Das Vermächtnis aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen

Das Vermächtnis aus der Vergangenheit - Sabine von der Wellen


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aufgepasst hatte. Er ging davon aus, dass mir einer an die Wäsche gegangen war. Dass ich ihm aber nichts erzählen wollte, machte ihn ziemlich wütend …“

      Meine Geschichte lasse ich mit Marcels Gespräch mit einem Bekannten fortfahren, der ihm steckte, dass ich mich auf der Tanzfläche nur schwer eines sehr anhänglichen jungen Mannes erwehren konnte und dieser Typ mir dann nach draußen gefolgt war.

      „Da die Beschreibung auf den Lehrling aus seinem Betrieb passte, obwohl das Tim gewesen war, prügelte sich Marcel mit ihm und brach ihm die Nase. Daraufhin verlor Marcel fast seinen Job, weil man natürlich keine Arbeitskollegen verhauen darf“, beende ich diese Episode.

      „Oh Mann!“, raunt Andrea kopfschüttelnd. „Und das alles wegen Tim.“

      Ich beginne die nächste Geschichte, die auf der Jugendfete weitergeht, an der Tim erneut das Lied spielte, als Musikwunsch für eine Carolin und dass Marcel darüber so verwirrt war.

      Wieder schmelzen meine Zuhörerinnen seufzend dahin.

      „Marcel machte sich voll die Sorgen, was das mit dem Lied bedeuten könnte und ob es nicht doch für mich war und ich das nur nicht zugeben wollte. Ich hatte ganz schön zu kämpfen, ihm das auszureden. Und dann nahm er mich am nächsten Tag das erste Mal mit zu seinen Eltern zum Kaffeetrinken.“

      Ich lasse die Fahrt zu Marcels Eltern folgen, seine Übergabe des Vorverlobungsringes und der Aussage von Marcel vor seinen Eltern, dass er und ich verlobt sind, und er mich heiraten wird … statt Katja.

      „Statt wem?“, kommt es fast gleichzeitig aus den Mündern.

      Ich erzähle ihnen, dass seine Eltern Marcel mit der Tochter einer Freundin zusammen sehen wollen und dass diese Tochter Marcel auch unbedingt haben will. Und damit habe ich den Grundstein für die nächsten Begebenheiten und der nächsten Scheunenfete gelegt.

      Völlig gebannt hören sie sich meine Ausführung von Katjas Auftritt an und wie ich alles an diesem Abend erlebt hatte.

      „Tim tauchte plötzlich auf und wollte mich sofort wegbringen. Aber ich wollte wissen, wo Marcel mit dieser Katja abgeblieben war. Tim konnte mich nicht aufhalten und dann sah ich sie … Marcel und Katja zusammen hinter dem Zelt.“

      „Ach du Scheiße!“, entfährt es der sonst so sittsam sich ausdrückenden Michaela, während ihre großen, blauen Augen auf mich gerichtet sind und sie ihr langes, blondes Haar zurückwirft. Und auch alle anderen sind außer sich.

      „Tim packte mich und brachte mich weg … zu sich nach Hause.“

      „Herrje! Und dann? Das war doch seine Chance!“, stößt Andrea mit roten Wangen hervor.

      „Joop!“ Ich erzähle ihnen von den vielen SMSen von Marcel und seinen Anrufen, und dass Tim mein Handy davon säuberte. Ich berichte ihnen von dem tränennassen Kissen in meinem Bett, und dass Marcel die Nacht letztendlich dort verbracht hatte, statt bei Katja und mir einen Brief geschrieben hatte, der in meinem Zimmer auf mich wartete. Dass ich das alles entdeckte, als ich mir meine Sachen holen wollte, ließ ich folgen … und unsere darauffolgende Verfolgungsjagt, als Marcel mich und Tim einholen wollte, um mich zu einem Versöhnungsgespräch zu bewegen. Die Geschichte mit den Bildern, die herumgingen und in der Katja allen mitteilte, dass sie mit Marcel zusammen ist, nimmt meinen Zuhörerinnen den Atem. Erboste Ausrufe werden laut.

      Ich fahre fort, selbst von den Gefühlen wieder niedergedrückt: „Das wusste ich aber alles nicht, weil Tim darauf achtete, dass mich ja nichts erreicht. Und dann, nur durch Zufall und über eine Freundin, bekam ich die Bilder doch zu sehen und schickte Marcel eine böse SMS, dass ich bedauere, je mit ihm etwas angefangen zu haben. Naja, und Tim war nach zwei Tagen völlig fertig, weil er mit meiner Nähe nicht klarkam, ohne mich anrühren zu dürfen und ich beschloss, mit ihm zu schlafen. Ich weiß nicht genau wieso, vielleicht um besser mit dem Verlust von Marcel fertig zu werden.“ Wieder kann ich ihnen nichts von dem Fluch erzählen, der Tim zugesetzt hatte. „Das war aber irgendwie nicht so wie bei Marcel und so versuchten wir es noch ein paar Mal. Aber er konnte Marcel nicht das Wasser reichen.“ Ich grinse alle frech an. Hier bin ich die Coole und kann auch so tun, als wäre alles nicht so schlimm gewesen.

