Reden wir über Geld. Niki Lauda

Reden wir über Geld - Niki Lauda


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Rennsport begonnen, wo Leistung und Einkommen direkt verlinkt sind. Wenn ich nicht gewinne, kriege ich kein Geld. Ich bekam die Rechnung für meine Leistung immer sofort präsentiert.

      Dieser Leistungsgedanke fehlt mir in unserem Sozialsystem. Da gibt es Konstellationen, wo Menschen mit null Leistung Geld bekommen. Ich will über diese Menschen nicht urteilen. Erstens sind manche vielleicht unverschuldet in Not geraten und auf unser Sozialsystem angewiesen. Andere wiederum haben möglicherweise gar kein Interesse daran, sich anzustrengen und Leistung zu erbringen. Vielleicht wollen sie nur die Vöglein anschauen, das Leben genießen und keine Arbeit dabei haben.

      Es heißt ja, wie jemand über Geld denkt, bestimmt auch seinen Umgang damit. Wer sich Scheine vorstellt, möchte reich werden und muss sich vor der Gier in Acht nehmen. Wer Münzen vor sich sieht, ist eben ein Münzen- oder Erbsenzähler. Wer beim Thema Geld emotional wird, lässt sich bei seinen Entscheidungen von Gefühlen statt von Fakten leiten.

      Ich sehe, wenn ich an Geld denke, nur Zahlen. Diese Zahlen stehen jeweils für Ziele. 115,8 Millionen Dollar für eine Triple Seven, 3.275 Euro für einen Hochzeits-Maßanzug, 26 Euro für mein Frühstück im Café Imperial. Alles Ziele, die mir das Geld wert sind. Wobei sich mein Lebensstil natürlich auf hohem Niveau abspielt.

      Obwohl ich mir in der Schule nur eine einzige Jahreszahl gemerkt habe – 1866: die Schlacht von Königgrätz – und ein schlechter Rechner war, habe ich mit der Zeit ein besonderes Verhältnis zu Zahlen entwickelt. Heute merke ich mir jede Zahl, oft bis auf die letzte Kommastelle. Ich schaue mir die Zahl an und habe sie im Kopf.

      Das war gerade bei Verhandlungen oft ein wichtiger Punkt. Da kam ich viel schneller weiter, weil ich nicht dauernd in Unterlagen blättern und suchen musste. Ich konnte mich immer auf mein Zahlengedächtnis verlassen. Ich habe alle relevanten Zahlen, aus all meinen bisherigen Verträgen der letzten vierzig Jahre, da oben im Kopf gespeichert. Ich könnte sie jederzeit abrufen. Ähnlich wie der Tiroler Immobilieninvestor René Benko, der gerne erzählt, dass es in seinem Kopf ständig rechnet.

      Für mich persönlich war Geld auch nie ein Machtinstrument, in keiner Weise. Je mehr Geld im Spiel ist, desto wichtiger ist es, mit den Füßen auf dem Boden zu bleiben, selbst das beste Beispiel abzugeben. Als Luftfahrtunternehmer zum Beispiel war für mich immer klar: Der Chef hat das kleinste Büro von allen. Er fliegt die wichtigen Strecken selbst. Er ist »part of the game«, denn nur wer mittendrin steht, ist für seine Mitarbeiter auch glaubwürdig.

      Mich wundert manchmal, dass viele Unternehmer eine ganz andere Auffassung von ihrem Job haben. Sie agieren so, als wäre fremdes Geld weniger wert als das eigene. Für mich ist es genau umgekehrt. Für fremdes Geld trage ich noch größere Verantwortung.

      Verantwortung ist ein gutes Stichwort. Das Leben, das ich führe, ist ein Ergebnis aus meinen Gedanken, meinen Worten, meinen Handlungen. Dafür trage ich die persönliche Verantwortung. Geld ist immer eine Folge meiner Gedanken, meiner Worte, meiner Handlungen.

      Ich habe in diesem Buch – basierend auf vielen Gesprächen mit Conny Bischofberger – die markanten Stationen meines Lebens unter dem Gesichtspunkt des Geldes beleuchtet.

      Reden wir über Geld! Es lohnt sich.

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      ERSTE GESCHÄFTE

      »Seinen eigenen Weg gehen, auch gegen Widerstände. Das Geld folgt dann schon.«

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      Ich, Andreas Nikolaus Lauda, wurde im Nachkriegswien 1949 in eine Industriellenfamilie hineingeboren. Gehobenes Großbürgertum, gediegener Lebensstil. Wir wohnten in einer schönbrunnerfarbenen Villa mit Park und Pool in Pötzleinsdorf, und meine früheste Erinnerung ist, dass ich heimlich die Limousinen unserer Gäste umgeparkt habe, während im Salon der Tee serviert wurde. Kindheitsfotos zeigen mich als zartes Bürscherl mit vorstehenden Zähnen, eingeklemmt zwischen Mama und Bruder im Loden-Janker. Meine Mutter fuhr regelmäßig zu einem Zahnarzt hinter dem Wiener Rathaus mit mir, wo ich jahrelang mit Regulierungen gequält wurde. Vom Typ her war ich eher ein Weichling, oder wie man in Wien sagt: Ein Seicherl.

