Winnetou Band 1. Karl May

Winnetou Band 1 - Karl May


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Merkt Euch das!«

       Er entfernte sich mit Stone und Parker. Rattler machte ein grimmiges Gesicht, warf mir haßerfüllte Blicke

       zu, sagte aber nichts, doch war ihm anzusehen, daß er einer Mine glich, welche im nächsten Augenblicke

       platzen konnte.

       Die beiden Indianer und Klekih-petra hatten sich in das Gras niedergelassen. Der Oberingenieur saß ihnen

       gegenüber, doch begannen sie ihre Unterhaltung noch nicht. Sie wollten die Rückkehr Sams abwarten,

       um zu hören, was für ein Urteil er abgeben werde. Er kam schon nach kurzer Zeit wieder und rief schon

       von weitem aus:

       »Welch eine Dummheit ist es gewesen, auf den Grizzly zu schießen und dann zu fliehen. Wenn man ihm

       nicht standhalten will, so schießt man überhaupt nicht, sondern läßt ihn in Ruhe; dann tut er einem nichts.

       Dieser Rollins sieht gräßlich aus! Und wer soll den Bär erlegt haben?«

       »Ich,« rief Rattler rasch.

       »Ihr? Womit denn?«

       »Mit meiner Kugel.«

       »Well, das stimmt ist richtig.«

       »Dachte es!«

       »Ja, der Bär ist an einer Kugel gestorben.«

       »Also gehört er mir. Hört ihr es, ihr Leute! Sam Hawkens hat sich für mich erklärt,« schrie Rattler

       triumphierend.

       »Ja, für Euch. Eure Kugel ist ihm am Kopf vorbeigegangen und hat ihm ein Spitzchen vom Ohre

       weggenommen. Und an so einem Ohrenspitzchen stirbt so ein Grizzlybärchen natürlich auf der Stelle,

       hihihihi! Wenn es wirklich so ist, daß mehrere geschossen haben, so haben sie in ihrer Angst eben grad

       vorbeigeschossen; nur eine Kugel hat das Ohr gestreift; sonst ist keine Spur von einer Kugel vorhanden.

       Aber vier tüchtige Messerstiche sind da, zwei neben das Herz und zwei dann grad hinein. Wer aber hat

       gestochen?«

       »Ich,« antwortete ich.

       »Ihr allein?«

       »Weiter niemand.«

       »So gehört der Bär Euch. Das heißt, da wir eine Gesellschaft bilden, so ist der Pelz Euer, und das Fleisch

       gehört allen; aber Ihr habt zu bestimmen, wie es verteilt wird. Das ist so Brauch im wilden Westen. Was

       sagt Ihr nun dazu, Mr. Rattler?«

       »Hol Euch der Teufel!«

       Er ließ noch einige grimmige Flüche hören und ging dann zum Wagen, auf welchem das Brandyfaß lag.

       Ich sah, daß er sich Branntwein in den Becher laufen ließ, und wußte, daß er nun so lange trinken würde,

       bis er nicht mehr konnte.

       Diese Angelegenheit war nun geordnet, und so forderte Bancroft den Häuptling der Apachen auf, seinen

       Wunsch vorzutragen.

       »Es ist kein Wunsch, sondern ein Befehl, welchen ich aussprechen will,« antwortete Intschu tschuna

       stolz.

       »Wir nehmen keine Befehle an,« versicherte der Oberingenieur ebenso stolz.

