Kirchlicher Dienst in säkularer Gesellschaft. Группа авторов
kein soziologischer Begriff ist, der die Gemeinschaft aller in der kirchlichen Einrichtung Tätigen meint, sondern ein „religiös begründetes Leitprinzip des kirchlichen Dienstes“17 ist. In dem 2010 vom deutschen Caritasverband verabschiedeten Text „Impulse für den Begriff der Dienstgemeinschaft“18 wird eine Unterscheidung der unterschiedlichen Bedeutungsaspekte dieses Begriffs vorgenommen. Zum Ende des Dokumentes heißt es:
„Die Zusammenstellung der verschiedenen Inhalte und Deutungen des Begriffes Dienstgemeinschaft zeigt, dass es sinnvoll ist, vor allem zwischen zwei wichtigen Funktionen des Begriffs zu unterscheiden. Die erste betrifft vor allem arbeitsrechtliche Aspekte. Die zweite betrifft Aspekte einer christlich geprägten Organisationskultur in Caritaseinrichtungen. (…) Bei der Verwendung des Begriffs Dienstgemeinschaft ist stets zu präzisieren, welche Aspekte des Begriffs gemeint sind: Die arbeitsrechtlichen oder die kulturellen Aspekte.“19
Der Caritasverband warnt sogar davor, den Begriff Dienstgemeinschaft außerhalb des Arbeitsrechtes zu verwenden.
Gerade Norbert Feldhoff ist es zu verdanken, dass er auf die kulturellen Aspekte und näher hin das theologische Fundament kirchlicher Dienstgemeinschaft hingewiesen hat.20 So sagt Feldhoff anknüpfend an die Enzyklika Novo Millennio Ineunte von Papst Johannes Paul II.: “Wenn die Mitarbeiter in unseren Diensten und Einrichtungen wirklich das ‚kostbarste Vermögen‘ sind, dann müssen sie ernst genommen werden.“21
In der Präambel der Erklärung der deutschen Bischöfe von 1993 zum kirchlichen Dienst heißt es:
• „Der Berufung aller Menschen zur Gemeinschaft mit Gott und untereinander zu dienen, ist der Auftrag der Kirche.“
• „In lebendigen Gemeinden und Gemeinschaften bemüht sie sich, weltweit diesem Auftrag durch die Verkündigung des Evangeliums, die Feier der Eucharistie und der anderen Sakramente sowie durch den Dienst am Menschen gerecht zu werden.“
• „Diese Sendung verbindet alle Glieder im Volk Gottes, sie bemühen sich, ihre je an ihrem Ort und je nach ihrer Begabung zu entsprechen.“
• „Diesem Ziel dienen auch die Einrichtungen, die die Kirche unterhält und anerkennt, um ihren Auftrag in der Gesellschaft wirksam wahrnehmen zu können. Wer in ihnen tätig ist, wirkt an der Erfüllung dieses Auftrags mit. Allen, die in den Einrichtungen mitarbeiten, bilden- unbeschadet der Verschiedenheit der Dienste und ihrer rechtlichen Organisation- eine Dienstgemeinschaft.“22
In diesem Sinne haben alle Dienste und Einrichtungen der Kirche einen diakonischen Charakter. Wenn auch dem Begriff nach die Dienstgemeinschaft ein deutsches Sondergut ist, so ist sie nach dem theologischen Gehalt ein universalkirchliches Gemeingut, wenn es sich basierend auf dem Kirchenverständnis des II. Vatikanischen Konzils auf die Gemeinschaft des Dienstes zum Heil der Menschen bezieht.23 Der kirchliche Dienst gehört zum Wesen der Kirche und ist ein elementarer Lebensvollzug der Kirche.
Wenn wir von einem Wandel der Ära ausgehen mit den genannten Kennzeichen, dann stellt sich die Frage, welche Konsequenzen dieses für den kirchlichen Dienst hat.
