Gender - Sprache - Stereotype. Hilke Elsen

Gender - Sprache - Stereotype - Hilke Elsen


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die Fremdwortübernahme an, so dass im Laufe der 90er Jahre nun Gender im Deutschen in der Bedeutung ‚soziales Geschlecht‘ auch für den wissenschaftlichen Diskurs verwendet wurde. Darum lösten dann die Gender-Studien die frühere feministische Forschung ab.

      Im Deutschen verfügen wir über drei Termini, die drei Bedeutungen von Geschlecht unterscheiden: Sexusbiologisches Geschlecht, Sexus für das biologische, GenusGenus für das grammatische und Gender für das soziale Geschlecht.

      Der Begriff Gender bzw. Genderforschung impliziert die Auseinandersetzung mit dem weiblichen und dem männlichen Geschlecht. Das Verb gendern bezieht sich auf die gendergerechte Gestaltung der Sprache. Frauenforschung versteht sich als Forschung über Frauen, allerdings ohne den Einbezug des biologischen Geschlechts neben dem sozialen, wie das bei Geschlechterforschung der Fall wäre (Frey Steffen 2017: 15ff.). Frauenforschung bildet einen Teilbereich der Geschlechterforschung. Letztendlich werden aber alle Begriffe oft genug synonym verwendet. Als wichtige Vorläufer der Frauenforschung gelten die FrauenbewegungenFrauenbewegung und literaturwissenschaftliche Kritik, vgl. Virginia Woolf, A room of one’s own (1929), Simone de Beauvoir, Le deuxième sexe (1949). Deswegen bedeutet die Beschäftigung mit Sprache nur einen von vielen Aspekten.

      Der Begriff FeminismusFeminismus für eine politische Theorie bzw. Strömung kam in den 1880er Jahren in Frankreich auf (Gerhard 2009: 7f.). Er wird später auch erweitert auf die FrauenbewegungFrauenbewegung bezogen (Kusterle 2011: 14). Feministische LinguistikFeministische Linguistik beginnt als feministische Sprachkritik und bleibt bis heute deskriptiv-kritisch. Sie wird mittlerweile zumeist anders bezeichnet, etwa als Gender und Sprache oder Genderlinguistik.

      2.2 Philosophische, kulturelle und gesellschaftspolitische Gesichtspunkte

      FrauenbewegungFrauenbewegung und Frauenforschung sind eng mit dem Bestreben nach Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie verknüpft und daher immer auch politisch und sozialkritisch motiviert. Sie erhalten wichtige Anstöße aus Politik- und Sozialwissenschaft, aber auch Literaturwissenschaft und Philosophie.

      Seit der Antike herrschte das Modell nur eines Geschlechts vor, in dem es verschiedene Ausprägungen des Menschen gab, die sich graduell unterschieden und bei dem die weibliche Variante die weniger gut gelungene war. Zum Ende des 17. Jahrhunderts gab es einige neue medizinische Erkenntnisse über die grundlegenden biologischen Unterschiede zwischen den Geschlechtern, die den bisherigen Blick auf rein Äußerliches erweiterten. Daraufhin etablierte sich im 18. Jahrhundert u.a. durch Rousseau die Vorstellung von der auf natürliche Bedingungen rückführbaren Unterscheidung zwischen Männern und Frauen. Diese waren tugendhaft, sittsam und fleißig und agierten nur zu Hause, zumindest im Bürgertum. Daraus entstanden vor allem die „natürliche“ Unterordnung der Frauen, für den Mann zu existieren, und die Autonomie der Männer. „Rousseau entfaltet in seinen Schriften dasjenige Geschlechtermodell, das bis weit in das 20. Jahrhundert hinein Geltung besitzen wird und die Reichweite männlicher / weiblicher Aktivität definiert“ (Schößler 2012: 19). Die sich hieraus ergebende Arbeitsteilung sieht in dem Anteil der Frauen keine Leistung, denn ihre Arbeit ist unbezahlt und unsichtbar und auch „politisch nicht repräsentiert“ (Schößler 2012: 20). Dieses Modell führte dazu, dass die Hälfte der Bevölkerung die gleiche Tätigkeit (Haushalt und Pflege) zu übernehmen hatte. Diese Vorstellung der Geschlechtertrennung setzt sich im 19. Jahrhundert weiter durch. Unser heutiges binäres Geschlechtermodell, das beiden Geschlechtern klar unterschiedliche körperliche und psychische Eigenschaften zuspricht und damit eine gesellschaftspolitische Hierarchie schafft, ist also noch nicht so alt, es dürfte sich allerdings „um eine (gesellschaftlich-kulturelle) Konstruktion handeln, die auch im Zusammenhang mit den sich professionalisierenden Wissenschaften gesehen werden muss“ (Schößler 2012: 20).

      Ende des 19. Jahrhunderts stellten einige Frauen diese „natürliche“ Ordnung infrage. Sie prangerten vor allem die schlechten finanziellen Verhältnisse, fehlende Erwerbsmöglichkeiten und die katastrophale Bildungssituation vieler Frauen an. Die erste Welle der FrauenbewegungFrauenbewegung ab ca. Mitte des 19. Jahrhunderts forderte, Frauen und Männer in Staat und Gesellschaft gleichzustellen, sie als gleichwertig zu betrachten und ihnen die grundlegenden Rechte zuzuerkennen: das Wahlrecht, das Recht auf Bildung und das Recht auf bezahlte Arbeit. Es ging hier also zunächst um entscheidende Bürgerrechte. Dabei hatte die Französische Revolution (1789–1799) einen wesentlichen Anteil. Die Forderung nach Gleichwertigkeit von Frau und Mann, Demokratie und Menschenrechten auch für Frauen brachte einige Vorreiterinnen für Frauenrechte hervor.

