Kirchlicher Dienst in säkularer Gesellschaft. Группа авторов

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      Die geänderte Norm kennt zwei Arten von Gesamtmitarbeitervertretungen: Mehrere Mitarbeitervertretungen bei einem Dienstgeber können sich durch ein qualifiziertes Votum zu einer GMAV zusammenschließen (Abs. 1). Diese Konstellation erfasst den Fall, dass es einen kirchlichen Rechtsträger mit mehreren rechtlich unselbständigen Dienststellen und Einrichtungen gibt, in denen jeweils eigene Mitarbeitervertretungen existieren. Beabsichtigten die Mitarbeitervertretungen verschiedener kirchlicher Rechtsträger eine zweite Mitbestimmungsebene zu bilden, so können sie durch eine qualifizierte Mehrheitsentscheidung eine eGMAV (Abs. 2) errichten. Von dieser Regelung sind kirchliche Unternehmen erfasst, die in einer Konzern- bzw. Holdingstruktur organisiert sind. Die eGMAV bekleidet von ihrer Funktion her in etwa die Rolle des Konzernbetriebsrats im Anwendungsbereich des BetrVG (§ 54 BetrVG).

      III. Bildung der Gesamtmitarbeitervertretung, § 24 Abs. 1

      Bestehen bei einem Dienstgeber (§ 2) mehrere Mitarbeitervertretungen, so ist auf Antrag von zwei Dritteln der Mitarbeitervertretungen oder wenn die befürwortenden Mitarbeitervertretungen mehr als die Hälfte der in die Wählerlisten eingetragenen Wahlberechtigten repräsentieren, eine GMAV zu bilden. Eine GMAV darf demnach nur dann errichtet werden, wenn bei einem Dienstgeber mindestens zwei Mitarbeitervertretungen existieren. Dabei spielt die Größe der MAV keine Rolle. Es kommt jedoch darauf an, dass tatsächlich mehrere Mitarbeitervertretungen gewählt und noch vorhanden sind. Das setzt voraus, dass der Rechtsträger der Dienststellen und Einrichtungen eine rechtliche Einheit bildet. Für mehrere rechtlich selbstständige Dienstgeber kann auf der zweiten Mitbestimmungsebene keine GMAV, ggf. aber – bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen – eine eGMAV errichtet werden (Abs. 2). Nicht erforderlich ist, dass in allen mitarbeitervertretungsrechtlichen Einrichtungen des Dienstgebers eine MAV gebildet wurde. Wenn die vorhandenen Mitarbeitervertretungen das notwendige Quorum erreichen, ist die mitarbeitervertretungslose Dienststelle in der GMAV nicht vertreten. Gleichwohl erstreckt sich die Zuständigkeit der GMAV auch auf die mitarbeitervertretungslose Einrichtung (Abs. 6 S. 2).

      Weiterhin setzt die Bildung der GMAV das Vorliegen eines mitarbeitervertretungsseitigen Antrags voraus. Der Antrag kann in der Regel erst gestellt werden, wenn das Verfahren zur Bildung der GMAV gemäß Abs. 3 abgeschlossen ist, weil erst dann sicher feststeht, dass das notwendige Quorum erreicht ist. Vorher gestellte Anträge wird man dahingehend interpretieren können, dass der Antragsteller die Einleitung des in Abs. 3 beschriebenen Konsultations- und Meinungsbildungsverfahrens über die Bildung einer zweiten Repräsentationsinstanz begehrt. Antragsbefugt ist die nach der Zahl der Wahlberechtigten größte MAV. Diese ist für die weitere ordnungsgemäße Durchführung des Meinungsbildungs- und Abstimmungsprozesses federführend verantwortlich (Abs. 3 S. 6). Die Antragstellung setzt einen wirksamen Beschluss voraus, § 14 Abs. 5.

      Die Bildung der GMAV setzt weiterhin das Erreichen eines gesetzlich festgelegten Quorums voraus. Das Quorum soll sicherstellen, dass die Errichtung der zweiten Mitbestimmungsebene von einer breiten Repräsentationsbasis mitgetragen wird. Bevor eine Abstimmung über die Bildung einer GMAV oder eGMAV erfolgen kann, ist in jeder MAV eine Entscheidung durch förmlichen Beschluss (vgl. § 14 Abs. 5) herbeizuführen, der im Sitzungsprotokoll dokumentiert wird (§ 14 Abs. 6).

      Zum Erreichen der notwendigen Mehrheit bedarf es der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitarbeitervertretungen (1. Alternative) oder dass die befürwortenden Mitarbeitervertretungen mehr als die Hälfte der in die Wählerlisten eingetragenen Wahlberechtigten repräsentieren (2. Alternative).

