Das Vermächtnis aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen

Das Vermächtnis aus der Vergangenheit - Sabine von der Wellen


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er mich abholen musste. Was tue ich ihm nur wieder an?

      Marcel schaut plötzlich auf und sieht mich im Türrahmen stehen.

      Ich schlucke bei seinem Anblick, aber der Kloß in meinem Hals will nicht weichen.

      „Was mache ich jetzt mit dir?“, fragt er und sieht mich kopfschüttelnd an.

      Ich stehe nur da. Unschlüssig, was nun passieren soll.

      „Willst du einen Kaffee oder so? Ich weiß auch nicht, was ich dir am besten gebe und was nicht. Ich habe keine Anleitung für die neue Carolin bekommen“, meint er barsch.

      Was redet er für einen Quatsch.

      „Ich will nichts. Hättest mich schließlich nicht abholen brauchen“, antworte ich, aber meine Stimme versagt mir fast.

      „Ja klar! Und dann? Was meinst du, warum diese Ellen es für nötig hielt, jemanden dich da wegholen zu lassen? Und schau dich doch an? Du bist doch völlig fertig! Nicht auszudenken, was die Typen da mit dir angestellt hätten.“

      Was für ein Aufriss. „Da wäre mir nichts passiert. Außerdem kann ich gut auf mich selbst aufpassen. Ich habe nicht mal etwas getrunken. Erik hat mir nur Cola gegeben. Extra, hat er gesagt.“

      „Erik? Ah, ist das dieser Bruder von dieser Ellen? Glaub mir, du hast das nur nicht geschnallt. Tim hat da echt recht. So ein Mauerblümchen wie du geht da sang- und klanglos unter. Du hast nicht mal geschnallt, dass die dir Drogen gegeben haben“, knurrt er aufgebracht.

      Ich muss mich hinsetzen. Marcel ist wirklich böse zu mir.

      Langsam schleiche ich zu einem seiner Küchenstühle und setze mich. „Das stimmt doch gar nicht! Die Cola hat Erik vor mir aufgemacht. Das habe ich voll gecheckt. Und seine Zigarette kam auch aus der Schachtel.“

      Ich beginne meine Taschen nach meinen Zigaretten abzusuchen. Aber die sind wohl bei Ellen geblieben … mit meiner Jacke. Ich habe noch nicht mal meinen Hausschlüssel mitbekommen.

      „Hast du eine Zigarette für mich?“

      Marcel sieht mich aus zusammengekniffenen Augen an. „Da kann man nur hoffen, dass du wirklich nicht schwanger bist“, raunt er leise und schüttelt den Kopf.

      „Bin ich nicht!“, beteuere ich.

      Er greift nach seiner Schachtel und gibt mir eine Zigarette, steckt sich auch eine in den Mund und gibt uns Feuer. Er beobachtet, wie ich rauche und schüttelt erneut den Kopf. „Das man in so kurzer Zeit so unter die Räder kommen kann“, brummt er leise und mehr zu sich selbst.

      Aber ich habe es gehört.

      „Bin ich doch gar nicht!“, sage ich und setze mich gerade hin, ihn hochmütig ansehend.

      Was meint er eigentlich? Mir ging es nie besser!

      Jetzt wird Marcel richtig böse. „So, nicht? Vor zwei Wochen hast du zwar mal auf einer Party Alkohol getrunken, aber das war’s. Jetzt rauchst du, säufst und nimmst Drogen. Keine zwei Wochen später. Und treibst dich mit seltsamen Typen in irgendwelchen dunklen Absteigen herum. Du schnallst nicht mal, wenn dir einer irgendeinen Scheiß gibt, damit er dich in die Kiste kriegt.“

      „Hat doch keiner“, sage ich betroffen.

      Marcel steht langsam auf und setzt sich direkt vor mir auf einen Stuhl. Seine Nähe lässt mein Herz seine Taktzahl erhöhen. Er sieht mich herausfordernd an und zischt leise: „Dann erzähle ich dir mal, wie ich das alles sehe.“ Sein Blick verfinstert sich. „Irgendwer hat dir heute auf irgendeine Weise Drogen verabreicht. Wahrscheinlich dieser Erik.“

      Ich sehe ihn groß an. Marcel ist wirklich böse. Gar nicht nett. Überhaupt nicht.

      „Überleg doch mal! Was ist passiert? Was hast du zu dir genommen oder geraucht?“

      Ich überlege. „Nichts! Ich habe nur ein paar Kekse gegessen. Die hat man mir gegeben. Aber nicht Erik!“

      Ich sehe Erik vor mir. „Braves Mädchen“, hatte er gesagt, als ich den dritten nahm. War da etwas in den Keksen?

