Reden wir über Geld. Niki Lauda

Reden wir über Geld - Niki Lauda


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sich gar nicht mehr, weil sie sich so ärgern. Beides ist schlecht, also mache ich manchmal auch solche Termine.

      Wenn Medien anfragen, von denen ich noch nie in meinem Leben etwas gehört habe, dann recherchiert Sanja, was das für Medien sind, wie lange es sie schon gibt, wie viel Auflage sie haben, welche Blattlinie und so weiter.

      Nur eines machen wir prinzipiell nicht: Interviews für Nullnummern! Der Name sagt ja schon alles. Da wirst du zur Nullnummer gemacht. Klar ist ein Lauda gut fürs Renommée der Testausgabe von Magazinen, die dann sowieso nie auf den Markt kommen, aber dafür vergeude ich wirklich nicht meine Zeit.

      Stichwort Zeitvergeudung: 1975 bemühte sich der österreichische Schriftsteller Peter Handke zum Nürburgring, um mich für ein Spiegel-Essay zu porträtieren. Ich war damals 25 und lebte natürlich in meiner Rennfahrerwelt. Ich habe mich wirklich bemüht, seine künstlerisch-intellektuellen Ansätze für das Gespräch zu verstehen, aber in Wahrheit war mir die ganze Zeit schleierhaft, was er überhaupt von mir wollte. Ich bin ihm nicht böse, aber er schrieb unter dem Titel »Das Öl des Weltmeisters«– ich weiß bis heute nicht, wie diese Schlagzeile gemeint war – Sätze wie diese: Lauda, über anderes befragt als über Technisches (in allen Bedeutungen dieses Wortes) definiert dieses andere immer nur mit dem Wort, das dafür verwendet wird: Das heißt, außerhalb der technischen Sprache redet er in Tautologien: »Meine Mutter? Meine Mutter ist halt eine Mutter. Die Eltern? Die Eltern sind, wie sie sind«. So, als wäre ich ein Dodel (obwohl ich ehrlich zugebe, dass ich keine Ahnung habe, was Tautologien sind). »Der Rennbahnreporter«, so Handke in seinem salbungsvollen Text weiter, »hat Lauda wie jemanden beschrieben, den es schon lang nicht mehr gibt und dessen lebensechte Nachbildung ein trottelhafter Fremdenführer vor unseren Augen noch einmal ausmottet.« Das Formel 1-Publikum bezeichnete Handke als »tragische, wesenlose, nicht einmal gerichtsbekannte Bierbäuche ohne Lebensgeschichte.« Das einzig Lustige in dem Essay war, dass er eine Gedankentechnik beschrieb, die ich mir beim Rennfahren zugelegt hatte. Ein Grand Prix war 300 Kilometer, was der Strecke Wien-Salzburg entsprach. Um das Zeitgefühl nicht zu verlieren, sagte ich mir, während ich so im Kreis fuhr: »Jetzt bin ich schon in St. Pölten.«

      Ein positives Porträt über mich und die Formel 1 war das wohl nicht. Ich glaube, dass er meine Welt nicht verstanden hat, und ich seine nicht. Wir sprachen einfach nicht dieselbe Sprache. Ist passiert und nicht weiter tragisch. Ich kann damit leben. Ich habe mich nur geärgert, dass ich mit ihm überhaupt meine Zeit verplempert habe.

      Einer amerikanischen Journalistin hingegen habe ich einmal einen kleinen Streich gespielt, der sehr zeitintensiv war. Sie arbeitete für eine von diesen US-Morningshows, die wollten mich an der Unfallstelle am Nürburgring interviewen. Mir war klar, dass sie mit einem großen, emotionalen Lauda-Moment spekulierten und dachten: Der wird jetzt sicher weinen, wenn er in der Kurve bei Kilometer 10,7 steht, in der er fast verbrannt wäre. Deshalb habe ich mir vom Frühstücksbuffet meines Hotels ein braunes Laugenkipferl mitgenommen und vorher ins Gras gelegt.

      Die Journalistin – groß, blond, alles dran – fragte mit bedeutungsvoller Miene: »How is it to be here …«

      Ich unterbrach sie – »Just a moment!« – und ging ein paar Schritte ins Gras.

      »What are you doing?«

      Ich sagte: »Oh, look! Here’s my ear!«

      Die war fertig, sie hat komplett die Fassung verloren. Sie mussten alles noch einmal drehen. In diesem Moment spürte ich eine kindische Schadenfreude. Ich hatte ihnen die Show vermasselt. Der Retake war mir die Zeit wert …

      Normalerweise finde ich Vergnügen aber eher daran, Zeit einzusparen und Wege abzukürzen. Als wir zum Beispiel am Flughafen Wien-Schwechat mein Büro für meine zweite Fluglinie Flyniki bauten, fand in unserer provisorischen Zentrale bei der »General Aviation« eine Besprechung statt. Gleich zwölf Herrschaften, allesamt Experten des Baufaches, traten an, um mich in allen Details über die Baufortschritte zu unterrichten.

