Der reiche Russe. Dietrich Knak

Der reiche Russe - Dietrich Knak


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popelig.“

      „Wieviel will er?“

      „Hat er mir nicht verraten. Nur eins ist klar: Es ist ihm zu wenig! Der Mann behauptet sogar, er habe sich wegen dem Buch verschuldet!“

      „Entschuldigung, Herr Marowski, ich hätte Ihnen gleich mehr mitgeben sollen. Das war mein Fehler.“

      Und urplötzlich ist es mit meiner Beherrschung vorbei. Ich schreie ins Telefon. „Dieser Mensch hat mich aufs Übelste beleidigt. Hat mich miesen Arschlecker genannt! Stellen Sie sich vor: Arschlecker! Und das war nicht alles!“ Ich muss erst einmal Luft holen, bevor ich in der Lage bin, weiterzusprechen. „Doch was das Schlimmste an allem ist: Der Mann hat verdammt noch mal irgendwo Recht!“

      „Nun beruhigen Sie sich erst einmal!“ Kutusows Stimme bekommt einen Tonfall, als spricht er zu einem Kind, welches dringend die tröstenden Worte eines Erwachsenen braucht. „Herr Marowski, ich kann Ihnen versichern, dass Sie kein Arschlecker sind. Eher alles andere, nur das nicht. Ich sage so etwas nicht nur so daher, ich kenne mich mit Menschen aus!“ Nachdem Kutusow eine Weile schweigt, fragt er unvermittelt: „Was ist dieser Brandt überhaupt für ein Mensch?“

      „Ein aufgeblasener Moralapostel! Er zählt sich zu den Guten, die der liebe Gott auserkoren hat, um die vom Verfall bedrohte Welt zu retten. Eine Art Supermann aus amerikanischen Filmen.“ Ich lege eine Pause ein, dann fahre ich resigniert fort: „Auch möglich, dass die Chemie zwischen ihm und mir nicht stimmt! Wir haben uns nur kurz in die Augen gesehen und schon mochten wir uns nicht! Wie Polen und Russen! Oder Griechen und Türken! Wir stoßen uns gegenseitig ab! Sind wie Plus und Plus!“

      „Unsinn!“, erwidert mein Mandant entschieden. „Der Mann pokert! Er will mehr Geld! Den Wunsch können wir ihm doch erfüllen!“

      „Herr Kutusow, mir ist es inzwischen egal, ob er pokert: Schicken Sie bitte einen anderen zu ihm! Ich möchte mit dem Auftrag definitiv nichts mehr zu tun haben!“

      „Und warum sollte ich?“

      „Weil ich den Mann hasse! Und er hasst mich! Wir drehen uns gegenseitig die Hälse um!“, danach schreie ich aufgebracht in den Apparat. „Ich will kein Honorar, ich will keine Fahrkosten, ich will nichts!“

      „Herr Marowski, ich betrachte den Auftrag keineswegs als abgeschlossen! Sie stehen nach wie vor in der Pflicht, ihn zu Ende zu bringen! Und aus noch einem Grund müssen Sie es tun. Brandt erwartet Sie und niemand anders! Selbst wenn er Sie hassen sollte!“

      „Nein, Sie bekommen Ihre Fünfhunderttausend zurück und das war’s!“

      Kutusow überhört mein Argument. „Ich garantiere Ihnen, Ihr morgiger Besuch verläuft entschieden erfolgreicher als der heutige.“ Seine Stimme wird weich und verbindlich. „Ich verstehe Sie ja. Der Mann hat Sie beleidigt, Sie gekränkt, Ihnen wehgetan. Ein stolzer Mann wie Sie steckt das nicht einfach weg. Ich hätte daran auch zu knappern. Aber das geht vorüber! Also Kopf hoch! Im Übrigen, korrumpierbar ist nahezu jeder. Gerade diese Gutmenschen! Ich hatte mit diesen Typen oft zu tun. Die kippen, wenn es um den eigenen Vorteil geht, besonders schnell um.“

      „Ein zweites Treffen endet garantiert in einer Schlägerei! Für einen endet sie möglicherweise sogar tödlich!“, erwiderte ich.

      „Es gibt noch einen Grund, warum Sie es machen müssen: Je weniger Leute in den Ankauf des Manuskripts involviert sind, desto besser. Und daher wird meine Tochter Natascha Ihnen erst einmal weiteres Geld bringen. Packen Sie es zu den Fünfhunderttausend. Im Koffer ist doch noch Platz?“

      „Das ist nicht das Problem!“

      „Dann kann ja nichts schiefgehen! Sagen wir, sie wird Morgen Vormittag gegen zehn Uhr bei Ihnen sein. Danach fahren Sie umgehend ein zweites Mal zu Brandt nach Karlsruhe!“

      „Herr Kutusow, auch wenn Sie sich weigern, mich zu verstehen: Ich habe meine Grundsätze! Und wenn ich nicht will, dann will ich nicht!“ Geradezu pathetisch ergänze ich:„ Für Nichts auf der Welt!“

      „Herr Marowski, falls Sie mit dem unterschrieben Vertrag zurückkommen, erhalten Sie von mir auf der Stelle Zwanzigtausend! Euro wohlgemerkt! Und wenn Sie es wünschen, öffne ich meinen Safe, entnehme ihm das Geld und lege es Ihnen cash auf die Hand. Und das einzig und allein aus einem Grund: Ich möchte die Sache endlich aus der Welt geschafft haben!“

      „Zwanzigtausend!“, hauche ich, während sich ein grauer Schleier um meinen Kopf legt. Sicher habe ich mich verhört. Kutusow meint Zweitausend.