IV. Kirchlicher Dienst als Ort der Kirche
Angesichts der gesellschaftlichen Veränderungen aber auch der zunehmend verschärften wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wie Anbieterwettbewerb, Kostendruck durch die Einführung neuer Vergütungssysteme, die Umstellung vom Kostendeckungsprinzip auf Leistungsentgelte, die zunehmende Ausgliederung bestimmter Einrichtungen (Outsourcing)24 muss der kirchliche Dienst verändert werden, bzw. modernisiert werden, um auch künftig in leistungsstarken und zukunftssicheren Einrichtungen zur Umsetzung zu kommen. Die kirchliche Trägerschaft, in deren Einrichtungen die kirchlichen Dienste stattfinden, muss neu aufgestellt werden. Für die kirchlichen Träger kommt es darauf an, den politischen und gesellschaftlichen Verlust so aufzufangen, dass das Ende der finanziellen Möglichkeiten des Staates nicht zugleich das Ende der kirchlichen Trägerschaft bedeutet. Die Konzentration der Kräfte in große Trägergesellschaften führt zu einem Verlust der Trägervielfalt. Was, so ist zu fragen, wird aus der gemeinschaftsorientierten und ortsverbundenen Eigenart der Dienste kirchlicher Träger, wenn eine wachsende Zahl kleinerer Träger aufgibt und letztlich nur einige wenige Sozialkonzerne existieren?25 Was wird aus der Trägervielfalt als Ausdruck persönlichen Engagements kleiner Gruppen und Gemeinschaften? Für den kirchlichen Dienst und die kirchliche Trägerschaft darf nicht das enttäuschte Vertrauen in die finanziellen Möglichkeiten des Staates durch ein optimistisches und einseitiges Vertrauen in die Möglichkeiten des Marktes und die Arbeitsweisen moderner Wirtschaftsunternehmen ersetzt werden. Die notwendigen ökonomischen Überlegungen und Ausrichtungen müssen auf „kirchengemäße“ Weise geschehen, weil ansonsten die eigentliche Leistung, der eigentliche Sinn, der sich in den Bereichen pastoraler Begleitung, Verkündigung, Bildung, Diakonie, Kult, Kultur und in menschenfreundlichem, sinnvermittelndem Klima äußert, verlorengeht. Zum Schaden für die Menschen, die diesen Dienst brauchen oder ausüben.
Norbert Feldhoff formuliert es so:
„Als Mitarbeiter und Träger kirchlicher Einrichtungen stehen wir vor der Erwartung, dass es in unseren Dienstgemeinschaften irgendwie anders, humaner - christlicher eben - zugehen soll, als in rein privatwirtschaftlichen Organisationen oder staatlichen Betrieben.“26
Das ist auch der Grund, warum gerade in Zeiten der pluriformen, flüchtigen Moderne viele Menschen dem Angebot und Diensten in kirchlicher Trägerschaft vertrauen. Viele entscheiden sich für ein kirchliches Krankenhaus, für eine katholische Schule oder einen kirchlichen Kindergarten, wenn sie die Auswahl haben. Dazu trägt sicher der hohe Stellenwert einer ganzheitlichen Betrachtungsweise in kirchlichen Einrichtungen bei.
In diesem Zusammenhang stellt das Thema Personal und Führungskräfte eine wichtige Herausforderung dar. Je mehr, wie bei den postmodernen Lebensformen beschrieben, ein bindungsloses Freiheitsverständnis idealisiert wird, desto weniger Raum bleibt für die Entfaltung der Fähigkeit, sich in den Dienst des Nächsten zu stellen, für ihn dauerhaft nicht nur professionell, sondern auch menschlich da zu sein und in diesem Tun Freiheit zu erfahren. Von dieser Alternative zum modernen Freiheitsideal, von der Unverbindlichkeit, Unbeständigkeit, ungebundener und ungehinderter Selbstentfaltung, lebt aber gerade der kirchliche Dienst.
Kirchliche Trägerschaft, kirchliche Dienstgemeinschaft braucht Personen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die offen sind für dieses in der Ära der Flüchtigkeit, Unverbindlichkeit, Schnelllebigkeit, der Sehnsüchte und Ängste unverzichtbare Lebensideal.
Dringend erforderlich ist daher in heutigen Zeiten die Personalarbeit. Personalarbeit ist dabei Bildungsarbeit, ist Befähigung zur Kultur des gemeinsamen Lebens. Sie ist das Herzstück kirchlicher Trägerschaft. Norbert Feldhoff verweist in diesem Zusammenhang auf das biblische Zitat Mk 6,34: „Bei euch muss es anders sein“ und plädiert für ein partnerschaftliches Miteinander in der Dienstgemeinschaft.27
Dies bedeutet, dass der kirchliche Dienst nicht auf Organisation reduziert werden darf. Er lebt von Menschen, die Kirche leben und die sich in ihrem Dienst, seien es Dienstnehmer oder Dienstgeber, an den jeweiligen Gründungspersönlichkeiten der Einrichtung oder an andere Vorbilder aus der Geschichte und im letzten an Jesus Christus in ihrer eigenen Dienstgemeinschaft orientieren.
Die Frage nach dem Personal führt letztlich zum Selbstverständnis und zur Identität des kirchlichen Dienstes in der heutigen Zeit, in einer neuen Ära. Nun wurde in der Vergangenheit die rechtliche und zeitliche Organisation aus guten Gründen derjenigen von Wirtschaft und öffentlichen Dienst angepasst. Nicht zuletzt machte die Übernahme der Tarife des öffentlichen Dienstes für die meisten Mitarbeitenden im kirchlichen Dienst das Arbeitsverhältnis gegen Bezahlung zum maßgeblichen Leitbild auch im kirchlichen Dienst. Dabei wird mittlerweile auch in der Wirtschaft inzwischen in weiten Teilen erkannt, dass die Pflege und der Erhalt der geistigen Werte, der Vorstellungen, Ideale und Identitäten, die das Unternehmen tragen, nicht weniger wichtig sind, als die ausschließlich pragmatische Gestaltung der Strukturen.
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