Der reiche Russe. Dietrich Knak

Der reiche Russe - Dietrich Knak


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er uns nicht. Hat schlechte Erfahrungen mit uns gemacht. Ein Landsmann von uns hat vor ihm ausgespuckt oder ihn bestohlen oder ist rüde gefahren und hat sein Auto beschädigt! Aber, was haben mein Mann und ich damit zu tun. Wir stehlen, schlagen und spucken nicht! Alleine der Gedanke wie unsere zahlreichen deutschen Freunde auf ein Buch, in dem so viel schlechte Dinge über uns stehen, reagieren könnten, bereitet uns beiden allergrößtes Unbehagen.“

      Kutusow quittiert die Szene mit einem zufriedenen Nicken. „In dem Punkt stimmen meine Frau und ich uneingeschränkt überein. Elena, setz dich doch zu uns!“

      „Ich würde ja gerne, aber dazu reicht meine Zeit nicht!“ Zu mir gewandt fährt sie fort: “Ich muss in zwei Stunden im Karlsruher Theater sein. Die Leitung des dortigen Balletts möchte mich für die Choreographie eines Tschaikowsky Stücks gewinnen. Wenn die Bedingungen stimmen, werde ich wohl zusagen. Die sollen nämlich derzeit eine ganz anständige Company beieinander haben!“ Sie schenkt mir abermals ein Lächeln, ihren Mann dagegen übersieht sie erneut. „Also, meine Herren, einen schönen Tag noch.“

      Elena Kutusow ist schon in der Nähe der Tür, da dreht sie sich noch einmal zu uns um. „Ach Valerie, spricht was dagegen, wenn Boris mich nach Karlsruhe fährt?“

      „Nehmt den Maserati! Der sollte wieder mal gefahren werden. “

      „Danke, Valerie! Es kann spät werden!“ Elena Kutusow verlässt, eine Melodie trällernd, schwebend den Raum.

      „Nun haben Sie auch meine Frau kennen gelernt!“ Kutusow knetet wie befreit an seinem Schnauzer herum. „Kehren wir zu unserem Manuskript zurück! Ich habe bisher lediglich ein paar Seiten dieses Machwerks gelesen. Sie wurden mir zugespielt. Keiner von meinen Landsleuten, einschließlich meiner Wenigkeit, kommt darin gut weg! Deshalb sind wir fest entschlossen, eine Veröffentlichung, wenn es sich irgendwie einrichten lässt, zu vermeiden.“ Kutusow bearbeitet weiter seinen Schnauzer. „Das Buch „Die reichen Russen in Baden-Baden“ gehört nicht in eine Buchhandlung, sondern hat dort seinen Platz!“ Kutusow zeigt entschlossen auf den Safe.

      „Wie viel bieten Sie dem Verfasser?“

      „Fünfhunderttausend! Euro!“

      Ich stoße einen Pfiff aus. „Und mich haben Sie dazu auserkoren, bei dem Herrn Sachbuchautor das Geld vorbeizubringen?“

      „Ja!“

      „Warum fahren Sie nicht selbst zu ihm? Ich meine, Ihr Deutsch ist absolut verhandlungsfest! Sollten Sie Angst haben alleine hinzufahren, könnte ich Sie begleiten!“

      Die rechte Hand des Hausherrn klatscht verärgert auf die Armlehne seines Sessels. „Ich habe keine Angst! Der Grund ist ein anderer: Ich will mich nicht zu erkennen geben. Wer vermögend ist, sollte es, wenn es sich irgendwie machen lässt, tunlichst vermeiden. Ich wäre noch schneller erpressbar, als ich es ohnehin bin.“

      „Das leuchtet mir ein! Und was sage ich, wenn Herr Brandt von mir wissen will, wer mich schickt?“

      „Es gibt in dieser Stadt einen ‚Freundeskreis russischer Bürger in Baden-Baden‘. Wer dazugehört, braucht Sie nicht zu interessieren. Auch von mir wissen Sie nichts!“

      „Und Sie sind der Vorsitzende des Vereins!“

      Kutusow schüttelt den Kopf. „Der Vorsitz liegt in den bewährten Händen unseres allseits geschätzten Gulja Makarow! Ein zuverlässiger, ergebener und obendrein ein durch und durch ehrlicher Mensch. Leider handelt es sich hier um eine aussterbende Spezies!“

      „Gehört er auch zu dem erlesenen Kreis der zehn Auserwählten, über die Eugen Brandt in seinem Buch schreibt?“

      „Nein, nein! Unser Gulja hält sich gerne bedeckt. Nur wenn er gebraucht wird, ist er zur Stelle.“

      „Ein Strohmann gewissermaßen.“

      Kutusow zuckt mit den Schultern. „Ich kenne den Begriff nicht!“

      Ich verzichte darauf, ihm das Wort Strohmann zu erklären. Ich bin mir sicher, er will ihn nicht kennen.

