Freche Fee und lustiger böser König. Märchen. Hanns Heinz Ewers

Freche Fee und lustiger böser König. Märchen - Hanns Heinz Ewers


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sei. Die Engel stellten sich dicht um sie herum und hörten aufmerksam zu.

      »Willst du bei uns bleiben?« fragten sie dann.

      »Recht gern,« sagte die Lise, die jetzt schon mehr Mut bekommen hatte. »Wie heißt ihr denn?«

      »Ich heiße Litti!« sagte der erste Engel.

      »Ich heiße Titti!« sagte der zweite.

      »Ich heiße Kitti!« sagte der dritte.

      »Ich heiße Pitti!« sagte der vierte.

      »Und ich heiße Plums, aber sie nennen mich immer den Pausback,« sagte der fünfte.

      »Ich finde, daß ihr recht dumme Namen habt, aber da könnt ihr wohl nichts für! – Was sollen wir spielen?«

      »Sollen wir Vögel fischen?« fragte Litti.

      »Nein,« sagte die Lise, »das ist zu langweilig.«

      »Sollen wir mit den Beinen baumeln?« fragte Titti.

      »Nein,« sagte die Lise, »da werde ich schwindlig.«

      »Sollen wir Ringelreihen tanzen?« fragte Kitti.

      »Nein,« sagte die Lise, »das tun die da unten auch.«

      »Sollen wir Fliegen und Haschen spielen?« frug Pitti.

      »Nein,« sagte die Lise, »ich habe ja keine Flügel!«

      »Dann wollen wir mit den Schäfchen spielen!« sagte der Pausback.

      Damit war Lise einverstanden. So gingen sie also durch das weiße Land, die Lise mit dem Pausback voran, der ihr am besten gefiel.

      »Wo sind wir denn eigentlich?« frug sie.

      »Auf der Milchstraße,« antwortete der Pausback. »Wußtest du das nicht?«

      Sie kamen zu einer weiten weißen Wiese, die dicht voller Gänseblümchen stand. Darauf weideten viele tausend weiße Schäfchen, die kleine Glocken am Halse trugen. Pausback setzte sich auf eins; die anderen Engel und die Lise taten dasselbe; dann ritten sie eine Weile herum. Als sie genug geritten waren, stiegen sie wieder ab, und Titti sagte, daß es nun Zeit zum Melken wäre. Die fünf setzten sich hin, und Lise zu ihnen, und alle fingen an zu melken, ein Schäfchen nach dem anderen. Dabei tranken sie so viel Milch als sie mochten; es blieben aber noch viele Eimer voll stehen.

      »Was macht ihr denn mit der anderen Milch?« fragte die Lise.

      »Damit wird die Milchstraße frisch angestrichen,« sagten die Engel, und alle nahmen große, mächtige Pinsel und begannen den Boden zu tünchen.

      »Seht einmal da!« rief Lise plötzlich, »was kommt da an?«

      Durch die Luft kam ein seltsames kleines Männchen anspaziert. Es hatte einen kugelrunden roten Kopf und eine Brille auf der Nase. In der einen Hand trug es einen Regenschirm, in der anderen ein paar Bücher. Das komischste an ihm aber war sein langer roter Schwanz, der aus den Rockschößen heraushing und viel größer war als das Männchen selbst.

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      Die Engel sahen auf:

      »Das ist ja der Komet,« rief Litti. »Guten Tag, Herr Komet!«

      Dabei machte Litti einen schönen Knix, und die anderen Engelchen machten auch Knixe.

      »Guten Tag, Engelchen.« sagte der Komet, »habt ihr auch brav gelernt? – Wieviel ist dreimal drei?«

      »Neun,« sagte Titti.

      Die Engelchen setzten sich nebeneinander hin, und der Komet fing an, ihnen Rechenstunde zu geben. Das war nun der Lise sehr langweilig; sie meinte, am Sonntage brauche man keine Rechenstunde. Sie stand auf und schlich sich leise hinter den Herrn Komet; dann nahm sie seinen langen roten Schwanz und machte einen großen, dicken Knoten hinein. Endlich nahm sie einem der Schäfchen die Glocke ab und band sie am Ende des Schwanzes fest. Alles das hatte sie so leise gemacht, daß der Komet gar nichts merkte. Die Engelchen hatten es wohl gesehen; aber sie bissen sich in die Lippen, um nicht aufzulachen.