      Ich wurde schnell unruhig, denn ich brauchte als Nicht-Experte schon einige Konzentration und Fantasie, um den Ausführungen halbwegs folgen zu können. Schließlich hatte ich genug. »Wie wäre es denn, wenn wir uns das alles an Ort und Stelle ansehen?«, fragte ich in die Runde.

      Die zwölf Herrschaften nickten geflissentlich. Schließlich war ich ihr Auftraggeber, ich war derjenige, der die Rechnung zahlte. Wie in einer skurrilen Filmszene zückten sie alle ihre Terminkalender, um mit gerunzelter Stirn nach Zeitfenstern zu suchen.

      Es war klar, dass ein gemeinsamer Termin, wenn überhaupt, frühestens nach Weihnachten zustande käme (wir hatten gerade Anfang August), aber sie hatten mich ohnedies falsch verstanden. Ich hob eine Hand. »Nein, nein«, sagte ich. »So war das nicht gemeint. Was halten Sie davon, wenn wir einfach gleich da hinaus fahren, wir alle miteinander? Jetzt, auf der Stelle? Dann wäre die Sache rasch vom Tisch.«

      Während ich das sagte, stand ich schon auf. Die Zwölf sahen mich verdutzt an, doch es dauerte noch ein paar Schrecksekunden, bis sich ein jüngerer Mann meldete. »Ich habe einen Schlüssel dabei«, sagte er. »Also warum eigentlich nicht?«

      Wir stiegen in unsere Autos und fanden uns kurze Zeit später in meinem künftigen Büro ein, das zu diesem Zeitpunkt noch aus Beton und ein paar halbfertigen roten Ziegelwänden bestand. Als die Zwölf hier ihre Ausführungen fortsetzten, konnte ich ihnen viel leichter folgen, mit viel weniger Aufwand an Konzentration und Fantasie. Zum Beispiel bemerkte ich, dass die Arbeiter gerade eine Wand an der falschen Stelle errichteten. Da, wo sie gerade aus dem Boden wuchs, wäre sie schlicht und einfach eine Fehlkonstruktion gewesen.

      Wir konnten den Fehler an Ort und Stelle beheben. Wir sagten es einfach den Maurern, und die Sache war erledigt.

      Gegen einen Terminkalender, wie ihn die zwölf Herren bei sich trugen, habe ich mich lange gewehrt, ich hatte meine Sachen ohnehin immer im Kopf. Aber seit ein paar Jahren trage ich alle Termine am iPhone ein. Sanja baut selbstständig Termine ein, sie sieht meine, ich sehe ihre, das funktioniert perfekt. Am Abend werfe ich einen Blick ins Handy und schaue mir an, wie der nächste Tag aussieht. Dann habe ich alle Zeitfenster im Kopf, ich weiß von jedem Termin, wie lange er genau dauert, wann der nächste beginnt, wann dazwischen Zeit bleibt, zu telefonieren oder Mails zu checken.

      Diese Zeitbesessenheit muss ich mir im Rennsport angeeignet haben, wo Geschwindigkeit der Maßstab deines Erfolges ist.

      Es war im Frühling 1975, da tat Jenzey, mein Salzburger Cousin, eines Tages ganz geheimnisvoll und fuhr mit mir zum Flughafen. Dort zeigte er mir eine einmotorige Cessna 150. »Die habe ich gemietet«, erklärte er ganz stolz, »und jetzt fliegen wir los!« Jenzey hatte gerade den Pilotenschein gemacht und wollte mit mir, dem Ferrari-Piloten, einen Sightseeingflug über das Inntal absolvieren. Wir drehten ein paar Runden am Himmel über der Stadt und dann weiter Richtung Innsbruck. Der Blick über beide Seiten der Alpen ließ mich plötzlich eine Direttissima zwischen Salzburg und Ferrari erahnen. Die Vorstellung ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Mit einer Zweimotorigen, so sagte ich mir, könnte ich die sechs Stunden Autofahrt nach Bologna ganz leicht auf eine Stunde reduzieren.

      Ich hatte nie einen Traum vom Fliegen, und schon gar nicht betrachtete ich Fliegen als ein erstrebenswertes Hobby. Ich wollte schneller sein. Ich wollte Zeit sparen.

      Weil ich damals schon halbwegs Geld verdiente, schaffte ich eine Cessna Golden Eagle an, hatte meinen eigenen Piloten und lernte beim Mitfliegen die Praxis. Ich wurde Flugschüler und meine bevorzugte Strecke war Salzburg-Bologna. Das machte gleich doppelt Sinn.

      So kam ich zur Fliegerei, machte einen Schein nach dem anderen und gründete vier Jahre später als erster Formel 1-Fahrer und Berufspilot eine Fluglinie.

      MEIN ERSTER KREDIT

      »Der Konflikt mit meinem Großvater hat mich ein Leben lang geprägt. Ohne die Steine, die er mir in den Weg gelegt hat, wäre ich vielleicht nie zu dem Kämpfer geworden, der ich heute bin.«

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      Zeltweg, 15. August 1971. Großer Preis


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