      „Zwanzigtausend!“, wiederholt Kutusow, als ahne er meine Bedenken.

      Mein Mund ist mit einem Schlag furztrocken. So viel Geld kann ein armer Kerl wie ich, Moral hin und Moral her, nicht einfach ablehnen. Es ist schlichtweg die Chance meines Lebens. Die bekomme ich kein zweites Mal! Sollte ich sie leichtsinnigerweise ausschlagen, heule ich ihr den Rest meines Lebens hinterher. „Herr Kutusow, ist das nicht ein bisschen viel Geld?“, ist alles, was ich hervorbringe.

      „Herr Marowski, ich habe lediglich drei Bedingungen: 1. Diskretion, 2. Diskretion, 3. Diskretion!“

      Zwanzigtausend! Für mich eine geradezu ungeheurere Summe! Ich wäre ein anderer Mensch! Müsste nicht mehr jedem Auftrag hinterherhecheln. Schließlich murmle ich mit tönender Stimme, ohne dass ich es sagen wollte: „Herr Kutusow, wenn Ihnen so viel daran liegt, dass ich ein zweites Mal zu Brandt gehe, dann in Gottes Namen, mache ich es halt!“

      „Das freut mich!“, erwidert Kutusow gelassen. „Meine Tochter bringt Ihnen Morgen Vormittag gegen 10.00 Uhr zusätzliches Geld.“

      „Wie viel?“

      „Das lasse ich mir noch durch den Kopf gehen!“ Danach ist unser Telefonat beendet.

      Kaum habe ich das Telefon aus der Hand gelegt, beginnen die Zwanzigtausend bereits vor meinen Augen herumzutanzen, Mal als Gesamtpaket einem Marsch folgend, dann wieder als ein Meer von Scheinen, bei dem sie sich im Takt eines Walzers bewegen. Schließlich lasse ich mich erschöpft in meinen einzigen Sessel fallen. Ich bin vor Geld eingeknickt, habe meine Prinzipien mit wehender Fahne über Bord geworfen. Doch je länger ich es mir durch den Kopf gehen lasse, umso weniger schlimm finde ich es! Es ist strenggenommen nur menschlich, auch Mal etwas zu besitzen. Kaum jemand möchte für immer und ewig als armes Schwein herumlaufen. Auch könnte ich mit dem Geld endlich etwas für mein Alter tun. Ich schalte den Fernseher ein und zapfe solange herum, bis ich einen Tierfilm finde. Rasch tauche ich in seine heile Welt ein, nach der ich mich offenbar sehne.

      4.

      Während ich mich meiner morgendlichen Kanne Schwarztee und den beiden dazugehörenden Toastbroten widme, lässt mich eine Frage nicht los: Wie verhalte ich mich, wenn Brandt mich abermals unverrichteter Dinge nach Hause schickt? Ich würde von diesen Zwanzigtausend nichts sehen. Das darf nicht sein! Ich habe bereits begonnen Pläne zu schmieden. Eigenes Büro, die richtigen Aufträge. Und plötzlich formt sich ein Plan B in meinem Kopf. Ich gehe zu seiner Frau, die keine hundert Meter von der Wohnung entfernt, ein kleines Geschäft betreibt. Ich werde vor ihren Augen den Koffer öffnen, damit sie das viele Geld authentisch sieht und sie dann auffordern, ihren starrsinnigen Mann zur Vernunft zu bringen. Frauen können Krieger sein! Man muss nur verstehen, sie dahingehend zu motivieren.

      Mir fällt ein, dass der Besuch von Kutusows Tochter ansteht. Ich frage mich, wie wird diese Natascha aussehen? Sicher ist sie eine Kopie ihres Vaters. Wenn Kutusow von ihr spricht, leuchten seine Augen. Nun ja, das ist bei Vätern generell so! Von meinem Vermieter weiß ich, die junge Dame ist Mitte Zwanzig und hat in Frankfurt Finanzwirtschaft studiert. Das letztere spricht eher dafür, dass sie keine Schönheit ist. Hübsche Frau wählen eher andere Fächer. Kunst, Theater, Sprachen oder Literatur. Gebiete, die halt interessanter sind. Hinzukommt, es muss auch nicht immer stimmen, was da gesagt wird! Deshalb stürzt kein Haus ein, kein Computer bleibt stehen, niemand meldet Konkurs an. Und dominant wie Kutusow ist, wird er seinem Töchterchen sicher auch seine kräftige Nase einschließlich stämmiger Figur vermacht haben. Unter dem Strich ist sein heißgeliebtes Töchterchen Natascha ein Double von


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