Partnerschaftliche Rollenteilung - ein Erfolgsmodell. Margret Bürgisser
aufstocken würde.« Peter versteht Verenas Standpunkt. »Ich hoffe, dass sie ihre Zeit nicht dafür einsetzen wird, Dinge zu erledigen, die ich vielleicht schon seit Längerem hätte machen sollen.«
Neue Engagements für die junge Generation Was wird die Zukunft an Neuem bringen, wenn beide pensioniert sind? Peter wünscht sich, dass beide weiterhin souverän bleiben und gewisse Aktivitäten auch getrennt unternehmen. Er betont zudem, er sei nicht wirklich pensioniert, denn er betreue neben seinem Aushilfsjob jede Woche zwei Tage seinen Enkel Amelio. Verena möchte durch die Pensionierung zeitlichen Freiraum gewinnen und damit »spielen«. Einen Tag pro Woche wird auch sie den Enkel betreuen. Zu einem weitergehenden Engagement ist sie nicht bereit. »Ich werde mir sicherlich Zeit für ihn nehmen – aber in einem beschränkten Rahmen.«
Weitere Betreuungsaufgaben haben Verena und Peter nicht. Ihre Eltern sind schon lange tot. Peter hatte aber vorübergehend Verpflichtungen gegenüber einer Tante. Und Verena übernahm – vor längerer Zeit – administrative Aufgaben, als ihre Mutter noch im Pflegeheim war. »Die ganze Administration und zu schauen, dass das Geld reinkommt, um die Pflegekosten zu decken – das war ein großer Aufwand.«
Beziehung zur Tochter Céline und ihrer Familie Tochter und Schwiegersohn sind ebenfalls künstlerisch tätig. Beide sind Musiker und haben eine kleine Agentur, die viel administrativen Aufwand verursacht. Die Jungen arbeiten zusammen etwa 160 Prozent; viel davon ist unbezahlte Arbeit (Arrangements schreiben, Üben usw.). Verena und Peter vermuten, dass sie ihrer Tochter durch ihre bescheidene Lebensführung ein Vorbild waren. Die Jungen haben sich für eine unsichere Existenz entschieden, darauf hoffend, dass es gut geht. Der Babysitterdienst der Eltern ermöglicht es der Tochter, als Musikerin weiterhin öffentlich aufzutreten. Für die junge Mutter keine Selbstverständlichkeit, wie Verena weiß. »Sie haben genügend Musiker in ihrem Freundeskreis und kennen die Thematik. Viele Musiker und Musikerinnen haben keine Kinder. Andere haben Kinder, aber die Musikerinnen bleiben dann zu Hause und schauen zu ihnen – folglich sind sie nicht mehr oft unterwegs.« Die Unterstützung der Großeltern geschieht auf Vertrauensbasis und unentgeltlich. Verena erzählt, wie es dazu kam: »Sie haben gewusst, dass sie jemanden brauchen werden, der ihnen bei der Kinderbetreuung hilft. Wir haben gesagt, dass wir das machen werden – ohne eine bestimmte Zeitspanne zu definieren. Dann ist sie sehr schnell schwanger geworden.«
Die Betreuung der Großeltern ist quasi ein Geschenk an ihren Enkel. Doch das Engagement verhilft Verena und Peter auch zu unerwarteten Erfahrungen. Als Céline beispielsweise mit ihrer Band nach Lettland reiste, war Verena mit dabei und betreute vor Ort den kleinen Amelio. Dasselbe tat Peter, als sie ein anderes Engagement nach New York führte. So lernen sie Orte kennen, die sie sonst kaum besuchen würden. Verena und Peter haben eine gute Beziehung zu ihrer Tochter, was ihr Engagement erleichtert. »Sie lässt mir viel Freiraum«, betont Verena. »Ich fühle mich von ihr akzeptiert – so, wie ich bin. Gerade mit dem Kind sagt sie nie, wie wir es machen sollen.« Peter bestätigt: »Ja, sie will eine gute Stimmung. Sie sucht den Kontakt und das Gespräch. Wir haben Glück, sie ist eine gute Person.«
Rollenverständnis der Tochter Der Tochter Céline (31) war ihre Unabhängigkeit wichtig. Frühere Beziehungen – auch mit Musikern – gingen auseinander, weil der Partner sich eine traditionelle Rollenteilung wünschte. Der Schwiegersohn hingegen legt selbstverständlich Hand an im Haushalt. Es war von Anfang an klar, dass die Hausarbeit geteilt wird. Wie Peter erzählt, hat das junge Paar im Freundeskreis bereits eine Art Vorbildfunktion. »Céline und Andi leben ihren Freunden das Modell vor und stecken sie damit an. Ich habe kürzlich gehört, dass andere Musiker sie aufgrund ihres Rollenmodells als Patentante und Patenonkel für ihr zukünftiges Kind gewählt haben.«
Verena findet, ihre Tochter sei weniger militant, als sie es gewesen sei. »Bei uns stand die Rollenteilung im Zentrum, bei ihnen ist es eher die Rollengemeinschaft. Sie erledigen den Haushalt zusammen und kümmern sich gemeinsam um den Erwerb. Der Gemeinschaftsgedanke steht mehr im Zentrum als der Teilungsgedanke.«