      Frühe Frauenforschung war sozialwissenschaftlich und empirisch ausgerichtet und zeichnete sich vor allem dadurch aus, dass die beteiligten Forscherinnen keinen Zugang zu öffentlicher Bildung hatten und sich in der Regel über individuelle Wege und autodidaktisch fortbilden mussten; entsprechend zäh war die Akzeptanz in Akademikerkreisen. Sie wurde höchstens wohlwollend geduldet, aber nicht als ebenbürtig mit den Arbeiten der Männer erachtet, daher nicht diskutiert und weitgehend ignoriert.

      In Deutschland initiierte Louise Otto-Peters die FrauenbewegungFrauenbewegung im Zusammenhang mit der 1848er Revolution mit ihren Forderungen, dass Frauen an Staatsinteressen zu beteiligen seien, und gründete 1849 eine eigene politische Frauen-Zeitung (Nave-Herz 1997: 11). Das Recht auf Arbeit und Bildung sollte als kulturelle Bereicherung, aber auch als Grundlage für eine selbstständige Existenz zu verstehen sein, wobei sich hier die bürgerliche von der proletarischen Frauenbewegung unterschied, da die Arbeiterinnen bereits, meist in Fabriken, arbeiteten, jedoch nicht unbedingt freiwillig und für viel zu wenig Lohn. Für sie ging es weniger um Bildung, sondern dringlicher um faire Bezahlung und Mutterschutz. Neben verschiedenen Organisationen und Vereinen1 sind es vor allem die Schriftstellerinnen, die aktiv und kritisch ihre Unzufriedenheit äußern, u.a. Virginia Woolf oder Simone de Beauvoir. Diese führte in Le deuxième sexe (1949) bereits aus, dass Frauen und Männer „gemacht“ werden, denn welche Bedeutung den biologischen Unterschieden tatsächlich beigemessen wird, entscheiden die Menschen.

      Seit Anfang des letzten Jahrhunderts kam es ganz langsam zu einigen Verbesserungen bei der Gleichstellung. Zum ersten Mal durften sich Frauen zwischen 1900 (Baden) und 1909 (Mecklenburg) an den Landesuniversitäten immatrikulieren. 1918 erhielten Frauen in Deutschland und Österreich das aktive und passive Wahlrecht, in der Schweiz erst 1971. Im Dritten Reich wurden dann die wesentlichen Zugeständnisse an Frauen wieder zurückgenommen, was Berufswahl und Studienmöglichkeiten betraf. Außerdem wurde das passive Wahlrecht wieder abgeschafft. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges beteiligten sich deutsche Frauen bewusst am Demokratisierungsprozess. Die mit dem Beginn des Nationalsozialismus aufgelösten verschiedenen Frauengruppierungen formierten sich neu. Für sie waren die Frauenrechte ein wesentlicher Pfeiler einer Demokratie. Im Grundgesetz der BRD wurden so gleich zu Beginn (1949) Frauen und Männer offiziell gleichberechtigt, ohne dass es jedoch sofort zu einer Umsetzung kam. Die väterliche Gewalt etwa wurde erst in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts durch die elterliche Sorge bzw. Erziehung ersetzt (1965 DDR, 1957/80 BRD, 1970 Österreich, 1978 in der Schweiz, vgl. Guentherodt 1983/84: 277). Vorher hatte der Vater das alleinige Recht, über die Kinder zu verfügen. In Deutschland dürfen verheiratete Frauen erst seit 1962 ein Bankkonto eröffnen, ohne ihren Mann zu fragen. Seit 1969 gelten sie als geschäftsfähig, und erst seit 1977 dürfen sie ohne Erlaubnis des Mannes erwerbstätig werden – das heißt, vorher war Haushalt Verpflichtung gewesen, wenn nicht Bedienstete die wesentlichen Aufgaben übernahmen, und einen Anspruch auf eigenes Geld gab es nicht.2 Die Frauen bewegten sich gezwungenermaßen zu Hause. Der Aufgabenbereich war eindimensional, eine Ausbildung individueller (intellektueller) Fähigkeiten oder gar des Selbstbewusstseins schwierig. Sie hatten somit wenig Chancen, eine eigene Identität zu entfalten. Da dies auch an kommunikative bzw. sprachliche Möglichkeiten gebunden ist, galt es, hier mögliche Ungleichgewichte aufzuspüren, was sich zu einer der Hauptrichtungen der feministischen Sprachkritik weiterentwickelte. Die Unzufriedenheit mit der sozialen und politischen Situation erwies sich als auslösendes Moment für FrauenbewegungenFrauenbewegung, den FeminismusFeminismus und letztendlich die gesamten Gender-Debatten.

      Ende der 60er Jahre kam es zur Neuen FrauenbewegungFrauenbewegung (2. Welle) im Zusammenhang mit der Außerparlamentarischen


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