      Marcels Widerruf, dass er nicht mit Katja zusammen ist und auch nie sein wird und dass er nur mich liebt, lässt wieder der einen oder anderen einen Seufzer über die Lippen rinnen wie flüssige Erdbeersoße.

      „Und dann wisst ihr ja, dass Marcel mich hier an der Schule abgepasst hat. Er konnte mir glaubhaft versichern, dass Katja alles inszeniert hatte, um uns auseinanderzubringen und ich wurde schwach. Aber Tim war sauer, als er hörte, dass wir uns ausgesprochen hatten und noch wütender, dass ich mein Wochenende mit Ellen im Nachtleben Osnabrücks verbrachte, statt wie abgesprochen mit ihm zusammen. Er rief mich den ganzen Abend an und bombardierte mich mit SMSen. Als er mich endlich erreichte, wollte er mich sofort abholen. Voll stalkermäßig. Und dann traf ich mich am nächsten Tag mit Marcel zum Eis essen. Daraufhin drehte Tim durch.“

      Ich sehe an den Gesichtern der Mädels, dass es nach deren Meinung nicht noch schlimmer kommen kann. Aber als ich dann von dem Nachmittag berichte, an dem Tim und meine bis dahin beste Freundin sich in der Eisdiele zu uns gesellten und er mich so böse Angriff und sogar unter dem Tisch drangsalierte, wurden sie eines Besseren belehrt.

      „Marcel war an diesem Nachmittag sowieso schon völlig durcheinander, weil ihm meine Mutter versehentlich Tims MP3 Player mit seinem Liebeslied in die Hand gedrückt hatte, in der Annahme, es sei seiner. Ihr könnt euch denken, was in ihm vorging, als er das Lied hörte, dass auf der Jugendparty für eine Carolin gespielt wurde. Außerdem wusste er, dass ich das Gerät in der Nacht der ersten Scheunenfete in der Tasche hatte, als ich so neben mir stand. Mir war klar, dass ich ihm eine Erklärung schuldig war … und dann Tim noch dazu, der mich fast schon erpresste. Ich sage euch! Ich beschloss, dort an dem Tisch dieser Eisdiele, Marcel alles über mich und Tim zu erzählen.“

      Und so lasse ich die Geschichte mit Marcel und meiner Aussprache mit ihm am See folgen, in der er von mir und Tim erfuhr, und dass Marcel mich daraufhin einfach stehenließ. Und mit trauriger Stimme, die meine Gefühle von diesem Tag wiederspiegeln, erzähle ich von Tim, der mich auf meinem Nachhauseweg aufgriff und dem ich sagte, dass es zwischen uns ein für alle Male aus ist.

      „Ich beschloss an diesem Sonntagnachmittag, völlig erschüttert von allem, nie wieder etwas mit einem Kerl anzufangen“, sage ich in einem unumstößlichen Ton und sehe von einer zur anderen.

      „Poor! Das kann ich nur zu gut verstehen“, raunt Susanne, während alle anderen mich nur groß anstarren.

      Meine Geschichte soll natürlich mit einem Happy End enden und ich fahre fort: „Und dann war ich letztes Wochenende mit Ellen in Osnabrück unterwegs und obwohl sie immer aufpasst wie ein Luchs, hat mir jemand etwas ins Glas getan und ich war völlig stoned.“

      Ich zwinkere Ellen zu, die hellhörig diese Version meiner Geschichte verfolgt, ein leichtes Schmunzeln in den Mundwinkeln. Ich kann schließlich nicht sagen, dass es ihr Bruder bei ihr zu Hause war, während sie irgendwelche Junkies retten wollte.

      „Ellen rief Marcel an, damit er mich abholt. Ich konnte so weder zu ihr noch zu mir nach Hause. Und der ist tatsächlich gekommen. Er hat mich in seine neue Wohnung mitgenommen und dort schlimm zusammengefaltet und mir vorgehalten, dass ich ohne ihn im Nullkommanichts unter die Räder komme. Das musste ich natürlich einsehen … und so sind wir halt wieder zusammengekommen“, beende ich meine Geschichte ziemlich lapidar.

      Einige Zeit ist es still um mich herum. Selbst die Vögel auf den Bäumen scheinen sich erst mal fangen zu müssen. Auch die Gruppen um uns herum erwachen nur langsam wieder zum Leben. Oder meine ich das nur? Auf jeden Fall sind meine Zuhörerinnen ziemlich mitgenommen.

      „Manometer! Das ist unglaublich, was bei euch auf dem Land so alles abgeht. Ich glaube, ich ziehe um“, sagt Sabine, die sich am schnellsten wieder einkriegt, lachend.

      Ellen steht auf. „Kommt, Mädels. Ich denke, wir genehmigen uns in der nächsten Kneipe einen Drink. Das war Stoff für einen Film. Das muss man erst mal verkraften!“

      Sie


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