Freche Fee und lustiger böser König. Märchen. Hanns Heinz Ewers

Freche Fee und lustiger böser König. Märchen - Hanns Heinz Ewers


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ich das Filetschürzchen häkelte? – Warum hat man dir denn nicht den Kopf abgeschlagen und dich dann aufgehängt? – Nun? – Ach, mein Vater hat mich nicht mehr lieb!«

      »Es ging nicht!« sagte der Kalendermann zitternd. »Es ging wirklich nicht. Der Henker hat erklärt, wenn er mir den Kopf abschlüge, wäre nichts mehr da zum dran aufhängen! – Deshalb hat mich der König in den Wald geschickt, ich solle dich um Verzeihung bitten. Ich habe alle meine Kinder mitgebracht, die sollen dich auch um Verzeihung bitten.«

      »Wo sind denn deine Kinder?« fragte die kleine Prinzessin.

      Der Kalendermann zog einen großen Hausschlüssel aus der Rocktasche und begann zu pfeifen. Es kam aber nur ein kläglicher, leise quietschender Ton hervor.

      »Gib mal her!« sagte Fanfrilla, »ich kann besser pfeifen wie du!«

      Sie nahm den Hausschlüssel und pfiff so laut, daß es durch den ganzen Wald schallte.

      Da kamen durch die Ginsterbüsche eine Schar putziger Geschöpfe dahergesprungen, die dem Kalendermann eben bis an die Knie reichten. Kaum wurden sie der Prinzessin ansichtig, so fielen sie zugleich mit dem Kalendermann allesamt auf die Knie nieder und schrien aus Leibeskräften:

      »Verzeihung! Verzeihung! Verzeihung!«

      »Ist schon gut!« lachte Fanfrilla, der die Kleinen sehr gut gefallen. »Steht nur wieder auf! Wie heißt ihr denn?«

      Der Kalendermann zeigte auf den größten der Schar. »Das ist mein einziger Sohn,« sagte er stolz. »Jahr heißt er. Und die hinter ihm sind seine Kinder. Der lustige da mit den blonden Locken, das ist der Mai, und der braune in der Badehose der Juli, der mit dem Pelzmützchen heißt Januar und der mit dem Schnupfen, der immer sein Taschentuch in der Hand hält, November – – «

      »Sag mal!« unterbrach ihn die Prinzessin. »Wer ist denn der ganz kleine Magere dahinten, der mit dem Stupsnäschen?«

      »Ach Gott!« antwortete der Kalendermann, »Das ist ja das Schmerzenskind, der Februar.«

      »Komm mal her, Kleiner,« sagte Fanfrilla.

      Der Kleine trippelte heran.

      »Er hinkt ja!« rief die Prinzessin und nahm ihn auf den Arm.

      »Ja,« sagte der Kalendermann, »sein linkes Bein ist nicht in Ordnung. Bald ist es länger, bald kürzer, es ist ein Jammer mit ihm.«

      Die Prinzessin streichelte den Kleinen und sagte:

      »Also du bist der Februar, wegen dem ich die ganze Häkelei von vorne wieder anfangen muß!«

      »Ich kann nix dafür!« brüllte der Kleine. »Ich kann nix dafür! – Ich bin eine Mißgeburt! Böh! Böh! – – Böh!«

      Die Prinzessin setzte den kleinen Schreihals vorsichtig neben sich ins Gras und steckte ihm zur Beruhigung den Hexenbonbon in den Mund. Da fing er natürlich gleich an zu suckeln und hörte auf zu schreien.

      »Nun, und die anderen da?« fragte Fanfrilla den Kalendermann. »Wer sind die andern?«

      »Die vorne ist die Frau Woche, und hinter ihr stehen ihre sieben Jungens. Der mit dem sichelförmigen Hut ist der Montag und der, der sich die Sonne auf den Bauch gemalt hat, ist der Sonntag. Der Mittwoch ist der mit dem Flügelhütchen und der Dienstag da trägt ein kleines Holzschwert in der Hand, das ihm sein Pate, der alte Kriegsgott Tiu geschenkt hat.«

      »Ich hab auch was von meinem Paten geschenkt bekommen!« rief der kleine Donnerstag und zeigte der Prinzessin einen Hammer mit einem ganz kurzen Stiel.

      »Wer war denn dein Pate?« fragte ihn die Prinzessin Fanfrilla.

      »Donar hieß er,« rief der Kleine, »und war auch ein Gott und noch viel größer und stärker als dem Dienstag sein Pate.«

      Da wurde aber der Dienstag fuchtig.

