Partnerschaftliche Rollenteilung - ein Erfolgsmodell. Margret Bürgisser

Partnerschaftliche Rollenteilung - ein Erfolgsmodell - Margret Bürgisser


Скачать книгу
alles Geld selbst verdienen. Ich muss nicht ›strampeln‹ wie jemand, der alleine für das Einkommen verantwortlich ist.«

      Nachteile der partnerschaftlichen Rollenteilung Die Nachteile der partnerschaftlichen Rollenteilung sieht das Ehepaar Sorg vor allem bei den Werthaltungen, der beruflichen Entwicklung und den Finanzen. Die gesellschaftliche Akzeptanz des Rollenmodells sei durchzogen, meint Florian, sie verändere sich kaum. »Schlimm ist, wenn man nur als halber Mann betrachtet wird, weil man noch den Haushalt macht. In solchen Situationen bin ich extrem dünnhäutig.« Susanne findet es stoßend, »dass man mit Aussagen wie ›Ihr seid Exoten‹ oder ›Nein, das könnten wir nie machen‹ und ›Das möchten wir niemals‹ konfrontiert wird. Man hat manchmal das Gefühl, als ob man die anderen bedrohen würde.« Es komme allerdings auch vor, dass sie von gewissen Leuten als »Pionierin« bezeichnet werde. »Ich frage dann immer, warum nicht mehr Leute dieses Modell umsetzen. Ich treffe nur wenige junge Familien, die das versuchen.«

      Einen weiteren Nachteil sieht Susanne darin, »dass man während der ersten Zeit viel weniger verdient. Wenn ich zurückdenke, hatten wir als Journalisten keinen hohen Lohn.« Gleichwohl sind sie dem Modell treu geblieben. »Es braucht die Zuversicht, dass es in dieser Lebensphase eigentlich keine Rolle spielt, wenn man etwas weniger Geld hat. Man kann die Arbeitspensen anschließend ja wieder aufstocken.«

      Florian hat die Nachteile der Teilzeitarbeit erlebt. »Man hat über eine gewisse Zeit eine angezogene Handbremse. Man merkt, dass die Gleichaltrigen im Journalismus einen Schritt weiter sind. Es war mühsame Knochenarbeit, bis ich gleich viel erreicht hatte wie die anderen. Das war auch eine Folge des egalitären Rollenmodells.«

      Blick in die Zukunft Susanne möchte ihre kulturpolitischen Engagements nach der Pensionierung noch eine Weile fortsetzen. »Anschließend möchte ich noch etwas machen, was mich geistig fit hält, eine Mischung aus Freizeit und sinnvollem Engagement.«

      Florian hat im Sinn, bis 65 zu arbeiten. Nachher wünscht er sich mehr Zeit für seine Hobbys. Er spielt klassische Musik und arbeitet gerne im Garten. Das alleine wird ihn jedoch nicht ausfüllen. »Ich habe bereits mit Bauern vereinbart, dass – wenn sie jemanden zum Traktorfahren oder zum Zäunereparieren benötigen – ich das gerne für sie mache. Ich könnte mir auch vorstellen, zweimal in der Woche bei einem Fahrradmechaniker auszuhelfen.« Er habe in seinem Berufsleben genügend Papier gesehen, betont Florian. »Eines meiner Ziele wäre, dass ich mir morgens manchmal einen Arbeitskittel anziehen kann.«

Image - img_02000008.jpg

      »Manchmal machen sie Witze darüber, dass bei uns alles ein wenig speziell war«

      Rita Scholl Born (57) und Jürg Born (57) wohnen in einem Einfamilien- und Reihenhausquartier am Rande von Münsingen. Ihr Zuhause ist stilvoll eingerichtet, die Räume sind hell und großzügig. Im Garten zieht eine Holzskulptur meinen Blick auf sich – wie ich später erfahre, hat Jürg sie mit der Motorsäge gestaltet. Im Übrigen ist hier ein romantisches Paradies: Quer übers Gartenende zieht sich eine üppige Glyzinie, und neben der Balkontüre blüht, einem Schwarm Schmetterlinge gleich, eine riesige violett-bläuliche Clematis.

      Berufliche Entwicklungen Rita hat nach wie vor ihre 50-Prozent-Stelle bei der Berner Gesundheit und arbeitet dort als Therapeutin im Bereich Sucht. Seit etwa zehn Jahren arbeitet sie – auf freiberuflicher Basis – auch in einer psychotherapeutischen Praxisgemeinschaft. Sie bietet dort Einzel- und Paartherapien an. Seit sieben Jahren leitet sie zudem Kurse und Fortbildungen im Bereich »Stressbewältigung durch Achtsamkeit«. »Es ist immer ein wenig schwierig, all diese Tätigkeiten unter einen Hut zu bringen«, gesteht Rita. »Über das ganze Jahr verteilt arbeite ich zwischen 70 und 80 Prozent.«

      Jürg arbeitet seit Längerem auf selbstständiger Basis. Auch sein Pensum beträgt, übers Jahr gesehen, 70 bis 80 Prozent. Zwei Drittel seiner Arbeitszeit entfallen auf die Bereiche Supervision, Coaching, Teamentwicklung. »Bei der Teamentwicklung reicht das Spektrum von Kita-Teams bis hin zum Strafmaßnahmenvollzug. Das restliche Drittel besteht aus der Erwachsenenbildung, wo ich an verschiedenen Instituten Ausbildner für Erwachsene ausbilde.«

