Das Schuljahr nach Corona (E-Book). Armin Himmelrath
Schülern? Im ungünstigsten Fall könnten reformpädagogische Konzepte zurückgedreht werden müssen, die einen deutlich höheren Raumbedarf aufweisen (z. B. Lernhausmodelle) (Nikolai et al. 2019) als etwa der Frontalunterricht. So könnte die Corona-Krise in einigen Schulen sogar zu einer pädagogischen Rolle rückwärts führen.
Abbildung 2: Anstieg der Bevölkerung im schulpflichtigen Alter (6 bis unter 15 Jahren) in ausgewählten Großstädten von 2005 bis 2018 in Prozent
Quelle: Stba (2020, eigene Berechnungen)
3Fazit
Der vorliegende Beitrag hat versucht, einige Punkte zu diskutieren, die sich im Zuge der Corona-Krise an Schulen verändern könnten. Dabei sollte klar geworden sein, dass es in der Folge von Corona mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Anstieg sozialer Ungleichheiten kommen wird. Dies betrifft nicht nur die Lernleistungen der Kinder im Homeschooling, sondern auch gesundheitliche Ungleichheiten, die sich z. B. aus einem sozial ungleichen Ernährungsverhalten ergeben. Das Ausmaß des Anstiegs sozialer Ungleichheiten wird dabei stark davon abhängen, wie lange kein Regelunterricht an unseren Schulen möglich sein wird. Gerade der Aspekt der Ernährung zeigt die Bedeutung einer Mittagsversorgung auf. Unterricht am Vormittag, bei dem alle Kinder und Jugendliche vor dem Mittagessen wieder nach Hause gehen müssen, ist dementsprechend zu vermeiden. Auf der anderen Seite gilt es weiterhin, Risikogruppen (z. B. ältere Lehrkräfte) zu schützen. Hier ergibt sich ein ethisches Dilemma im folgenden Spannungsfeld: Kindeswohlschutz auf der einen, die gesundheitliche Unversehrtheit von Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern auf der anderen Seite. Dieses Dilemma ist in der öffentlichen Debatte bisher weitgehend ungelöst. Gar nicht in die öffentliche Debatte hat es die Tatsache geschafft, dass es an einigen Schulen eine sehr hohe Anzahl von Lehrkräften gibt, die zur Risikogruppe gehören, während sie an anderen Schulen kaum zu finden sind. Wie mit dieser Ungleichverteilung umzugehen ist, muss Einzug in die Debatte finden. Einzelschulen können hiermit nicht alleingelassen werden, weil sie dieses Problem kaum allein lösen können. Ein weiteres organisatorisches Problem für Schulen ergibt sich gerade in den größeren deutschen Städten, wo es eine drängende kommunalpolitische Aufgabe ist, genügend Schulplätze vorzuhalten. Durch die Belastung der Kommunalfinanzen durch die Corona-Krise könnte es hierbei zu mittel- und langfristigen Finanzierungsproblemen kommen, die sogar Einfluss auf die Pädagogik an Schulen haben könnte.
Literatur
Baumert, Jürgen, Petra Stanat und Rainer Watermann (2006). Schulstruktur und die Entstehung differenzieller Lern- und Entwicklungsmilieus. S. 95–188 in: Baumert, Jürgen, Petra Stanat und Rainer Watermann (Hg.), Herkunftsbedingte Disparitäten im Bildungswesen: Differenzielle Bildungsprozesse und Probleme der Verteilungsgerechtigkeit. Vertiefende Analysen im Rahmen von PISA 2000. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Berlin Institut für Bevölkerung und Entwicklung (2019). Die demografische Lage der Nation. Wie zukunftsfähig Deutschlands Regionen sind. Berlin. Berlin Institut für Bevölkerung und Entwicklung.
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Helbig, Marcel und Rita Nikolai (2019). Bekommen die «schwierigsten» Schulen die besten Lehrer? Eine explorative Studie über den Zusammenhang von Schulqualität und sozialer Zusammensetzung von Schulen am Beispiel Berlins. WZB Discussion Paper P 2019-002.
KfW Research (2019). KfW-Kommunalpanel 2019. Frankfurt a. M. KfW Bankengruppe.
Kuntz, Benjamin, Julia Waldhauer, Johannes Zeiher, Jonas D. Finger und Thomas Lampert (2018). Soziale Unterschiede im Gesundheitsverhalten von Kindern und Jugendlichen in Deutschland – Querschnittergebnisse aus KiGGS Welle 2. Journal of Health Monitoring 3: S. 45–63.
Nikolai, Rita, Marcel Helbig und Heiko Wulschner (2019). Die vernachlässigte Rolle von »Beton« bei der Umsetzung von Schulreformen. S. 582–593 in: Berkemeyer, Nils, Wilfried Bos und Björn Hermstein (Hg.), Schulreform. Zugänge, Gegenstände, Trends. Weinheim/Basel: Beltz.
RKI (2015). Gesund aufwachsen – Welche Bedeutung kommt dem sozialen Status zu? Zahlen und Trends aus der Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Robert Koch Institut. 1/2015.
StBa (2020). Genesis Online – Regionaldatenbank. Statistisches Bundesamt.
Stiftung Lesen (2019). Vorlesen: Mehr als Vor-Lesen. Vorlesestudie 2019 – Vorlesepraxis durch sprachanregende Aktivitäten in Familien vorbereiten und unterstützen. Stiftung Lesen.
Der Autor
Marcel Helbig ist Professor für Bildung und Soziale Ungleichheit an der Universität Erfurt und Senior Researcher am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit sozialen Ungleichheiten und Geschlechterungleichheiten im Schulsystem. Er promovierte an der Humboldt-Universität zu Berlin zum Wandel geschlechtsspezifischen Bildungserfolgs in Deutschland. Darüber hinaus forscht er zur deutschen Schulpolitik in einer bundesländervergleichenden Perspektive und Fragen der sozialräumlichen Ungleichheit in Städten und Schulen.
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