       Ueber das Gesicht des Häuptlings wollte es wie Aerger gleiten; er beherrschte sich aber und sagte in

       ruhigem Tone:

       »Mein weißer Bruder mag mir einige Fragen beantworten und mir dabei die Wahrheit sagen. Hat er ein

       Haus da, wo er wohnt?«

       »Ja.«

       »Und einen Garten daran?«

       »Ja.«

       »Wenn nun der Nachbar einen Weg durch diesen Garten bauen wollte, würde das mein Bruder dulden?«

       »Nein.«

       »Die Länder jenseits der Felsenberge und im Osten des Mississippi gehören den Bleichgesichtern. Was

       würden diese dazu sagen, wenn die Indianer kämen und dort eiserne Pfade bauen wollten?«

       »Sie würden sie fortjagen.«

       »Mein Bruder hat die Wahrheit gesprochen. Nun aber kommen die Bleichgesichter hierher in dieses

       Land, welches uns gehört; sie fangen uns die Mustangs fort, sie töten unsre Büffel; sie suchen bei uns

       Gold und edle Steine. Nun wollen sie gar einen langen, langen Weg bauen, auf dem ihr Feuerroß laufen

       soll. Auf diesem Wege kommen dann immer mehr Bleichgesichter, welche über uns herfallen und uns

       auch noch das Wenige nehmen, was man uns gelassen hat. Was werden wir dazu sagen?«

       Bancroft schwieg.

       »Haben wir etwa weniger Recht als ihr? Ihr nennt euch Christen und sprecht immerfort von Liebe. Dabei

       aber sagt ihr: ihr könnt uns bestehlen und berauben; wir aber müssen ehrlich gegen euch sein. Ist das

       Liebe? Ihr sagt, euer Gott sei der gute Vater aller roten und aller weißen Menschen. Ist er nun unser

       Stiefvater, dagegen euer richtiger Vater? Gehörte nicht das ganze Land den roten Männern? Man hat es

       uns genommen. Was haben wir dafür bekommen? Elend, Elend und Elend! Ihr jagt uns immer weiter

       zurück und drängt uns immer weiter zusammen, so daß wir in kurzer Zeit elendiglich ersticken werden.

       Warum tut ihr das? Etwa aus Not, weil ihr keinen Raum mehr habt? Nein, sondern aus Habgier, denn in

       euern Ländern ist noch Platz für viele, viele Millionen. Jeder von euch möchte einen ganzen Staat, ein

       ganzes Land besitzen; der Rote aber, der wirkliche Eigentümer, darf nicht haben, wohin er sein Haupt zur

       Ruhe legt. Klekih-petra, welcher hier neben mir sitzt, hat mir von euerm heiligen Buche erzählt. Da ist zu

       lesen, daß der erste Mensch zwei Söhne hatte, von denen der eine den andern erschlug, so daß das Blut

       zum Himmel schrie. Wie ist es nun mit den zwei Brüdern, dem roten und dem weißen Bruder? Seid ihr

       nicht der Kain, und wir sind der Abel, dessen Blut zum Himmel schreit? Und dazu verlangt ihr noch, daß

       wir uns umbringen lassen sollen, ohne uns zu wehren! Nein, wir wehren uns! Wir sind von Ort zu Ort

       verjagt worden, weiter, immer weiter fort. Jetzt wohnen wir hier. Wir glaubten, einmal ausruhen und

       ruhig atmen zu können; aber da kommt ihr jetzt schon wieder, um einen Eisenweg abzustecken. Besitzen

       wir denn nicht dasselbe Recht, welches du in deinem Hause, in deinem Garten besitzest? Wollten wir

       unsere Gesetze anwenden, so müßten wir euch alle töten. Aber wir wünschen nur, daß eure Gesetze auch

       für uns gelten sollen. Tun sie das? Nein! Eure Gesetze haben zwei Gesichter, und diese dreht ihr uns zu,

       wie es zu euerm Vorteile ist. Du willst hier einen Weg bauen. Hast du uns um die Erlaubnis gefragt?«

       »Nein, denn das habe ich nicht nötig.«

       »Warum nicht? Ist dieses Land euer?«

       »Ich denke es.«

       »Nein. Es gehört uns. Hast du es uns abgekauft?«

       »Nein.«

       »Haben wir es dir geschenkt?«

       »Nein, mir nicht.«

       »Und auch keinem Andern. Bist du ein ehrlicher Mann und wirst hierher gesandt, um einen Weg für das

       Feuerroß zu bauen, so mußt du erst den Mann, der dich sendet, fragen, ob er das Recht dazu hat,


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