Future Angst. Mario Herger
also dem Gesicht, das Gerüchten zufolge vor allem junge Frauen machen, wenn sie bei einem Selfie die Lippen zuspitzen und diese dabei einem Entenschnabel ähneln? Oder schon einmal den Smartphone-Nacken beobachtet, der bei Jugendlichen bleibende Schäden vom ständigen Herunterblicken auf das Smartphone in ihren Händen hinterlässt?
Nicht nur die Angst vor der Entstellung von Gesichtern durch neue Technologien ist uns modernen Menschen von unseren Vorfahren vor 100 Jahren geblieben, auch andere Befürchtungen verlieren nicht ihren Schrecken. Der Telegraf brachte nicht nur eine Flut an Informationen in entlegene Gegenden, bei denen man fürchtete, sie würden zu einer Überreizung des Nervensystems führen und den gewohnten Tagesablauf von Menschen ändern, man verdächtigte ihn auch der Übertragung von Krankheiten. Als im Jahr 1849 eine Choleraepidemie durch die jungen Vereinigten Staaten fegte, wurde die Schuld an der so raschen Verbreitung den Telegrafenleitungen zugeschrieben und konsequenterweise nahmen die Bewohner die Sache in die eigene Hand. An vielen Orten wurden die Telegrafenleitungen umgesägt. Damit schlug man zwei Fliegen mit einer Klappe: Ärzte und Psychologen befürchteten nämlich auch, durch die immer stärker werdende Vernetzung der Menschen durch Telegrafen und durch die wachsende und damit enger zusammenlebende Bevölkerung in den Städten würde es zu einer „Übersozialisierung“ und damit zu mehr Nervenleiden kommen.43
Wie ist das heute? Nicht anders, wie öffentliche Diskussionen beweisen. Von angeblich krankmachenden Handystrahlen, nicht nachgewiesenem „Infraschall“ bei Windturbinen, der „Reisekrankheit“, die Experten bei einer Fahrt in autonomen Autos vorhersagen, bis hin zum Gegenteil der „Übersozialisierung“, nämlich der „Einsamkeit durch soziale Medien“ reicht die moderne Palette an Ängsten. Selbst das moderne Äquivalent der angeblichen Übertragung der Choleraepidemie durch Telegrafenleitungen gibt es: die Verbreitung von Covid durch 5G-Sendemasten.44 200 Jahre nach den ersten Impfgegnern finden diese nach wie vor regen Zulauf, allerdings mit einem modernen Twist. Heute ist es weniger die Angst vor den Schäden einer Impfung selbst (auch die gibt es) als die Angst vor einer Regierung, die Menschen damit einen Chip – vermutlich vom Microsoft-Gründer Bill Gates gefördert – injizieren wollen, um so über ihre Aufenthaltsorte immer Bescheid zu wissen und sie aus der Ferne kontrollieren zu können.
Ein Spaßvogel nahm diese Impfskeptiker nach dem Erhalt der Covid-Impfung und dem vermeintlichen Injizieren solcher Chips auf die Schippe, indem er auf Twitter postete: „Habe nun die Covid-Impfung erhalten, aber Internetempfang ist immer noch schlecht. Was ist los?“
Wir sehen schon: Erfinder, Wissenschaftler, Technologen, Ingenieure haben kein Problem damit, technologische Probleme zu lösen. Die wahre Herausforderung ist, Menschen psychologisch darauf vorzubereiten. Und das haben sie nie gelernt.
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.