      Viel erreicht Beide sind sehr zufrieden mit dem im Beruf Erreichten. Mit einem 50-Prozent-Pensum sei man ausgeschlossen vom üblichen Karrieremachen, meint Jürg. »Wenn ich jedoch reflektiere, was ich alles machen konnte, finde ich es optimal. Ich arbeite weniger Stunden als der durchschnittliche Schweizer und verdiene mehr als der Durchschnitt. Insgesamt fühle mich privilegiert.«

      Für Rita bedeutet Karriere nicht nur beruflichen Aufstieg und das Erlangen höherer Positionen. »Ich definiere Karriere dadurch, dass ich jenen Tätigkeiten nachgehen kann, die ich gern mache, in denen ich anständig bezahlt werde und in denen viel Selbstbestimmung liegt.«

      Berufliche Zukunft Beide gehen auf die Sechzig zu – ein Anlass, das Rentenalter zu reflektieren. Jürg fixiert sich nicht darauf, mit 65 in Pension zu gehen. »Ab 65 kann ich mir gut vorstellen, weiterhin einzelne Mandate zu betreuen, sicher mit reduziertem Pensum.« Rita denkt daran, ihre Anstellung spätestens mit der Pensionierung aufzulösen. »Ich arbeite in diesem 50-Prozent-Pensum unter guten Bedingungen – es ist nicht so, dass ich leiden würde. Trotzdem möchte ich künftig mehr Zeit in meine anderen Aktivitäten investieren. Ich werde so lange selbstständig weiterarbeiten, wie ich Lust dazu habe und es mir Freude bereitet.«

      Finanzielle Absicherung fürs Alter Die Kinder von Rita und Jürg sind in Ausbildung und generieren dadurch hohe Fixkosten. »Wir haben gemerkt«, sagt Rita, »dass mein 50-Prozent-Pensum die einzige fixe Stelle ist, die wir haben.« Darum ist dieses Einkommen nach wie vor wichtig, auch für die Alterssicherung. »Wir konnten etwas erwirtschaften«, berichtet Jürg, »aber im Vergleich zu heute werden wir im Alter gewisse Einsparungen vornehmen müssen – wir werden nicht im Luxus leben. Gerade wegen der Altersvorsorge habe ich das Gefühl, dass ich später noch Mandate betreuen werde.«

      Hausarbeitsteilung »Seit die Kinder weg sind«, berichtet Rita, »kommt die Putzfrau nur noch einmal alle zwei Wochen. Es fällt in jedem Bereich deutlich weniger Arbeit an. Ich empfinde die Arbeitsteilung zwischen mir und Jürg nicht als konfliktreich.« Jürg ergänzt, die Hausarbeitsteilung habe sich im Zeitverlauf total eingependelt. »Es gibt Dinge, die ich regelmäßig mache, und Dinge, die Rita häufiger macht. Obwohl ich auch koche, bügle und einkaufe, ist für mich klar, dass Rita innerhalb des Hauses mehr leistet als ich.«

      Rita putzt, wenn ihr danach zumute ist. »Wenn ich zu Hause bin, denke ich mir manchmal, dass ich den ganzen Tag mit dem Kopf gearbeitet habe und es für mich nicht stressig ist, noch kurz mit dem Staubsauger durchs Haus zu gehen.«

      Entwicklung der Kinder Tochter Lea hat das Gymnasium absolviert und anschließend in Freiburg ihr Studium in Medien- und Kommunikationswissenschaft begonnen. Im letzten Jahr hat sie ihren Bachelor abgeschlossen und macht seit einem halben Jahr ein Praktikum bei der Event-Agentur Good News in Zürich. Zwischenzeitlich war sie längere Zeit im Ausland. Diese Aufenthalte dienten jeweils dem Erlernen von Sprachen. Lea wohnt in einer Wohngemeinschaft in Bern.

      Tim hat ebenfalls das Gymnasium absolviert und studiert in Bern Sozialwissenschaften. Sein Plan ist es, im Sommer mit dem Bachelor abzuschließen. Die Prüfungen dazu hat er bereits absolviert, er muss aber noch eine Arbeit schreiben. Momentan ist Tim für einen Monat in Peru.

      Wie der Vater berichtet, prüfen beide Kinder die Möglichkeit eines Master-Studiums. »Seit Kurzem ist es für beide eine Option. Tim muss zwischendurch noch seinen Zivildienst absolvieren. Es ist möglich, dass beide nächsten Sommer mit ihrem Master-Studium beginnen werden.« Die Mutter ergänzt: »Lea möchte Teilzeit studieren und nebenher arbeiten. Sie sagt, dass sie durch das Arbeiten merkt, weshalb sie studiert.«

      Tim und Lea tragen beide dazu bei, ihr Studium zu finanzieren. »Beide wollten in eine Wohngemeinschaft«, erinnert sich Rita. »Wir haben zu ihnen gesagt, dass sie so viel Geld von uns erhalten, wie sie zu Hause kosten würden. Ich war der Ansicht, dass man von hier aus nach Bern pendeln könnte. Aber den Kindern war es wichtig, zu Hause auszuziehen, und sie wussten, dass sie dafür einen


Скачать книгу