      Meine Eltern Ernst-Peter und Elisabeth lernten einander am Arbeitsplatz meines Vaters kennen, in der Neusiedler Papierfabrik, die 1793 gegründet worden war. Generaldirektor war nach dem Ersten Weltkrieg Dr. Emil von Linhart, Vater dreier Töchter. Die mittlere, Elisabeth, heiratete meinen Vater, den Prokuristen Ernst-Peter Lauda, der später selbst Generaldirektor wurde.

      Ich und mein jüngerer Bruder Florian wurden von Kindermädchen erzogen, es gab eine Köchin, und mein Vater hatte einen dunkelblauen Buick Skylight – später dann einen Dienst-Mercedes 300 – mit Chauffeur. Der Fahrer brachte meinen Bruder und mich zur Schule. Ich bat ihn jedes Mal, doch bitte ums Eck stehenzubleiben, ich wollte nicht mit Chauffeur vorfahren. So gescheit war ich damals schon.

      Ich bin wohlerzogen aufgewachsen, finanziell fehlte es uns an nichts. Der Reichtum wurde bei den Laudas aber nicht nach außen getragen, er war etwas Hintergründiges, Geheimnisvolles. Als ich ungefähr zehn war, fragte ich meinen Vater: »Wie viel Geld haben wir eigentlich?« Er erhob seinen Zeigefinger und sagte: »Pass auf! Über Geld spricht man nicht. Und wenn du noch einmal fragst, kriegst ein paar Watschen.«

      Wir fuhren einmal im Jahr auf Urlaub, nichts Besonderes, bescheiden eigentlich. Ich glaube, wir bekamen nicht einmal Taschengeld. Der sorgsame Umgang mit Geld war in meinem Elternhaus mit seinen gewachsenen Werten und ererbtem Besitz eine Grundregel. Keine unnötigen Ausgaben, lautete die Devise. Und schon gar nicht schmiss man das Geld zum Fenster hinaus.

      Mein Großvater bewegte sich schon eher wie ein echter Millionär. Er war der Vorzeige-Industrielle im Land und wohnte in einem Ringstraßenpalais mit livrierten Dienern, die schwarze Uniformen und weiße Handschuhe trugen. Hans Lauda war Generaldirektor der Veitscher Magnesitwerke. 1938 entließen ihn die Nazis, nach dem Krieg kehrte er jedoch wieder auf seinen Posten zurück. Als Präsident der österreichischen Industriellenvereinigung zählte er zu den Wegbereitern der Sozialpartnerschaft und des Wirtschaftswunders. Er war bis 1974 auch Präsident des Roten Kreuzes und war deshalb persönlich bekannt mit Fürstin Gracia Patricia, die in Monaco Rot-Kreuz-Präsidentin war. 1956 organisierte er die Hilfe für Tausende Ungarnflüchtlinge. Ich war damals erst sieben, aber ich weiß aus Erzählungen meiner Mutter, dass alle in der Lauda-Familie Kleider sammeln und Pakete schleppen mussten.

      Wenn Großvater mit seinem wunderschönen dunklen Jaguar Mark X, Kennzeichen »W 313«, bei uns vorfuhr, schlug mein Herz höher. Manchmal kletterte ich heimlich ans Steuer seines Wagens und drehte ein paar Runden im Garten.

      Sein Auto war ein Traum, aber als Mensch war mein Großvater ein Tyrann. Der Alte terrorisierte mit seiner Dominanz die gesamte Familie. Als ich in seinem Anwesen in St. Moritz, wo wir als Kinder skifahren lernten, einmal das Stiegengeländer hinuntergerutscht bin, hat er mich wegen eines angeblichen Kratzers niedergebrüllt. Unsere Geburtstage wusste er nur durch seine Sekretärin. Da verteilte er Kuverts, in denen ein paar 100-Schilling-Scheine waren, und eine Karte mit seiner Unterschrift drauf.

      Später, als ich schon wusste, dass ich einmal Rennfahrer werden wollte, schimpfte er, dass das ein »Trottelsport« sei. Legendär sein Ausspruch, dass ein Lauda nicht auf der Sportseite der Kronen Zeitung stehen müsse, sondern im Wirtschaftsteil der Presse. Noch viel später verwendete ich meine ganze Energie darauf, ein Anti-Lauda zu werden. Mein Großvater diente mir dabei als Reibungsfläche.

      Mein erstes eigenes Geld habe ich mit Schneepflügen verdient. Im Schöller-Park in Hirschwang an der Rax, wo sich die Betriebsstätte der Neusiedler AG befand, gab es einen Räumdienst, da hab’ ich mich gemeldet. Für jede Nachtstunde, die man auf dem Traktor mit Riesenschaufel fuhr und Schneeberge wegschaffte, gab es 12 Schilling. Man brauchte dafür auch keinen Führerschein. Mir ging es mehr ums Traktorfahren als ums Geldverdienen. Das Geld war die angenehme Nebenerscheinung einer Tätigkeit, die mich ausfüllte. Diese Regel hat sich in meinem Leben noch sehr oft bestätigt.

      Als ich 16 war, erfuhr


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