Geschichte der Kapverdischen Inseln (E-Book). Daniel Moser-Léchot

Geschichte der Kapverdischen Inseln (E-Book) - Daniel Moser-Léchot


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Aus den Sklaven und Sklavinnen, die früher lediglich eine Handelsware waren, wurden nun Produktivkräfte auf den Inseln.58

      Die Urkunde setzte den Akzent auf den Agrarhandel. Das Land war aber nicht einfach frei nutzbar, sondern der König formulierte die Regeln der Besitznahme in Form der «Sesmaria». Die Sesmaria war ein königliches portugiesisches Gesetz aus dem Jahre 1375: Adelige, aber auch Bürgerinnen und Bürger, konnten vom König Land geschenkt bekommen, mussten sich jedoch verpflichten, das Land während mindestens fünf oder zehn Jahren zu nutzen. Mit dem geschenkten Boden allein war allerdings noch keine produktive Landwirtschaft zu betreiben, nun brauchte es neben den Investitionen in Werkzeuge solche in Arbeitskräfte, das heisst in Sklaven und Sklavinnen.

      Die Sesmaria schaffte Allodialbesitz, also Eigengüter. Die Inseln im kapverdischen Archipel können in zwei Kategorien unterteilt werden:

      •Die östlichen und nördlichen Inseln Santo Antão, São Nicolau, Sal, Boa Vista, Maio und Brava gehörten einem Herrn, die Bewohner waren von ihm abhängig (monopropiedade).

      •Santiago und Fogo gehörten verschiedenen Herren (pluripropiedade) und waren wirtschaftlich weit dynamischer als die anderen Inseln. Die Herren dieser Inseln verfolgten die Tendenz, die Erträge ihres Landes nach Portugal zu transferieren und nicht im Lande zu reinvestieren.

      Zur Entstehungsgeschichte des kapverdischen Crioulo gibt es drei Theorien: Entstehung aus den europäischen Sprachen, aus afrikanischen Sprachen abgeleitet oder schliesslich die Entwicklung aus den besonderen lokalen Verhältnissen auf Cabo Verde. Heute wird die Auffassung vertreten, dass es aus einem Pidgin, einer Befehlssprache der Sklavenhalter gegenüber den Sklavinnen und Sklaven, entstanden sei. Aus dem Pidgin entwickelte sich in der Folge das Crioulo, das als eigene Sprache anzusehen ist. Zwar basiert der Wortschatz des Crioulo zu 80 Prozent auf einem älteren Portugiesisch, aber es ist für die Menschen portugiesischer Muttersprache nicht verständlich. Die Crioulo-Varietäten der verschiedenen Inseln unterscheiden sich zudem deutlich.59

      Das Crioulo wurde von den Geistlichen auch im Unterricht der Sklavinnen und Sklaven in der christlichen Religion angewendet. Die Interessen der Kirche und diejenigen der Sklavenhändler standen in einem gewissen Widerspruch: Während die Kirche zugunsten des Seelenheils der Sklavinnen und Sklaven auf eine rasche Taufe drängte, wollten die Sklavenhändler einen möglichst raschen Transport von Afrika nach Amerika, da die Sterberate mit der Dauer der Reise deutlich anstieg. Ein zentrales Thema für die Kirche war die Taufe der Sklavinnen und Sklaven: Die Jesuiten empfahlen eine erste Massentaufe und später – nach einer gewissen Unterweisung – eine zweite Taufe mit dem Sakrament und dem christlichen Namen.

      Der kirchliche Unterricht führte zu längeren Aufenthalten in den Verschiffungshäfen und verzögerte damit die Überfahrt nach Amerika. Die Kirche setzte schliesslich 1580 die Regelung durch, dass die Sklavinnen und Sklaven vor der Überfahrt unterwiesen und getauft werden mussten. Die Institution der Sklaverei wurde im 16. und 17. Jahrhundert von der Kirche nicht in Zweifel gezogen. Padre Barreira meinte, dass es ohne Sklaverei nicht gehe; Weisse könnten unter den klimatischen Bedingungen der Tropen nicht arbeiten. Doch solle man Sklavinnen und Sklaven freilassen, wenn sie während einigen Jahren gute Dienste geleistet hätten. Da die Sklavinnen und Sklaven auf Cabo Verde verschiedenen Ethnien Westafrikas angehörten (Wolof, Mandingua, Serer, Lebus, Peul, Jule, Malinke, Balanta, Bambara, Soninke, Tukulor usw.; keine dieser Ethnien war dominant), die sich untereinander nicht verstanden, war eine allgemein verständliche Sprache zur Kommunikation notwendig. Die einzelnen Sklavenhalter versuchten daher, Sklavinnen und Sklaven aus der gleichen Sprachgruppe aufzukaufen; Portugiesisch oder Kreol sprechende Sklavinnen und Sklaven erzielten zudem auf den Märkten höhere Preise.

