Gender - Sprache - Stereotype. Hilke Elsen

Gender - Sprache - Stereotype - Hilke Elsen


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(or squeal)“ (Key 1975: 81), oder bei der Gruppierung, vgl. „the blind, the lame, and the women“ (Key 1972: 23), „minors, the mentally incapacitated, and sometimes special groups such as married women, convicts, and aliens“, „women, minors, convicts, and idiots“ (ibd.), „Women and dogs and other impure animals“ (ibd.). Kurz darauf erschien Lakoff (1973) und führte die beiden Themen, wie Frauen sprechen und wie über sie gesprochen wird, fort. Sie überlegte, unser Sprachverhalten zu nutzen, um daran unsere unbewussten Einstellungen zu erkennen. Über beide Wege erfahren Frauen Diskriminierung, wenn sie auf unterwürfige Aufgaben („subservient functions“) degradiert werden. Die Autorin sieht die Gründe bereits in der frühen Sozialisation. Schon kleine Mädchen müssen lernen, sich wie ein „richtiges“ Mädchen zu verhalten und damit auch „ordentlich“ zu sprechen. Dann bedienen sie als Erwachsene aber wieder die bestehenden Stereotype mit dem typischen Frauenverhalten und werden als unfähig eingestuft. Wenn sie es nicht tun, sind sie unweiblich.

      So a girl is damned if she does, damned if she doesn’t. If she refuses to talk like a lady, she is ridiculed and subjected to criticism as unfeminine; if she does learn, she is ridiculed as unable to think clearly, unable to take part in a serious discussion (Lakoff 1973: 48).

      Beide Wege führen dazu, dass den Frauen Führungskompetenzen und Machtpositionen verweigert werden, jeweils mit der Begründung, nicht intelligent genug oder aber zu aggressiv und hart zu sein. Ein Dazwischen gibt es nicht. Dieses Manko an Neutralität bei den Entscheidungsmöglichkeiten der Frauen und die damit verbundene unlösbare double-bind-Problematik bleiben Themen, die bei den Untersuchungen von Kommunikationsverhalten auch heute noch aktuell sind. Anders der Begriff women’s language: Er erwies sich für unseren Kulturraum als unpassend.

      Lakoff (u.a. 1973, 1977) sprach zwar von FrauenspracheFrauensprache, <i>women’s language</i>, listete aber zahlreiche Unterschiede im sprachlichen Verhalten auf. Es ging nicht um zwei verschiedene grammatische bzw. lexikalische Systeme, sondern um andere Gewohnheiten, was die Verwendung des Begriffs Frauen- bzw. MännerspracheFrauensprache, <i>women’s language</i> nicht rechtfertigte. Lakoff stellte fest, dass Frauen über mehr Farbbezeichnungen als Männer verfügen (mauve, lavendel, beige), die von Männern aber als unwichtig erachtet werden. Sie verwenden „bedeutungslose“ Partikeln wie oh dear, dear me oder goodness. Andere frauentypische Begriffe sind charming, lovely, sweet, Intensivierungen wie so, such, Euphemismen, Diminutiva, Modalverben, HeckenausdrückeHeckenausdrücke, <i>hedges</i> (sorta, more or less) und tags wie isn’t it (Lakoff 1977: 22ff.). Solche Ausdrücke können zwar eine gewisse Differenziertheit zum Ausdruck bringen, schwächen eine Behauptung aber oft ab, um eine klare Aussage zu vermeiden, um Unstimmigkeiten zu mildern und um Kompromisse und Anpassung zu fördern. Das wird wiederum als Unsicherheit gedeutet. Ähnlich wirkt das Anheben der Stimme zum Ende eines Aussagesatzes, wie es eigentlich für Fragen typisch ist. Auf diese Weise klingen Frauen zwar höflicher, aber auch etwas unsicher und werden daher nicht ganz ernst genommen (Lakoff 1973: 57).

      Lakoff führte einige AsymmetrienAsymmetrie auf der Sprachsystemebene auf wie die Pronomina, die Verwendung von master (‚Herr, Meister‘) gegenüber mistress (‚Geliebte‘), was im Übrigen nicht allein stehen kann, sondern immer nur in Bezug auf jemanden (Rhonda is *a / his mistress), oder auch der Unterschied zwischen he / she is a professional. Frauen sind in diesem Zusammenhang Prostituierte, Männer Profis in ihrem Beruf. Diese Asymmetrien reduzieren Frauen darüber hinaus wieder auf eine ihrer wenigen Hauptfunktionen. Hierzu gehörten laut Lakoff weiter auch die Unterscheidung von Miss und Mrs., vgl. sogar Mrs. John Smith, was kein Pendant auf männlicher Seite aufweist. Es zeigte sich außerdem, dass Frauen meist in Abhängigkeitsverhältnissen zu einem Mann dargestellt werden, vgl. auch Mary is John’s widow – *John is Mary’s widower (Lakoff 1973: 63ff.). Diese und andere sprachliche Disbalancen reflektieren soziale Ungleichheit, bezogen auf die Rollenverteilung. Lakoff (1973) trat aber ganz dezidiert nicht dafür ein, die sprachlichen Asymmetrien abzuschaffen.