      Beispiel: Bei einem Dienstgeber sind in sechs Dienststellen mit je einer MAV insgesamt 1.000 wahlberechtigte Mitarbeiter beschäftigt. Einrichtung A: 150 MA, Einrichtung B: 100 MA, Einrichtung C: 451 MA, Einrichtung D: 50 MA, Einrichtung E: 150 MA; Einrichtung F: 99 MA. Wenn vier dieser Mitarbeitervertretungen eine GMAV befürworteten, wäre zwingend eine solche zu bilden, selbst wenn die befürwortenden Mitarbeitervertretungen nicht die Mehrheit der wahlberechtigten Beschäftigten repräsentieren (z. B. B; D; E und F mit insgesamt nur 400 Mitarbeitern von insgesamt 1.000). Umgekehrt würde im vorliegenden Beispiel die Zustimmung der größten (C mit 451 MA) und kleinsten Einrichtung (D mit 50 MA) ausreichen, um eine GMAV zu errichten (insgesamt 501 MA), selbst wenn die Mehrzahl der Mitarbeitervertretungen dies ablehnen würde (A, B, E und F).

      IV. Bildung der erweiterten Mitarbeitervertretung, Abs. 2

      Die Errichtung der eGMAV folgt grundsätzlich denselben Regeln wie die Bildung der GMAV mit der Maßgabe, dass eine eGMAV nur dort gegründet werden kann, wo es mehrere kirchliche Rechtsträger gibt, die durch eine einheitliche und beherrschende Leitung miteinander verbunden sind. Folgende vier Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein:

      (1) Es bestehen mehrere kirchliche Rechtsträger mit mehreren Mitarbeitervertretungen und

      (2) die einheitliche und beherrschende Leitung der beteiligten selbständigen kirchlichen Einrichtungen liegt bei einem Rechtsträger

      und

      (3) es liegt ein Antrag auf Bildung der eGMAV vor

      und

      (4) dieser Antrag wird von zwei Drittel der Mitarbeitervertretungen (1. Alternative) oder von einer offenen Anzahl von Mitarbeitervertretungen befürwortet, die gemeinsam mehr als die Hälfte der in die Wählerlisten eingetragenen Wahlberechtigten vertreten (2. Alternative) befürwortet.

      Mit dem Erfordernis der einheitlichen und beherrschenden Leitung nimmt der kirchliche Ordnungsgeber Bezug auf die Konzerndefinition in §§ 17, 18 AktG, die auch der Regelung des § 54 Abs. 1 BetrVG zugrunde liegt. Diese Bestimmung eröffnet den Gesamtbetriebsräten im Anwendungsbereich des BetrVG die Möglichkeit, einen Konzernbetriebsrat zu errichten. Die eGMAV bildet gewissermaßen das kirchliche Funktionsäquivalent zum weltlichen Konzernbetriebsrat. Sie ist der Ansprechpartner und soziale Gegenspieler der obersten Leitungsmacht im Konzern. Dementsprechend ist sie räumlich dort angesiedelt, wo die Konzernobergesellschaft („Mutter“) ihren Sitz hat. Für das Vorliegen einer einheitlichen und beherrschenden Leitung genügt unter entsprechender Anwendung des § 18 Abs. 1 i. V. m. § 17 Abs. 1 AktG die Zusammenfassung mehrerer rechtlich selbständiger Unternehmen, von denen eines herrschend und mindestens eines abhängig ist. Die Bestimmung erfasst nur sog. Unterordnungskonzerne, nicht dagegen Gleichordnungskonzerne.2

      Eine gesetzliche Definition der einheitlichen und beherrschenden Leitung fehlt. In der Literatur vorherrschend ist der sog. weite Konzernbegriff.3 Danach liegt ein Konzern vor, wenn eine einheitliche Planung und Leitung in wenigstens einem wesentlichen Bereich unternehmerischer Tätigkeit (z. B. Finanzen, Produktion, Verkauf, Organisation, Personalwesen) erfolgt und diese ohne Rücksicht auf die Selbständigkeit der abhängigen Unternehmen durchgesetzt wird.4 Ist eine einheitliche Finanzplanung für die verbundenen Unternehmen vorhanden, ist in jedem Fall ein Konzern anzunehmen.5

      Ein Konzern liegt auch vor, wenn das herrschende Unternehmen tatsächlich Einfluss auf die Personalpolitik der abhängigen Gesellschaft nimmt, mit dem Ziel, die Unternehmenspolitik der verbundenen Unternehmen beständig zu kontrollieren.6 Entscheidend für die Annahme eines Konzerns ist die Möglichkeit des herrschenden Unternehmens, unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss auf die beherrschten Unternehmen auszuüben, „zu dem Zweck, über ‚Leute seines Vertrauens‘ in den verbundenen Unternehmen über den Einzelfall hinaus eine einheitliche Politik zu entwickeln und durchzusetzen.“7 In Betracht kommen alle Formen der Einflussnahme.

      Ob im konkreten Einzelfall ein Konzern vorliegt, wird in der Praxis durch gesetzliche Vermutungen und anhand verschiedener Indizien festgestellt. Unwiderleglich ist die Vermutung nach § 18 Abs. 1 S. 2 AktG, wenn zwischen den verbundenen Unternehmen ein Beherrschungsvertrag (§ 291 AktG) oder wenn das eine Unternehmen in das andere eingegliedert ist (§§ 319 f. AktG). Widerleglich ist die Vermutung in den sonstigen Fällen der Abhängigkeit (§ 18 Abs. 1 S. 3 AktG). Nach § 17 Abs. 2 AktG wird von einem im Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen – widerleglich – vermutet, dass es von dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig ist.8

      Die gesetzlichen Konzernvermutungen führen im Prozess zu einer Umkehr


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