Andran und Sanara. Sven Gradert

Andran und Sanara - Sven Gradert


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müssen schnell weiter!“ erklärte er ihnen: „Das wird hier bald von Soldaten nur so wimmeln.“

      Jetzt marschierte der Kriegszauberer vorweg, wobei ihm die drei folgten. Sie mussten so schnell wie möglich das kleine Wäldchen erreichen, wo Audris auf ihn wartete. Er überlegte fieberhaft, wie er sich entscheiden sollte. Audris konnte sie unmöglich alle vier tragen. Würde er mit Audris die Verfolgung aufnehmen, so war er sich sicher, die Entführer noch vor dem Erreichen des Schwarzen Waldes einzuholen. Damit wären die beiden Frauen und der Junge jedoch der Gefahr ausgesetzt, von den Darkaniern aufgegriffen zu werden. Während sie einen Feldweg erreichten, reifte in ihm der Gedanke, Morna alleine mit Audris zum Wald reiten zu lassen. Mit dieser leichten Last wäre das Pferd allemal in der Lage den Wald noch vor den Gesandten zu erreichen. Sobald seine Tochter erst einmal den Boden des heiligen Hains wieder betreten könnte, hätte sie sofort ihre Göttlichen Kräfte zurück.

      „Wo genau führst du uns jetzt hin?“ Fragte ihn Morna plötzlich, nachdem sie zu ihm aufgeschlossen hatte. Ihr Vater zeigte auf eine Hügelkette vor ihnen, die nicht mehr allzu weit entfernt lag:

      „Siehst du die Hügel da vorne? Dahinter befindet sich ein kleines Wäldchen. Dort wartet eine Freundin von mir und deiner Mutter.“

      „Eine Freundin? Was für eine Freundin denn?“ Erkundigte sich seine Tochter nun neugierig.

      „Audris!“ Antwortete er.

      „Tante Audris ist hier? Und sie wartet in.…“

      Vitras verdrehte die Augen und ließ sie nicht aussprechen:

      „Audris ist ein Pferd aus dem Singarium. Es ist ein Geschenk deiner Mutter gewesen, damit ich schneller nach Darkan gelangen konnte. Ich habe das Tier lediglich nach deiner Tante benannt.“

      Wie aus dem Nichts, ertönte rechts von ihnen das ohrenbetäubende Gebrüll mehrerer Einheiten Darkanischer Soldaten, dass sie alle vier zusammenzucken ließ. Zeitgleich schlugen die ersten Pfeile einige Schritt von ihnen entfernt, in den Boden. Vitras wirbelte herum und sah die Männer, wie Ameisen den lang gezogenen Hügel hinunter schwärmen und auf sie zu rennen. Morna warf ihrem Vater einen hilfesuchenden Blick zu.

      „Lauft weg!“ Brüllte Vitras als ein erneuter Pfeilhagel auf sie niederging. Vitras drehte sich blitzschnell herum, als er Elze laut aufschreien hörte. Die Dienerin hielt vor Schreck und Entsetzen die Hände vor ihrem Mund. Erst jetzt nahm er den dünnen Rinnsal Blut wahr, der aus dem Mund seiner Tochter lief. Sie blickte ihn mit glasigen Augen an, und er konnte sie gerade noch auffangen bevor sie zusammensackte. Aus ihrem Rücken ragten zwei Pfeilschäfte.

      „Werft euch hin!“ Brüllte der Kriegszauberer Elze und den Schatten an. Dabei ließ er Morna behutsam zu Boden gleiten. Er hatte nicht die geringste Ahnung wie diese Truppen so überraschend auftauchen konnten. Doch das interessierte ihn im nächsten Augenblick nicht mehr. Das sonst übliche Schwirren das sich stets in der Luft um ihn herum bildete, wenn er kurz davor war seinen magischen Willen zu entfesseln, wurde diesmal von einem lauten knistern überlagert. Der Rubin in seinem Stirnband begann erst zu flimmern, bis er anfing strahlend rot zu leuchten. Blitzschnell zog er die Zwillingsschwerter von Asylya, stand auf und marschierte auf die Soldaten zu.

      Die Bogenschützen knieten und standen in versetzten Reihen oberhalb des Hügels, während die Schwertträger weiter auf sie zustürzten. Der Kriegszauberer entfesselte mit Hilfe der ihm innewohnenden magischen Quelle und dem Rubin seines Stirnbands eine unvorstellbar zerstörerische Druckwelle, die mit ungeheurer Macht auf die Darkanier zuschoss. Viele Soldaten blieben sofort stehen und starrten ungläubig auf die Schneise der Verwüstung, die unaufhaltsam näherkam. Bäume die vereinzelt im Weg standen wurden entwurzelt und mitgerissen. Felsbrocken wirbelten durch die Luft während Erde wild zur Seite schoss. Dann schlug die Druckwelle auf die gut hundert Soldaten ein. Zuerst traf es die Schwertträger. Körper wurden durch die Luft gewirbelt, wieder auf die Erde geworfen und dabei regelrecht zerschmettert. Andere wurden von herumfliegendem Felsgestein erschlagen. Knochen brachen, Gliedmaßen wurden unnatürlich verdreht während andere hart zusammenprallten. Die Bogenschützen hatten nur wenige Augenblicke, in denen sie fassungslos auf das Chaos blickten, das ihre Kameraden ereilte. Dann wurden auch sie von der Druckwelle erfasst, die gnadenlos den Hügel emporfegte.