      »Nein, mein Pate war stärker,« schrie er, »und mein Schwert ist mir auch viel lieber als dein Hammer!«

      Es fehlt nicht viel, dann hätten sich die beiden gerauft.

      »Na, zankt euch nur nicht!« rief die Prinzessin. »Kommt alle her, einer nach dem andern darf jetzt ein bißchen an dem großen Hexenbonbon lutschen.«

      Die ganze Gesellschaft kam heran und stellte sich um die Prinzessin auf. Die nahm den Hexenbonbon dem kleinen Februar aus dem Mund, der zuerst wieder ein ganz üriges Gesicht machte, dann aber sich doch beruhigte, da ihm Fanfrilla versprach, daß er bald wieder an die Reihe kommen würde.

      Und nun machte der Hexenbonbon die Runde. Jeder suckelte, so stark er konnte, aber der gute Bonbon blieb stets so groß wie er vorher war. Der Kalendermann mußte zählen und jeder durfte so lange lutschen, bis er auf fünfzig gekommen war, dann mußte er den Bonbon weitergeben. Das machte nun allen großen Spaß, bloß dem kleinen Februar dauerte es viel zu lange, bis er wieder dran kommen sollte. Er dachte, es sei wohl das beste, wenn er wieder anfinge zu schreien, und begann auch sofort loszubrüllen.

      »Böh!« schrie er. »Böh! Ich will den Bonbon haben! Böh! Böh!«

      »Da sehen Sie, Prinzessin,« sagte der Kalendermann, »es ist schrecklich mit dem Jungen! Da kann man erziehen, soviel man will, er bessert sich nicht und er bessert sich nicht! Ach, was soll das noch werden!«

      Fanfrilla nahm den kleinen Störenfried wieder auf den Schoß, streichelte ihm die struppigen Locken, putzte das Stupsnäschen und wischte ihm die Tränen aus den Augen. Aber es nutzte alles nichts, der kleine Februar schrie und brüllte immer ärger:

      »Ich will den Bonbon haben! Böh! Ich will den Bonbon haben! Böh!«

      »Du unartiger Junge,« sagte die Prinzessin, »da hast du deinen Willen!«

      Sie nahm dem Freitag, der gerade dran war, den Bonbon weg und steckte ihn dem kleinen Februar in den Mund. Sofort war er ganz still, setzte sich bequem zurecht und sog aus Leibeskräften an seinem Bonbon.

      »Na, schmeckts?« fragte die Prinzessin.

      Der kleine Mann gab aber gar keine Antwort, er lutschte ruhig weiter.

      Da plötzlich fühlte die Prinzessin Fanfrilla, wie sie ganz naß wurde. Sie sprang mit einem Ruck auf, setzte den Kleinen ins Gras und rief:

      »Pfui! Pfui! – Der häßliche kleine Kerl ist ja nicht einmal stubenrein!«

      Alle liefen herbei, um die Prinzessin abzuputzen, die ganz trostlos an ihrem gelben, seidenen Kleidchen heruntersah.

      »Ach,« jammerte sie, »mein schönes Kleidchen ist ganz verdorben!«

      Der Kalendermann fing an zu klagen:

      »Oh, Prinzessin! – Das Elend! – Wenn Sie wüßten, was für Mühe ich mir mit dem Racker gegeben habe! Nur Untugenden, hat er, nur Untugenden!«

      »Sei still, dummer Kalendermann!« rief Fanfrilla wütend. »Du bist an allem schuld, du allein! Ich werde es meinem Papa sagen!«

      »Ach Gott! Ach Gott!« heulte der Kalendermann. »Die Prinzessin verzeiht mir nicht; sie will es ihrem Papa sagen!! Ach Gott! Dann ist es um uns alle geschehen, wir werden abgeschafft!«

      Nun brach die ganze Gesellschaft los.

      »Die Prinzessin verzeiht uns nicht!« heulten die Monate.

      »Sie will es ihrem Papa sagen!« weinte die Woche.

      »Ach Gott! Ach Gott!« schrie der Kalendermann.

      »Wir werden abgeschafft!« brüllten die Tage.

      »Ach, mein Kleidchen! Mein schönes Kleidchen!« jammerte die Prinzessin.

      Nur der kleine Februar saß ganz vergnügt im Gras und lutschte an dem großen Hexenbonbon, was er nur konnte.

      Den Lärm aber hatte endlich die alte Ginsterhexe gehört, sie nahm den Stock und humpelte aus ihrer Hütte heraus.

      »Wer wagt es, mich beim Lateinlernen zu stören?« rief sie. »Was gibt


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