Freche Fee und lustiger böser König. Märchen. Hanns Heinz Ewers

Freche Fee und lustiger böser König. Märchen - Hanns Heinz Ewers


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Auch soll sie deshalb weder verbrannt noch aufgehängt werden, und jedermann soll sie in Ruhe lassen. – Nur soll sie natürlich nichts unrechtes tun und alle unsere Untertanen auch hübsch in Ruhe lassen.«

      Darunter stand an der linken Seite die Unterschrift des Kanzlers:

      »von Sanftmut.«

      und an der rechten Seite ein großer Schnörkel, der Krökel I. bedeutete:

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      Die geborene Prinzessin und verwitwete Kakerlak zog also in den Wald und bewohnte eine alte, verfallene Hütte, die in der Nähe der sieben Quellen lag. Jahrein, jahraus studierte sie Latein und nur zwischendurch hexte sie ein bißchen, um nicht ganz aus der Übung zu kommen. Da aber im Sommer rings um ihre Hütte und zwischen den sieben Quellen viele hundert große Büsche gelben Ginsters blühten und da die alte Hexe stets ein gelbes Kleid trug und immer einen blühenden Ginsterzweig in der Hand hatte, so wurde sie von allen nur die Ginsterhexe genannt.

      Der König Krökel der Erste dachte bei sich: »Wenn man nun schon einmal eine richtige Hexe im Lande wohnen haben muß, ohne sie verbrennen zu können, weil sie doch eigentlich zur Familie gehört, so will man doch auch was davon haben!«

      Und deshalb gab er sein einziges elfjähriges Töchterlein zu der alten Kakerlaken in Pension; denn er meinte, es könne einem jungen Mädchen nie etwas schaden, wenn es ein bißchen hexen lernte.

      So kam es also, daß die Prinzessin Fanfrilla in den Ginsterbüschen lag, zwischen der dritten und vierten Quelle, und an einem Filetschürzchen stickte, das sie der alten Ginsterhexe schenken wollte, die ihre richtige Urgroßtante war.

      Die Prinzessin Fanfrilla stickte sehr ungern, und nun gar Filetschürzchen – die konnte sie auf den Tod nicht ausstehen! Aber gerade deshalb, meinte sie, müßte ein Filetschürzchen ein ausgezeichnetes Geburtstagsgeschenk für die Tante Hexe sein, denn die feierte im nächsten Winter ihren fünfundzwanzigsten Geburtstag. Sie war nämlich gerade in einem Schaltjahr am neunundzwanzigsten Februar geboren und deshalb hatte sie nur alle vier Jahre Geburtstag. Das fand die Prinzessin Fanfrilla nun sehr traurig für die arme Urgroßtante, denn einen Geburtstag hielt sie für eine ausgezeichnete Einrichtung wegen des Kuchens und all der schönen Sachen, die man dann kriegte. Geradezu empörend aber fand sie es, daß der Schalttag nun aber noch besonders bei jedem vollen Jahrhundert wieder ausfiel, so daß die arme Urgroßtante dadurch nun schon zwei Geburtstage verloren hatte und also jetzt erst vierundzwanzigmal Geburtstagskuchen bekommen hatte, obwohl sie schon hundertundsieben Jahre alt war. – Diese Sache mit dem Kalender und seinen dummen Schalttagen ist sehr schwer zu begreifen; die meisten Leute wissen es überhaupt nicht und die Prinzessin Fanfrilla hätte es auch ganz gewiß nicht gewußt, wenn sie eben nicht selbst solch einen traurigen Fall in ihrer Familie gehabt hätte, nämlich ihre richtige Urgroßtante, die Witwe Kakerlak, die Ginsterhexe. Ihr Vater, König Krökel I., hatte es bis heute noch nicht begriffen, er meinte, das sei bloß so ein dummer Eigensinn von dem Monat Februar, daß er manchmal achtundzwanzig und manchmal neunundzwanzig Tage habe. Er erklärte, wenn sich das nicht bald ändere, dann werde er eines Tages überhaupt den Kalender abschaffen lassen. Aber die Prinzessin Fanfrilla hatte sich von der Tante Hexe die Geschichte sehr lange erklären lassen und hatte es schließlich verstanden. Das heißt, manchmal vergaß sie es auch wieder und dann mußte sie sehr lange grübeln, bis sie sich an das alles wieder erinnerte. Das Grübeln besorgte sie immer, wenn sie zwischen den Quellen saß und an dem Filetschürzchen häkelte.

      Plötzlich kriegte die kleine Prinzessin den Kribbel in die Finger.

