Reden wir über Geld. Niki Lauda

Reden wir über Geld - Niki Lauda


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den Hausgebrauch keine so große Sache sei. Eine Schülerin aus meiner Klasse überließ mir ihr Original, meldete den Verlust ihres eigenen Zeugnisses und kriegte ein Duplikat. In der Bank hinter mir saß ein Kollege, der meinte: »Ich kann dir das Zeugnis umbauen.« Er nahm Radiergummi und Tintentod, löschte den Namen der Schülerin aus und schrieb Andreas N. Lauda an die Stelle. Mit diesem wirklich miserabel gefälschten Zeugnis fuchtelte ich vor den Augen meiner Eltern ein paar Mal hin und her; alle waren happy. Es ertönte ein einziger Jubelruf: Der Niki hat maturiert! Ich hab’s dann zerrissen und konnte mich wichtigeren Dingen zuwenden.

      Dem ersten Geldgeschäft meines Lebens zum Beispiel: Den reparierten Mini tauschte ich dann tatsächlich gegen den Mini des Staatsmeisters ein. Baumgartner wollte aber für das Rennauto noch 20.000 Schilling extra, obwohl der Motor kaputt war. Ich lud ihn in die Pötzleinsdorfer Straße ein, was meine Bonität drastisch erhöhte. Dort bauten wir den Motor des dunkelblauen Wagens mit weißem Dach nach und nach zusammen und schliffen die Ventile ein. Mein erstes Rennauto dürfte um die 100 PS gehabt haben, beim ersten Rennen, 1968 in Mühlacken, landete ich gleich auf Platz zwei.

      Als Baumgartner unsere altehrwürdige Villa erblickt hatte, gab es für ihn keinen Zweifel, dass er die 20.000 Schilling auch irgendwann bekommen würde. So bin ich – nach einem abenteuerlichen finanziellen Seiltanz – ein Rennen nach dem anderen gefahren. Porsche, Formel V, Formel 3, Formel 2.

      Der Oma beichtete ich später, dass ich kein Grundstück gekauft hatte mit ihrem Geld. Sie war kurz sehr böse, verkraftete es dann aber schnell. Meine erste Investition – halt nicht in ein Grundstück – war ja auch kein schlechtes Geschäft gewesen.

      Baumgartner aber pilgerte irgendwann zu meinem Vater in die Firma und verlangte seine 20.000 Schilling. Der alte Herr machte einen Tango. Er zahlte schließlich unter der Bedingung, dass ich mit dem Rennfahren sofort aufhöre. In Wirklichkeit hatte ich schon zwei Siege in der Tasche. Ich war kein Seicherl mehr.

      Wenn mich meine Kindheit etwas gelehrt hat, dann das: Du musst deinen eigenen Weg gehen, auch gegen Widerstände. Das Geld folgt dann schon. Es folgt aber naturgemäß denen, die vorausgehen, nicht den Herumirrenden, die nicht wissen, was sie wollen. Nur so hatte ich den Sprung in den Rennsport geschafft, wo ich bald sehr viel Geld verdienen sollte. Durch diese Erfahrung war ich Jahrzehnte später als Airline-Gründer auch gerüstet für den Kampf gegen die mächtige AUA.

      Es war der Sommer 1968, ich fühlte mich endlich unabhängig und zog aus der Pötzleinsdorfer Villa aus, um in einer winzigen Salzburger Wohnung zu hausen. Ich hatte mich für den steinigen Weg entschieden.

      ZEIT IST GELD

      »Auf dem schnellsten Weg zum Ziel kommen: Ich musste erst lernen, dass das nicht immer funktioniert.«

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      Fad ist ein Lieblingswort von mir. Es ist sehr wienerisch und drückt auch lautmalerisch aus, dass sich einfach nichts bewegt, dass nichts weitergeht, dass es eben langweilig ist. Ein Zustand, den ich ganz und gar nicht schätze …

      In Gesellschaft zum Beispiel wird mir oft fad. Deshalb reduziere ich meine öffentlichen Auftritte mittlerweile auf ein Minimum. Wenn der Job es verlangt, dann mache ich es zu 100 Prozent. Aber wenn ich es mir aussuchen kann, bin ich sehr strikt. Ich schaue mir die Einladungen, die täglich kommen, genau an und entscheide, was ich machen will und was nicht.

      Diese sogenannten Seitenblicke-Events meide ich. Mich stört einfach der Smalltalk. Sowas kann ich mir nur ein paar Sekunden lang anhören. Dann sage ich, weil ich ja ein wohlerzogener Mensch bin: Entschuldigung, ich muss kurz raus. Dann komme ich nie mehr wieder. Für Smalltalk – das Wort sagt ja schon, dass da nichts Großartiges geredet wird – ist mir meine Zeit zu schade.

      Wenn Birgit und ich mit Bekannten im Restaurant sitzen, kommt auch sehr schnell der Punkt, an dem ich erkenne: Da kommt nichts mehr! Ich habe mir alles angehört, ich habe alles verstanden, was rundum diskutiert wurde, und weiß einfach: Jetzt ist es genug. Trotzdem bleibe ich höflich und frage bei Birgit nach: Kann ich schon die Rechnung bestellen?