Geld ist unentbehrlich – und doch nicht so wichtig Ohne Geld keine Existenzsicherung, das gilt auch für die Vosers. Trotzdem betont Verena, Geld sei für sie nur »ein Randthema. Wenn es nach mir gehen würde, möchte ich am liebsten ohne Geld leben. Wenn das jemandem aber wichtig ist – Karriere, ein großer Lohn, der Erwerb von Eigentum usw. –, ist das nicht negativ. Es ist legitim, wenn man solche Wünsche hegt.«
Dass viele Teilzeit Arbeitende bezüglich ihrer Pensionskassenansprüche benachteiligt sind, kümmert Peter nicht groß. »Alles andere wäre für uns ein Nachteil oder ein Vorteil, aber das Geld nicht. Wir gehen auf dem Zugerberg spazieren und trinken einen Café Crème. Wir kommen anschließend nach Hause und sind total happy. Wir brauchen keine hohe Pension.« Verena doppelt nach: »Ich weiß von Freunden, dass das Geld ein großes Thema ist. Ich kenne es auch von jenen, die mit mir den Pensionierungskurs besucht und alles durchgerechnet haben. Mich hat das nicht interessiert.«
Erfahrungen mit der Teilzeitarbeit Der Wunsch, in einem reduzierten Pensum tätig zu sein, wurde in beiden Arbeitsbereichen recht wohlwollend aufgenommen. Peter Voser spürte anfänglich zwar Vorbehalte gegenüber Männern, die reduziert arbeiteten. »Teilzeitarbeit und gar keine Arbeit war damals fast dasselbe. Sie hatten den Eindruck, dass ich nur hobbymäßig arbeite. Das ist heute nicht mehr so. Das Verständnis ist größer geworden.« Das hat auch damit zu tun, dass sich Peter seinem Arbeitgeber gegenüber immer sehr flexibel zeigte. Seine Arbeitsleistung war deshalb gleichwohl geschätzt. Auch das soziale Umfeld reagierte mit Verständnis auf die Art, wie die Vosers lebten. Diese erklären sich das Wohlwollen vor allem damit, dass sie neben der Arbeit seit jeher auch künstlerisch tätig sind.
Ein zufriedener Blick zurück Zwei Wochen vor der Pensionierung ist Verena sehr zufrieden, »dass es mir über Jahrzehnte gelungen ist, in meiner künstlerischen Arbeit unbeirrt vorwärtszukommen. Gleichzeitig konnte ich mich unabhängig durchs Leben bringen und der Tochter eine gute Ausbildung ermöglichen.« Peter betont, das sei ihnen vor allem dank viel Flexibilität und günstigen Umständen – auch am Arbeitsplatz – gelungen. »Die Flexibilität war für mich aber nie ein Opfer, sondern eine Abwechslung.« Verena ist stolz darauf, »dass wir die richtige Balance gefunden haben. Es war eine Flexibilität innerhalb von gegebenen Strukturen. Es war uns über all die Jahre möglich, in diesen Strukturen beweglich zu bleiben, und ich habe das auch genutzt.«
Beide würden die Rollenteilung wieder wählen. »Es hat sich gelohnt, und ich bin froh, dass wir dieses Modell gewählt haben«, betont Verena. »Mit meinem heutigen Wissen würde ich aber etwas anderes ausprobieren, etwas, was ich noch nicht kenne.« Die beiden sind – wie sie sagen – »gesundheitlich fit und gut aufgestellt«. Möge es ihnen vergönnt sein, die kommenden Jahre noch lange zusammen zu genießen!
SUSANNE SORG-KELLER UND FLORIAN SORG
»Für uns war die Lösung mit der Rollenteilung super«
Wir treffen uns um siebzehn Uhr in Susanne Sorgs Büro im Verwaltungsgebäude am Neumühlequai 10. Anmeldung bei der Portiersfrau, die hinter dicken Scheiben sitzt. Sie gibt mir einen Batch, den ich oberhalb der Treppe in eine metallene Säule werfen muss. Nun erhalte ich freien Durchgang durch eine Drehtür und Zugang zum Lift. Im vierten Stock ist alles ruhig. Florian Sorg (62) trifft ein, ein sportlicher Mann mit grauen krausen Haaren. Ich hätte ihn nicht wiedererkannt. Susanne Sorg (61) kommt mir vertrauter vor: dasselbe offene Gesicht wie früher.
Erwerbsarbeit Das Paar erzählt vom letzten Lebensjahrzehnt. Wie es beiden vergönnt war, sich beruflich zu entwickeln – sie als Hauptabteilungsleiterin in der kantonalen Verwaltung, er als Redaktor bei der NZZ. Ihre Jobs machten ihnen Spaß, doch stellte sich im Laufe der Jahre der Wunsch ein, nochmals Neues anzupacken. Die Idee, wieder in den früheren Berufen Fuß zu fassen – Lehrer an der Landwirtschaftsschule bzw. Gymnasiallehrerin –, erwies sich aber als unrealistisch.
Als Susanne auf die Sechzig zuging, beschloss sie, sich im Herbst 2015 pensionieren zu lassen, »weil ich die Lust verspürte, noch etwas anderes zu machen. Ich könnte nicht zu Hause rumsitzen – das wäre nicht meine Art.« Als sie ein Angebot ihrer Wohngemeinde Lindau erhielt, für den Gemeinderat zu kandidieren, sagte sie zu. Im Frühjahr 2014 wurde sie gewählt. Aktuell überlappt dieses Mandat