      »Ach!« schrie sie auf, »es ist doch gut, daß die Tante Hexe so selten Geburtstag hat! Sonst müßte ich ja jedes Jahr so ein Filetschürzchen häkeln.«

      Sie seufzte dreimal ganz laut, dann nahm sie ihre Arbeit wieder auf. Da merkte sie, daß sie sich verzählt hatte und eine ganze Menge Maschen wieder aufmachen mußte. Das ist immer recht unangenehm; wenn man obendrein aber noch den Kribbel in den Fingern hat, so ist es sehr schlimm. Die Prinzessin Fanfrilla preßte vor Ärger ihre kleinen Fäustchen fest zusammen, da gab es einen Krach und die gute Holznadel zerbrach in zwei Stücke!

      »O jeh,« rief sie. »Die dumme Nadel!«

      Sie wollte erst weinen, aber sie besann sich. Sie legte die Arbeit zusammen und stand auf.

      »Ich will meinem Papa einen Brief schreiben,« sagte sie. »Er soll den dummen Kerl aufhängen lassen, der die Filetschürzchen erfunden hat.«

      Sie stand auf und schüttelte ihr loses schwarzes Haar.

      »Nein!« fuhr sie nachdenklich fort. »Der Papa soll lieber den Kerl aufhängen lassen, der den Kalender erfunden hat und den greulichen Monat Februar; der hat doch an allem Schuld!«

      Sie lief rasch durch die Ginsterbüsche zu der kleinen Hütte hin und riß die Türe auf. Die alte Hexe saß hinten an einem kleinen Fenster und studierte Latein. Um sie herum lagen dreihundertundsiebenundzwanzig ganz dicke Bücher.

      Die kleine Prinzessin schlich sich leise herein, um die Tante nicht zu stören. Sie nahm ein Stück Papier und schrieb darauf:

      »Lieber Papa König!

      Bitte laß doch den Kalendermann aufhängen, weil er mich beim Filetschürzchenhäkeln immer ärgert und weil er den Februar erfunden hat, der nie richtig geht! Du kannst ihm auch noch extra den Kopf abschlagen lassen.

      Mit kindlicher Liebe

      Deine Prinzessin Fanfrilla.«

      »Tante Hexe!« rief sie, »Ich habe einen Brief an den Papa geschrieben, willst du ihn bitte wegschicken!«

      »Mensa, der Tisch, Mensae, Mensae, Mensam,« murmelte die Witwe Kakerlak. – »Was willst du? Einen Brief absenden? – Gib mal her!«

      Fanfrilla reichte ihr den Brief und die gelbe Hexe nahm den Ginsterzweig, den sie als Zauberstab benutzte, und sang:

      »Kleines Brieflein aus Papier

      Fliege wie ein Fliegetier!

      Flieg zum König hin geschwind

      Grüße ihn von seinem Kind!«

      Dabei schwang sie den Ginsterstab ein paarmal über den Brief. Da schrumpfte der Brief zusammen, flatterte ein wenig hin und her und flog endlich als eine große weiße Motte aus dem Fenster hinaus.

      »Danke sehr, Tante Kakerlak!« sagte die Prinzessin Fanfrilla.

      Aber die Ginsterhexe studierte schon wieder in ihren gelehrten Büchern.

      »Alauda, die Lerche, Alaudae, der Lerche,« murmelte sie.

      Der dicke König Krökel lag in seinem Bett und las vor dem Einschlafen noch die Speisekarte, die der Hofkoch für den nächsten Tag entworfen hatte.

      Da huschte eine dicke Motte heran und setzte sich gerade auf seine Nase. Er jagte sie mit der Hand fort und rief:

      »Stör mich doch nicht, dumme Motte, siehst du denn nicht, daß ich noch tief in der Nacht Staatsgeschäfte erledigen muß?«

      Aber die Motte flog wieder heran und kitzelte ihn mit ihren Beinen vorne am linken Nasenloch. Krökel mußte schrecklich niesen und pustete gerade auf die Motte. Wie sie aber von der königlichen Nase angeblasen wurde, verwandelte sie sich wieder und König Krökel sah zu seinem Erstaunen einen zierlichen kleinen Brief vor sich liegen.

      »Aha!« dachte er, »das war wieder so ein schlechter Witz von der Tante Hexe. – Was gibts denn eigentlich?«

      Er nahm den Brief und las ihn. Dann ergriff er die große Klingel und klingelte. Sogleich kamen alle sieben Minister herein.

      »Der Kalendermann hat meine Nachtruhe gestört,« rief der gekränkte König, »und außerdem mit seinem dummen Februar, den kein Mensch leiden kann, meine geliebte Tochter geärgert! Schickt sofort zum Henker hin, er soll dem Kalendermann erst den Kopf abschlagen und ihn dann aufhängen!«

      Die sieben Minister machten jeder sieben tiefe Verbeugungen und


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