      „Oh Mann! Ich weiß nicht viel darüber. Aber wahrscheinlich waren das irgendwelche Drogenplätzchen. Und schau dir deine Pupillen an. Aber dass die das machen ohne dich zu fragen, ob du das überhaupt willst, zeigt doch, dass die nichts Gutes im Schilde führten“, knurrt er aufgebracht.

      Marcel sieht alles viel zu schwarz. Es ist doch nichts passiert. Ich hatte alles unter Kontrolle.

      „Hm, keine Ahnung. Wie sehen denn meine Pupillen aus?“, frage ich neugierig.

      „So groß, dass fast nichts Grünes zu sehen ist. Und das bei dem Licht hier!“

      Ach, alles Nonsens. Mir geht es schließlich gut. Ich spüre nichts. Vielleicht ist das Licht etwas ausfallend geworden und die Farben etwas unwirklich. Aber sonst? Ich rege mich nicht mal darüber auf, dass ich bei Marcel bin. Also ist doch alles gut!

      „Vielleicht solltest du einfach schlafen gehen und den Rausch ausschlafen“, murmelt er nachdenklich und wirkt verunsichert. „Dann kann wenigstens nichts passieren.“

      „Was soll denn passieren?“, frage ich verwirrt. Marcel ist wirklich komisch drauf.

      „Keine Ahnung, was da für Wirkungen noch auftreten?“, brummt er.

      Okay! Marcel ist mit mir überfordert. Das wird mir jetzt klar. Dabei ist doch nichts! Ich bin wie immer! Oder hat er Angst, dass ich ihm etwas antue?

      „Hast du Angst, ich überfalle dich?“, frage ich und unterdrücke einen Lachanfall, der sich hocharbeitet. „Oder dass ich dich vergewaltige? Uuuh!“ Ich fuchtele ihm vor der Nase herum.

      Mich ernst musternd, brummt er: „Damit könnte ich noch leben. Aber du verstehst mich nicht. Ich habe Angst um dich. Wenn ich sehe, was aus dir in so kurzer Zeit geworden ist, dann möchte ich nicht wissen, was in den nächsten Wochen noch alles mit dir passiert. Du bist völlig aus der Bahn!“

      Das ist nicht fair. Ausgerechnet er muss mir das Vorhalten?

      „Da kann ich doch nichts dafür! Ich habe mir das nicht ausgesucht. Du hast das gemacht!“, werfe ich ihm mit der aufsteigenden Traurigkeit kämpfend vor, die meinen vorherigen Lachanfall in die Flucht schlägt. „Du mit deiner Katja.“

      Auf den Boden sehend, nickt er. „Das tut mir alles echt leid. Aber es musste wohl so laufen, damit ich endlich mal erfuhr, dass du die ganze Zeit Tim im Anschlag hattest. Wann hättest du mir von euch erzählt? Wohl nie! Und ich laufe wie ein Trottel einfach mit.“ Er sieht auf und der Schmerz in seinen Augen trifft mich, trotz des dicken Panzers, der mich eigentlich in meinem tiefsten Inneren ruhig hält. Nur die Schwankungen von traurig und lachend machen mir etwas zu schaffen.

      „Es war nichts mehr zwischen uns. Das war vor dir. Zumindest von meiner Seite. Und Tim hatte das eigentlich akzeptiert. Aber nur solange wir beide zusammen waren. Ich habe zwei Optionen, hat er gesagt. Die erste bist du und die zweite er. Aber ich kann mit ihm nicht zusammen sein. Du hast den angeblich allmächtigen alchemistischen Fluch zerstört. Tim weiß das auch“, knurre ich aufgebracht.

      Marcel hat alles zerstört. Auch meine Fähigkeit zu lieben.

      Der sieht mich an. „Ja, so etwas hat Tim auch gesagt. Ich wollte ihm eigentlich eine reinhauen. Aber er tat mir nur noch leid. Du hast ihn ziemlich getroffen. Er war sich sicher, dass er es bei dir sein wird, wenn er mich erst mal ausgestochen hat. Dass das nicht so kam, hat ihn ziemlich fertiggemacht. Er geht erst mal auf irgend so eine Tour.“

      „Er spielt Klavier. Total schön. Und er spielt jetzt in einem Musical mit. Im Orchester. Voll cool“, sage ich ergriffen, erneut von einer Stimmung in die andere fallend. Ich greife in meinen Ausschnitt und hole die Kette hervor. „Süß, nicht!“

      Marcel sieht mich wütend an. „Was soll daran süß sein? Von dem behältst du eine Kette und meinen Ring nicht?“, faucht er.

      „Das war etwas anderes. Er hat sie mir gegeben, weil wir immer irgendwie


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