      Als nun die Rechenstunde vorüber war, klappte der Komet seine Bücher zu; er gab den Engelchen die Hand und wollte weggehen; da fing die Glocke an seinem Schwanze zu läuten an. Er sah hinter sich und bemerkte nun auch den großen Knoten. Er wollte ihn wieder herausmachen; aber da er sehr steif war und sein Schwanz noch viel steifer, so konnte er mit der Hand gar nicht hinlangen. Nun bemerkte er die Lise, die ihm den Streich gespielt hatte; er wurde sehr zornig, schimpfte und schrie, nahm seinen alten Regenschirm und wollte sie damit durchprügeln. Der Pausback nahm die Lise bei der Hand; sie liefen weg, so rasch sie nur konnten, und Litti und Titti und Kitti und Pitti mit ihnen. Der alte Komet stolperte hinterdrein; aber da er längst nicht so flinke Beine hatte wie die Engelchen und das kleine Mädchen, so blieb er immer weiter zurück, bis er sie gar nicht mehr sehen konnte.

      Als sie weit genug gelaufen waren, sagten die Engelchen, daß es nun an der Zeit sei, schlafen zu gehen. Sie riefen die Schäfchen, und dann streckten sie sich alle der Länge nach aus, und jedes legte sich mit dem Kopfe auf ein weißes Schäfchen wie auf ein Kopfkissen.

      Am anderen Morgen ritten sie wieder auf ihren Schäfchen, als mit einem Male ein tüchtiger Wind sie von den Tieren herunterblies, daß sie alle ins Gras purzelten. Sie sahen auf und bemerkten in einiger Entfernung einen großen, bärtigen Mann, der mit Fellen bekleidet war und einen Sack über dem Rücken trug.

      »Das ist Boreas, der Nordwind,« rief der Pausback.

      »Der hat noch viel dickere Backen als du!« lachte die Lise.

      Aber als sie sah, daß die Engelchen fortliefen, lief sie auch mit fort.

      Der Riese ließ sie eine Zeit lang laufen, dann zog er die Luft ein, und im Nu wurden die armen Engelchen und das kleine Mädchen zurückgezogen, ob sie sich auch noch so sehr dagegen wehrten.

      »Der Mondmann schickt mich her,« sagte der Nordwind, »ich soll euch alle einstecken und mitbringen. Der Komet war bei ihm und hat sich über eure Streiche beklagt!«

      Damit nahm er die ganze Gesellschaft vom Boden auf und steckte eins nach dem anderen in seinen großen Sack.

      Darin war es nun sehr dunkel und unbehaglich, und wenn die Lise nicht ab und zu die Engelchen an den Haaren gezogen hätte, so hätte sie es vor Langeweile schon gar nicht mehr ausgehalten. Endlich entdeckte der Pausback ein kleines Loch im Sacke und ließ auch Lise heraussehen. Da bemerkten sie dann, daß der schlimme Nordwind wieder über festen Boden ging; er schien einen Berg hinaufzusteigen.

      »Wir sind sicher schon auf dem Monde; gleich kommen wir zum Mondmanne!« sagte Titti und fing zu weinen an.

      Gleich darauf blieb der Nordwind stehen, und die im Sacke eingesperrte Gesellschaft konnte ihn sprechen hören.

      »So, Herr Mondmann,« sagte er, »hier bringe ich Ihnen die kleinen Störenfriede.«

      Damit öffnete er den Sack und schüttete ihn aus, so daß sie alle auf den Boden purzelten. Sie waren oben auf einem hohen silbernen Berge, auf dessen Spitze ein silberner Thron stand. Darauf saß ein alter Mann mit einem spitzen weißen Barte, dessen Gesicht wie eine Sichel aussah. Er trug einen langen silbernen Mantel, der weit über den Thron hinabhing.

      »Nun?« fuhr er die kleine Gesellschaft an, »was habt ihr mit dem armen Kometen angestellt? Er kam weinend her und klagte mir sein Leid, und meine Mondfeen mußten ihm einen großen Knoten aus dem Schwanz lösen! Ist das der Dank dafür, daß er euch so schöne Rechenstunden gibt?«

      Die kleinen Engelchen standen zitternd da; aber keines sagte ein Wort, da sie die Lise nicht verklatschen wollten.

      »Na, wirds bald?« rief der Mondmann. »Wer ists gewesen von euch? Wenn ihrs nicht gleich sagt, lasse ich euch alle wieder in den Sack sperren und hundert Jahre auf dem höchsten Mondberge aufhängen.«

      Da trat die Lise vor, denn sie wollte nicht, daß die kleinen Engelchen ungerecht bestraft


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