      Barrie Thorne und Nancy Henley legten 1975 einen Sammelband vor mit damals neuen Daten aus verschiedenen Erhebungsmethoden und Quellen und konnten die wesentlichen Behauptungen zu AsymmetrienAsymmetrie und männlicher Dominanz in der Sprache dadurch empirisch stützen. Auch sie gingen primär von sozialen Faktoren als Grund für Unterschiede aus und sahen „gender“ als kompliziertes soziales und kulturelles Phänomen (Thorne/Henley 1975b: 14). Insgesamt bot der Band ein zum damaligen Zeitpunkt sehr differenziertes Bild an beteiligten Disziplinen, Untersuchungsmöglichkeiten und Einflussfaktoren.

      2.4 Feministische Sprachkritik

      Das Thema Frauen und Sprache kam nach Europa, nachdem im Zuge der feministischen Bewegungen auch die Wissenschaft die Rolle der Sprache entdeckt hatte, etwa zehn Jahre nach der Etablierung der Feministischen Linguistik als wissenschaftliche Disziplin in den USA. 1978 veröffentlichte Senta Trömel-Plötz einen Artikel, der für hitzige Debatten sorgen sollte. Sie und ihre Ko-Wegbereiterin der Feministischen LinguistikFeministische Linguistik in Deutschland, Luise F. Pusch, beanstandeten das generische Maskulinum, das manchmal auf Frauen und Männer referiert und manchmal nur auf Männer, was zu Unklarheiten und Missverständnissen führt. Sie beziehen sich dabei auf das Sprachsystem und die entsprechenden Normen. Der zweite Bereich betrifft das Gesprächsverhalten. Frauen haben aufgrund ihrer Verhaltensweisen in der KommunikationKommunikation mit Männern Nachteile. Diese beiden Aufgabenstränge wurden damals bereits für den englischen Sprachraum diskutiert.

      Mit ihrem Überblicksartikel von 1978 wollte Trömel-Plötz zunächst nur die Aufmerksamkeit auf das Thema FrauenspracheFrauensprache, <i>women’s language</i> und women’s studies lenken und auf die Ungleichheit der Frau, die sich auch sprachlich ausdrückt. Sie fragte daher, wie Frauen von der Sprache und von den Sprecher/innen behandelt werden. Das generische Maskulinum bevorzugt Männer und benachteiligt Frauen. Darum ist es nicht, wie gern behauptet, geschlechtsindifferent. Einerseits ist die alleinige Verwendung der Maskulinformen oft genug nicht nötig – es gibt Kundin und Käuferin, warum also bei uns ist der Kunde König? Andererseits sind Frauen nur manchmal mitgemeint. Mit der maskulinen Form sind dann allerdings auch nur Männer mental präsent. In jedem Falle ist das grammatische System unausgewogen zum Vorteil der Männer, da es Frauen sprachlich und gedanklich oft ausschließt. Darüber hinaus gibt es weitere AsymmetrienAsymmetrie wie fehlende Gegenformen (*Kindergärtner, *Putzmann), besser konnotierte männliche Varianten (alte Jungfer/Junggeselle), eine große Bandbreite an Schimpfwörtern für Frauen sowie Unausgewogenheiten in SprichwörternSprichwort (vgl. Kap. 5.3.1). Auch die Sprachgewohnheiten von Frauen sind manchmal anders als die der Männer (Verniedlichungen, Euphemismen etc., weniger Vulgärausdrücke, mehr Fragen, Entschuldigungen, Konjunktive, indirekte Aussagen, Wortschatz im Bereich Kindererziehung und Haushalt), was auf traditionelle Rollen bzw. die Strategie der Höflichkeit, Konfliktvermeidung und Abschwächung hinweist. Dies gilt jedoch als Unsicherheit, so dass die Frau nicht ernst genommen wird und es schwer hat, sich zu behaupten. Die Bereitschaft zur Kooperation geht mit dem Verlust an Autorität einher.

      Wieder stoßen wir auf die ‚double bind<i>double bind</i>‘ Situation. Um ernst genommen und gehört zu werden, muß die Frau reden wie der Mann. Redet sie aber so wie ein Mann, dann ist sie männlich und wird als Frau entwertet (Trömel-Plötz 1978: 62).

      Da die Sprache auf der Ebene des Systems als auch auf der des Handelns die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern in der Gesellschaft widerspiegelt, sollte sie auch langfristig gleichberechtigt eingesetzt werden. Diese sprachkritischen Überlegungen sehen damit durchaus sprachlichen Wandel vor.

      Die Antwort auf den Artikel kam einige Monate später von Kalverkämper (1979a) in Form eines polemischen Aufsatzes mit vielen rhetorischen Figuren und unsachlichen, provozierenden, stark wertenden und diskreditierenden Anteilen. Er ging auf die eigentliche Problemlage nur am Rande ein. Der Begriff Übersichtsartikel wird in Anführungszeichen gestellt und dadurch ironisiert, die inhaltliche Darstellung zu einem „plakativen Geschlechterstreit und Rollenkampf“ (Kalverkämper 1979a: 56). Ausdrücke wie „grob-globale[s] Freund-Feind-Bild“ und Fragen wie „Wer hat bloß für solche Thesen Pate gestanden?


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