Nach der Matura ging er auf Reisen, und demnächst wird er ein Studium der Psychologie anfangen. Beide Söhne haben ihren Zivildienst in einer Kita geleistet. Schon als Jugendliche zeigten sie Freude an kleinen Kindern. Im Zivildienst konnten sie ihre Sozialkompetenz unter Beweis stellen. »Beide haben es sehr toll gefunden, in einer Kita zu arbeiten«, betont die Mutter.

      Beziehung der Eltern zu den Söhnen Die Beziehung zu den erwachsenen Kindern bezeichnen die Eltern als herzlich. »Vorletzte Woche ging ich mit Elias für einen Tag wandern«, erzählt Markus. »Wir sind ins Appenzell gefahren, und er hat mir von seiner Arbeit und seinem Studium erzählt und davon, was er später machen möchte.« Der Vater freut sich, dass die Söhne sich, wenn sie irgendein Problem mit Versicherungen, Mahnungen usw. haben, gleich bei ihnen melden. »Wir sind dann jeweils eine Beratungsstelle.« Corina schätzt diese Kontakte sehr. »Ich finde es schön, wenn man persönliche Gespräche miteinander führen kann.«

      Die Eltern haben die Söhne von klein auf gemeinsam betreut und erzogen. Den Söhnen schien es im Elternhaus wohl gewesen zu sein, sodass man den Älteren fast ein wenig »aus dem Nest schupfen« musste. Der Jüngere wird während des Studiums wieder zu Hause wohnen, was gewisse Diskussionen ums Zusammenleben mit sich bringen dürfte. »Wir waren sehr umsorgend«, meint Markus selbstkritisch. »Aus heutiger Sicht haben wir ihre Frustrationstoleranz zu wenig gefördert.« Corina relativiert: »Das ist eine Frage des Erziehungsstils und hat weniger mit dem Modell zu tun.«

      In einem früheren Gespräch sagten Elmer und Brandenberg, ihre Söhne sollten mit Erreichen des achtzehnten Altersjahrs den ganzen Haushalt alleine schmeißen können. Ob das so eingetroffen sei, will ich wissen. »Effektiv«, bestätigt der Vater. »Sie sind fähig, einen Haushalt zu führen.« – »Sie können es«, ergänzt Corina »sie können waschen, kochen, einkaufen, putzen – alles.«

      Die Eltern vermuten, dass ihre Söhne sich später auch für die egalitäre Rollenteilung entscheiden werden. »Elias hat in seiner Biografie explizit festgehalten, wie wichtig dieses Rollenmodell für ihn war«, berichtet der Vater. »Er hat geschrieben, wie unterschiedlich wir beide waren und dass das gut für ihn war. Sie haben das Gefühl, dass ich – explizit ich – ein gutes Leben und eine super Zeit hatte. Sie finden es toll, dass ich die Zeit hatte, um mit ihnen zu spielen.«

      Zukunftsperspektiven Corina und Markus gehen auf die Sechzig zu und spüren dies auch. »Wir sind nicht mehr gleich leistungsfähig wie mit vierzig«, betont Corina. »Ich komme von der Arbeit nach Hause, bin müde und kann nicht mehr viel erledigen.« Wenn Markus in vier Jahren pensioniert wird, möchte er mehr freie Zeit für sich und seine Hobbys haben. »Es war für mich immer klar – als wir die Kinder hatten –, dass ich auf eigene Bedürfnisse verzichte und diese zugunsten der Familie hintanstelle. Nun genieße ich es, mehr für mich tun zu können. Ich spiele heute viel mehr Klavier, ich koche, ich reise, und ich gehe wandern.« Corina hingegen wünscht sich mehr Zeit, die sie mit ihrem Mann verbringen könnte. Sie hat manchmal den Eindruck, (zu ihm) »dass du ein wenig sehr selbstbezogen geworden bist. Ich empfinde es manchmal so, dass ich stärker – nicht ausschließlich – auf uns beide achte. Wir müssen uns nun neu definieren.«

      Verpflichtungen gegenüber den (Groß-)Eltern Betreuungspflichten gegenüber eigenen Eltern gibt es (noch) keine. Markus Brandenbergs Mutter lebt im Altersheim und ist dort gut aufgehoben. »Es heißt für mich jedoch, dass ich sie – wenn möglich alle zwei Wochen, manchmal wird es ein Monat – im Altersheim Zug besuche. Das nimmt einen halben Tag in Anspruch.«

      Corinas Eltern sind noch selbstständig und bei guter Gesundheit. Sie ist sich aber bewusst, dass mit zunehmendem Alter ein gewisser Betreuungsbedarf entstehen kann. »Mein Vater wird 87, und meine Mutter ist 77 Jahre alt. Ich rechne damit – es ist jedoch noch nicht der Fall –, dass sie irgendwann viel mehr Unterstützung benötigen werden.«

      Vor- und Nachteile des egalitären Rollenmodells Corina Elmer und Markus Brandenberg erkennen am egalitären Rollenmodell Vor- und Nachteile. »In diesem Modell gibt es ein labiles Verhältnis zwischen zwei Leuten mit je unterschiedlichen Vorstellungen«, stellt Markus fest. »Wir mussten viel daran arbeiten, und es ist aufwendig, dass es funktioniert. Es braucht Ausdauer, damit man dranbleibt.« Corina betont, definierte Rollen könnten auch hilfreich sein, »indem sie die Dinge vereinfachen. Wenn nicht klar ist, wer der Außenminister und wer der Innenminister ist, muss man sich vermehrt einigen.« Einen Vorteil des Modells sieht sie darin, »dass beide Partner in beide Bereiche hineinsehen. Man weiß, was es heißt, einen Tag lang mit quengelnden Kleinkindern zu Hause zu sein. Und man weiß, was es heißt, einen Tag lang an Sitzungen teilzunehmen, arbeiten zu müssen und am Abend nach Hause zu den Kindern zu kommen.« Corina ist überzeugt davon, »dass das partnerschaftliche Modell den Kindern extrem guttut. Aus Sicht der Gewaltprävention finde ich es zudem wichtig, dass die Jungen – die eher dazu neigen, ihre Aggressionen nach außen zu tragen – durch das Erleben ihrer Väter gestärkt und in ihrer Identität gefestigt werden.«

      Gesellschaftliche Rahmenbedingungen Corina wünscht sich »ein Betreuungsmodell, das den Eltern erlaubt, das zu wählen, was für sie stimmt. Man müsste vermehrt familienverträgliche Arbeits- und Betreuungsstrukturen schaffen und diese öffentlich unterstützen. Ich bin der Ansicht, dass diesbezüglich der Wille der Öffentlichkeit gering ist und dass die Schweiz im Vergleich mit anderen Ländern extrem schlecht abschneidet. Auch die Arbeitgeber und die Wirtschaft müssten sich dafür einsetzen. Sie könnten von familienverträglicheren Modellen nur profitieren.«

      Beide Partner haben in ihrem beruflichen Umfeld die Beobachtung gemacht, dass junge Menschen zum Teil


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