      Kutusow geht zum Safe und streichelt sein Ungeheuer erst einmal ausgiebig. „Aufgetrieben habe ich meinen Freund, als ich noch an der Lomonossow Universität gearbeitet habe und zufällig die dortige Parteizentrale betrat, und zwar kurz nachdem es keine Partei mehr gab. In ihm wurden die Dokumente der Mitglieder aufbewahrt, die es ebenfalls allesamt nicht mehr gab. Mein Freund war somit überflüssig geworden. Ein paar Rubel reichten, und er gehörte mir. Eine Liebe auf den ersten Blick!“ Kutusow gibt geschwind eine irre lange Zahlenkombination in ein Tastenfeld ein und wartet bis ein Gong ertönt. Danach lässt sich die Tür des Ungeheuers problemlos öffnen. Der Russe entnimmt dem Safe ein kleines, schwarzes Aktenköfferchen, das er vor mir auf dem Couchtisch abstellt. Er schmunzelt. „Bei mir macht mein Freund endlich das, wozu man ihn gebaut hat: Den Besitz seines Eigentümers zu schützen! Ansonsten, Herr Marowski, ich würde mich freuen, wenn Sie die Sache noch heute angehen würden!“

      „Wie Sie wünschen!“

      Kutusow reicht mir Brandts Visitenkarte. Der Autor wohnt in Karlsruhe-Durlach. Schon als Kind bin ich öfter in Karlsruhe gewesen, um den KSC Fußball spielen zu sehen oder ins Kino zu gehen. Bei meinem Abgang schmeiße ich spontan all meine russisch Kenntnisse in die Arena: „ Gospadin Kutusow! Doswidanja!“

      „Doswidanja, Gospadin Marowski!“, erwidert Kutusow sichtlich beeindruckt. Damit hatte er nicht gerechnet. „Und Grüße an meinen Freund Dr. Wohlleben!“

      Vor dem Haus stoße ich auf Boris, der an einem Porsche herumwienert, während er mich weiterhin wie Luft behandelt. Dennoch bekommt auch er ein kräftiges „Doswidanja!“ zu hören. Wider Erwarten hebt er den Kopf, lächelt und antwortet auf Russisch. Auch wenn ich ihn nicht verstehe, werte ich es trotzdem als Fortschritt. Er reagiert zu mindestens. Vielleicht werden wir beide doch noch mal Freunde.

      Auf der Kaiser-Wilhelm Straße fällt mir eine Anfrage an den Sender Jerewan ein. Stimmt es, dass Serge Sergejewitsch bei einer Tombola in Moskau ein Auto der Marke Moskwitsch gewonnen hat? Die Antwort des Senders: Im Prinzip ja. Nur war es kein Auto der Marke Moskwitsch, sondern ein Fahrrad der Marke Ural. Und bedauerlicherweise hat Serge Sergejewitsch dieses Fahrrad nicht gewonnen, sondern es wurde ihm bedauerlicherweise gestohlen.

      Um ehrlich zu sein, ich habe mir von dem Besuch bei Kutusow entschieden mehr versprochen. Vor allem auf einen richtigen Auftrag gehofft, bei dem es um eine große Sache geht. Strenggenommen ist das, was er von mir verlangt, nicht mehr als ein besserer Botengang, der zwar leicht verdientes Geld verspricht, doch dieser Auftrag hat auch seinen Haken. Ich helfe Superreichen, Dinge unter den Teppich zu kehren, die das Licht der Öffentlichkeit scheuen. Das hinterläßt ein ungutes Gefühl. Womit ich mich beruhige: Ich leiste nur ein ganz klein wenig Beihilfe. Selbst unter einem guten Mikroskop kaum erkennbar. Doch ich kann einen mildernden Umstand geltend machen: Mein Konto steht im Minus.

      Zu Hause angekommen, rufe ich umgehend Eugen Brandt an. Ich gebe mich als Privatdetektiv zu erkennen, den „Der Freundeskreis russischer Bürger in Baden-Baden‘ beauftragt hat, Kontakt mit ihm aufzunehmen. Der Autor ist umgehend bereit, mich zu empfangen. Kaum ist das Gespräch beendet, beschleicht mich so ein vages Gefühl, Brandt hat auf meinen Anruf gewartet.

      2.

      Bei purem Sonnenschein, gepaart mit einem tief dunkelblau eingefärbten Himmel, an dem sich nicht das kleinste Wölkchen zeigt, dazu angenehmen fünfundzwanzig Grad Außentemperatur und das alles vermengt mit einer leichten Brise samtweichem Südwestwind, der es vom fernen Mittelmeer bis zu uns an den Oberrhein geschafft hat und mir dank des heruntergekurbelten Fensters zart die Kopfhaut streichelt, fahre ich völlig entspannt über die A5. Kaiserwetter höre ich meinen leider viel zu früh verstorbenen Vater voller Wollust sagen. Wenn bei ihm das Wetter stimmte, dann stimmte in der Regel auch das Übrige. Wobei seine Stimmungslage bei schlechtem Wetter ebenso rasant in die andere Richtung kippte. Ein wenig ist davon auch an mir hängen geblieben.

      In Höhe Rastatt denke ich darüber nach, wieviel Geld ich Kutusow für


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