      Ich mag es auch im Alltag nicht, wenn herumgeredet wird. Das ist nicht nur fad, das kostet auch viel Zeit. Wenn ich mich nicht auskenne, sage ich: Komm auf den Punkt, worum geht’s eigentlich? Das irritiert viele Leute, die sich erst einmal warmreden wollen. Aber so wurde ich im Rennsport geprägt.

      Dort hatte ich drei Mechaniker, einen Ingenieur und meinen rechten Gasfuß. Je mehr Gas ich gab, desto mehr Geld kam in die Kasse. In der Formel 1 machen extrem ehrgeizige Menschen einen Job, der einzig und allein auf Erfolg ausgerichtet ist. Dann kam ich in die Privatwirtschaft und musste plötzlich Leute motivieren.

      Ich dachte immer, dass sich Probleme lösen, indem man auf dem schnellsten Weg versucht, zum Ziel zu kommen: Ich musste erst lernen, dass das nicht immer funktioniert. Dass es nicht nur rechts und links, nicht nur schwarz und weiß gibt. Heute schenke ich den Grauzonen dazwischen wesentlich mehr Aufmerksamkeit.

      Eines war aber für mich immer klar: Dass ich das, was ich von meinen Mitarbeitern verlange, selber auch vorleben muss. Leading by Example.

      Pünktlichkeit zum Beispiel. Als Airline-Chef lautete meine Bitte an die gesamte Crew, immer pünktlich da zu sein, den Flieger in Ruhe fertig zu machen, ohne Hektik. Ich wollte nicht nur pünktlich, sondern schon früher wegkommen. Denn wenn der erste Flieger um 15 Minuten früher abhebt, dann gibt mir das einen Polster für den ganzen Tag.

      Ich selbst suchte mir immer einen mittleren Flug aus, also zum Beispiel 7 Uhr morgens Wien-Zürich – nicht den früheren und auch nicht den späteren Flug. Nach dem Crew-Briefing fuhr ich allein hinaus zum Flugzeug und beobachtete bei dieser Gelegenheit auch gleich die sechs anderen Flieger davor und danach. Wann waren sie technisch abgefertigt? Wann kam die Crew? Wann war das Catering da? So verschaffte ich mir gleich einen Gesamtüberblick der Lage. Wenn es Probleme gab, verteilte ich sie anschließend, um sie lösen zu lassen.

      Pünktlichkeit lebe ich auch privat. Obwohl mein Terminkalender oft sehr eng ist, komme ich prinzipiell nie zu spät, sondern immer eine Viertelstunde zu früh. Das klingt jetzt aus dem Mund eines Mercedes-Fahrers vielleicht komisch und möglicherweise auch ein bisschen altmodisch, aber ich denke mir: Ich könnte ja auch einen Patschen haben! Deshalb fahre ich lieber etwas früher weg und habe noch etwas Zeit für mich selber. Ich werde nie verstehen, wieso achtzig Prozent aller Menschen völlig hektisch und aufgelöst bei Terminen erscheinen und sich fünfmal entschuldigen, dass sie zu spät dran sind. Manche stellen sich sogar die Uhr zurück, das ist überhaupt absurd. Warum? Um pünktlich zu sein. Warum können sie nicht gleich pünktlich sein? Ist ja nicht so schwer.

      Auf Unpünktlichkeit reagiere ich konsequent. Ich warte fünfzehn Minuten, die akademische Viertelstunde, dann bin ich weg. Weil das meine Zeit ist und weil Unpünktlichkeit extrem unprofessionell ist. Unpünktliche Menschen machen dir ja mit ihrer Disziplinlosigkeit einen ganzen Rattenschwanz von Problemen, weil sich dann alle Termine nach hinten verschieben. Ich mag Leute, die zu früh kommen. Dann kriegen sie, wenn ich mit dem vorigen Termin schon früher fertig geworden bin, vielleicht sogar ein bisschen mehr von meiner Zeit.

      Ein spezieller Fall sind Journalisten. Meine Assistentin, Sanja Jovanovic macht alle meine Termine und koordiniert Interviewanfragen, die nicht direkt zu mir aufs Handy gelangt sind. Wenn ich zu ihr hinkomme, nehme ich einen Sessel, setze mich neben sie und sage: »Was gibt’s?«

      Dann liest sie mir vor, was Menschen alles von mir wollen, und ich sage: Ja, nein, ja, nein. Das muss alles ganz schnell gehen. Ruck-zuck, so funktioniert das bei uns. Sanja kennt meine Prioritäten ganz genau, und sie spricht meine Sprache. Da gibt es kein ärgerliches Gequatsche mit einerseits und andererseits und möglicherweise und vielleicht doch nicht. Wir kommen gleich auf den Punkt. Sanja kennt mich auch schon so gut, dass sie mich bei gewissen Dingen gar nicht mehr fragt. Sie will sich meine Antwort ersparen: »Bitte, Sanja, schmeiß es gleich weg!«

      Wenn sie mich informiert, dass die Zeitung soundso wieder angefragt und dass sie bereits abgesagt hat, dann denke ich mir manchmal, die armen Hunde haben es schon 40 Mal probiert, vielleicht


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