      Urplötzlich war alles vorbei und es herrschte eine Totenstille. Einzig unterbrochen vom schmerzhaften stöhnen oder keuchen einiger schwer Verwundeter, die den Ausbruch überlebt hatten. Vitras führte die Schwerter wieder in ihre Scheiden und rannte zu Morna. Sie atmete noch, doch ihre Verletzungen waren lebensgefährlich. Elze strich ihr zärtlich über den Kopf während der Schatten eine von Mornas Händen hielt.

      „Könnt ihr nicht irgendetwas mit euren Fähigkeiten für sie tun?“ Stammelte die Dienerin.

      Vitras schüttelte nur mit dem Kopf. Er war ein Kriegszauberer. Er besaß nicht die Fähigkeit, heilend auflebende Körper einzuwirken. Ansonsten wäre Mornas geschundenes Auge längst genesen.

      „Diese Art der Magie beherrsche ich nicht!“ Brachte er zitternd hervor. Dann versuchte er sich selbst Mut zu machen.

      „Vielleicht gibt es noch eine Möglichkeit. Ich muss sie so schnell wie möglich in ihren Wald bringen.

      „In den schwarzen Wald?“ Schluchzte Elze ungläubig: „Wie soll es dem armen Kind helfen, wenn ihr sie in die Wildnis bringt?“

      „Mann nennt ihn auch den Wald der Götter!“ Belehrte Vitras die alte Frau. Behutsam hob er seine Tochter, die nicht mehr bei Bewusstsein war, hoch:

      „Morna ist keine Wilde, die in irgendeinem Wald aufwuchs, bis der Herrscher sie fand. Sie ist eine Halbgöttin und im Wald bekommt sie ihre Macht zurück. Wenn ich sie lebend dorthin bekomme.“

      Daraufhin drehte er sich um und trug Morna zu dem kleinen Wäldchen. Elze stand auf und starrte noch immer, mit offenem Mund, dem Kriegszauberer hinterher. Dann blickte sie zur Seite, und ihr wurde das Ausmaß der Zerstörung klar, das Vitras über die Darkanischen Soldaten gebracht hatte. Sie packte den Schatten an der Hand, der wie betäubt neben ihr stand und folgte mit ihm im Schlepptau dem Kriegszauberer. Auf halbem Weg zu dem kleinen Wald, wo er das Pferd zurückgelassen hatte, kam ihm Audris entgegen galoppiert. Das Tier spürte instinktiv, das etwas Schreckliches geschehen war und wollte seinem Herrn zu Hilfe eilen. Kurz vor ihm kam das Tier zum Stehen und schien den leblosen Körper in Vitras Armen traurig zu betrachten. Die Luft um den Zauberer begann ganz leicht zu schwirren und Mornas Körper erhob sich aus seinen Armen und schwebte über das Pferd. Behutsam ließ Vitras seine Tochter auf dem kräftigen Rücken der Stute nieder. Inzwischen hatten die Dienerin und der Schatten den Zauberer eingeholt. Elze strich zärtlich über Mornas Kopf:

      „Bitte tut alles, was nötig ist, um sie zu retten.“ Vitras blickte beide an und stellte dabei fest, dass der kleine Dieb von den Ereignissen regelrecht geschockt war. Ausdruckslos schaute er zu dem Pferd und Morna, während Elze ihn noch immer an der Hand hielt. Vitras neigte seinen Kopf der Dienerin leicht zu:

      „Ich werde sie so schnell es geht zum Hain der Götter bringen. Alles weitere liegt nicht mehr in meiner Hand.“ Elze nickte stumm und wischte sich eine Träne aus dem Gesicht.

      „Ich werde euch beide zunächst verlassen müssen, die Zeit drängt und Audris kann uns nicht alle vier tragen. Aber ihr werdet schnell wieder zu mir finden.“

      Elze schaute ihn verständnislos an:

      „Wie?“

      „Kommt zunächst mit mir mit!“ Vitras ging schnellen Schrittes auf das Wäldchen zu, wo sich noch immer seine Ausrüstung befand. Dort angekommen begann er sofort das Pferd zu satteln während Filou nur einmal kurz an ihm hoch und runter kletterte um sich anschließend Elze und den kleinen Jungen genauer zu betrachten. Als Vitras seine Sachen verstaut hatte, gab er einen monotonen Pfiff von sich, woraufhin Filou sofort angerannt kam und wieder an ihm hochkletterte. Vorsichtig nahm er das Frettchen und flüsterte ihm etwas zu, dann legte er den Nager Elze in die Hände:

      „Ganz gleich, wo ich mich aufhalte, Filou findet mich immer. Lasst euch von ihm führen und ihr werdet mich im Schwarzen Wald wiederfinden. Elze nickte stumm und kraulte


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