      Padre Alonso de Sandoval beschrieb 1600 bis 1613 die Missionierung von Sklavinnen und Sklaven auf Cabo Verde, die aus Guinea stammten und weiter nach Cartagena in Südamerika verschickt wurden. Diese Sklavinnen und Sklaven würden teilweise Portugiesisch oder Crioulo sprechen, da sie auf Cabo Verde geboren und als Kinder getauft worden waren.60

      In der Regel wurden zwei Gruppen von Sklaven und Sklavinnen unterschieden: Die boçais stammten direkt aus Guinea, die ladinos waren Kinder von Sklavinnen und Sklaven aus Kap Verde. Padre Fernão Guerreiro berichtete über Massentaufen von 300 bis 700 boçais auf den Kapverden, die meisten wurden weiter nach Brasilien oder Sevilla verschickt. Schon vor der Taufe erhielten sie christliche Vornamen. Francisco de Moura, Gouverneur zwischen 1620 und 1622, wollte gewisse Regeln einführen: Die Sklavinnen und Sklaven sollten sofort getauft werden, spätestens auf Cabo Verde, und zwar vor der Verschiffung nach Amerika, da sie sonst möglicherweise auf der Überfahrt ungetauft starben. Zuweilen wurden die Taufen bereits an der Guineaküste, in Cacheu, durchgeführt. Sie dienten der Legitimation des Sklavenhandels als Weg zur Rettung der Seelen.

      Man versprach sich mit dem Sprach- und Religionsunterricht offensichtlich auch eine gewisse Domestizierung der Sklavinnen und Sklaven. Mit ihrer zahlenmässigen Überlegenheit auf den Inseln wuchs die Angst der weissen Siedler und Siedlerinnen vor Revolten und Überfällen auf die Herrenhäuser. Neben dem offiziellen Sklavenhandel mit Gebühren und Taufen gab es auch einen illegalen Sklavenhandel ohne Gebühren und ohne Taufen. Noch 1699 verbot der portugiesische König die Verschiffung von ungetauften Sklavinnen und Sklaven nach Amerika – ohne dies allerdings auch wirklich durchsetzen zu können.

      Bereits die Entdecker Luigi Alvise Cadamosto 1456 und Diogo Gomes 1460 beschrieben die besondere topografische Situation des Ortes, an dem später die Siedlung von Ribeira Grande auf der Insel Santiago entstand. Der heutzutage ausgetrocknete Fluss müsste gemäss Cadamosto selbst mit grossen Schiffen befahrbar gewesen sein. Die Stadt des 15. Jahrhunderts konzentrierte sich auf das kleine Flussdelta und die weniger steile rechte Talseite.

      1513 gab es in Ribeira Grande (Santiago) bloss 58 weisse und 17 schwarze Vizinhos (Nachbarn) neben 58 Auswärtigen aus Portugal, 17 Kleriker, vier weisse Witwen und zehn freie schwarze Frauen. Die verheirateten Frauen und die Kinder wurden in dieser Statistik nicht erfasst. Im 16. Jahrhundert wuchs die Bevölkerung von Ribeira Grande stark an: 1582 waren es bereits 508 Freie und rund 5700 Sklavinnen und Sklaven; insgesamt zählte die Stadt 6208 Einwohner und Einwohnerinnen, ähnlich wie die Stadt Bern zu dieser Zeit. Ribeira Grande war eine Männerstadt. Im 18. Jahrhundert ging die Bevölkerungszahl stark zurück: 1731 zählte die Stadt nur noch 733 Einwohner und Einwohnerinnen.61

      1533 wurde Ribeira Grande als cidade, also als Stadt qualifiziert, während Praia bloss als vila (Siedlung) galt. Der pelourinho (Gerichtsstätte, Pranger) war Symbol der Gemeindeautonomie, Ort der lokalen Rechtsprechung und Zentrum des Sklavenmarktes (der Stein des heute noch bestehenden Pelourinho stammt aus Portugal). Ribeira Grande verfügte nun über eine câmara municipal (Stadtverwaltung) und einen von der örtlichen Elite gewählten Gemeinderat.62

      Die königliche carta de foral (Stadtrecht) regelte die Beziehungen zwischen den Bewohnerinnen und Bewohnern einer Siedlung und zwischen diesen und der Herrschaft (König, Adeliger oder Kleriker). Reformen betreffend Verwaltung und Regierung der Stadt gab es unter König Manuel I (1504–1520). Sie regelten dann auch die Verwaltung und Regierung der Stadt. Die Institutionen einer Cidade (mit Gemeinderäten, Richtern und Versammlungen) und einer Vila sind nicht grundsätzlich verschieden. Mit der steigenden wirtschaftlichen Bedeutung der Städte mischten sich König und Hochadel immer stärker in die Belange der Gemeinden ein.63

      Die spätgotische Kirche Nossa Senhora do Rósario ist die älteste Pfarrkirche südlich der Sahara und wurde kurz vor 1500 vollendet. Inner- und ausserhalb der Kirche findet man zahlreiche Grabplatten von Fidalgos aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Noch heute ist die Pfarrkirche mit den traditionellen portugiesischen Keramikplatten (azulejos) ausgestattet. In erhöhter Lage stehen die Kirche der Nossa Senhora de Conceição der Franziskaner und die Ruinen ihres Klosters


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