Andran und Sanara. Sven Gradert

Andran und Sanara - Sven Gradert


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die Kampfhandlungen in Diran beginnen, sollen sich die Rosendiener des Kindes bemächtigen, von dem in diesem Brief die Rede ist. Schafft es augenblicklich in unser Heerlager. Von dort soll es von einer Kohorte begleitet nach Kushtur gebracht werden.“

      „Eine Kohorte Herr? Fünfhundert Mann wegen eines Kindes...“

      Harun strafte den Boten mit einem Blick, dass dieser sofort innehielt und seinen Kopf nach unten neigte.

      „Sobald ihr das erledigt habt, tötet ihr diese verdammte Irre im schwarzen Leder. Sie ist zu nichts mehr Nutze.“

       Harun bekam einen Tobsuchtsanfall als er vor sechs Jahren erfuhr, dass Brehm seine Schülerin zur Kriegszauberin ernannte. Niemals würde Harun es zulassen, dass irgendjemand mit der Machtfülle eines Kriegszauberers am Leben blieb.

      „Was unternehmen wir wegen Meister Brehm?“ fragte der Rosendiener: „Er wird es bestimmt nicht einfach so hinnehmen, wenn wir Meisterin Mai töten!“

      „Wenn er deswegen Probleme macht, tötet ihn ebenfalls. Denn in dem Fall ist er für uns ebenfalls zu nichts mehr zu gebrauchen.“

      „Habt ihr noch weitere Anweisungen für die Rosendiener, Herr?“

      „Nein! Geh jetzt und warte bis man dir den Brief für Brehm überreicht. Dann kehrst du sofort nach Diran zurück!“

      „Wie ihr wünscht!“

      Der Rosendiener verbeugte sich abermals und verließ den Raum erneut. Harun wandte sich um und beschloss noch einmal die Dachterrasse zu betreten. Mit langsamen Schritten ging er auf den breiten Wanddurchlass zu, der zur Gartenanlage führte. Die Vorhänge wehten sachte im warmen Wind, der von der Wüste der Tränen herüber getragen wurde. Der Kriegszauberer konnte es überhaupt nicht fassen, wie ihm das Schicksal im Augenblick in die Hände spielte, als ihn ein lautes Scheppern und Krachen zusammenzucken ließ. Sofort drehte er sich um und erblickte einen großen kräftigen Mann in einem langen schwarzen Kapuzenumhang. Die Wachen links und rechts vom Eingang, der zu den Palastfluren führte, lagen tot am Boden. Der Fremde trug seine Kapuze tief ins Gesicht gezogen und hielt ein gewaltiges Schwert in der rechten Hand. Harun musste schlucken. Sein Gefühl sagte ihm, das dieser Mann kein Blutwolf war. Bevor Harun reagieren konnte, stürzten sich die Sarelier mit ihren mächtigen Krummsäbeln auf den Eindringling. Aus den Ecken des Saales traten nun auch die übrigen Wachen hervor, um sich dem Fremden zuzuwenden. Der Krieger in Schwarz hätte sein Schwert überhaupt nicht benötigt. Aber er hatte eine unbändige Freude daran, es zu benutzen. Mit einer Geschwindigkeit, die für das menschliche Auge gar nicht wahr zu nehmen war, erschlug er jeden Gegner der in seine Reichweite geriet. Die Sarelier waren ein stolzes Volk. Sie erkannten schnell, dass sie gegen diesen Gegner nichts ausrichten konnten. Dennoch gaben sie nicht auf. Innerhalb von Sekunden gingen die zwanzig Sarelier, die Harun bewachten, tot zu Boden. Die anderen Wachen warfen sich nervöse Blicke zu. Dann versuchten sie zu fliehen. Da Harun starr vor Schreck den Ausgang zur Dachterrasse blockierte, mussten sie an dem fremden Krieger vorbei. Keiner von ihnen schaffte dies Unternehmen. Das dunkle rote Blut der toten Wachen breitete sich wie ein See auf dem hellen marmornen Boden aus. Mit einem lauten Knall krachte die Tür hinter dem Fremden ins Schloss während er mit einer ruhigen Gelassenheit auf Harun zu schritt:

      „Du feiger, degenerierter Schwachkopf,“ begann der Fremde Harun anzusprechen: „Was glaubst du eigentlich, wer du bist, mich hintergehen zu können?“

      Harun erkannte die harte, tiefe Stimme sofort. Bevor er auch nur überlegen konnte, was er dem Gott des Krieges antworten mochte, wurde er von einem unsichtbaren Griff gepackt, der ihn zu Boden riss und quer durch den Raum schleuderte. Hart krachte der Kriegszauberer mit dem Rücken gegen eine der Säulen, als Tantras auch schon über ihm stand. Seine stechend blauen Augen schienen Harun durchbohren zu wollen, sein Antlitz war vor Wut verzerrt. Er packte Harun am Kragen seiner Robe, zog ihn hoch und drückte ihn fest gegen den Granitpfeiler.

      „Wir hatten eine Abmachung du unansehnlicher, geistesgestörter Idiot!“

      „Ich... ich!“ Harun konnte kaum sprechen, da Tantras ihn mit seinem eisernen Griff die Luft abwürgte. Verärgert warf der Kriegsgott den schmächtigen Zauberer durch die Maueröffnung hinaus auf die prächtig angelegte Gartenterrasse. Wieder schlug der Kriegszauberer mit seinem Körper hart auf. Unter Schmerzen versuchte er, sich aufzurichten als Tantras wieder auf ihn zu schritt. Der Gott des Krieges hatte seinen Kapuzenumhang abgestreift, so dass der Blick auf seine schwere schwarze Lederrüstung frei war. Er steckte sein Schwert in die Scheide und beobachtete, wie Harun es endlich schaffte, wieder aufrecht zu stehen.

      „Ich, ich verstehe nicht, dass du so verärgert bist göttlichen Tantras. Ich... „

      „Du verstehst es nicht!“ brüllte Tantras ihn dermaßen an, dass Harun nur zusammenzuckte:

      „Unser Handel war einfach,“ sprach Tantras urplötzlich in einem etwas ruhigeren Tonfall. Macht gegen Macht! Ich überließ dir die Mittel und das Wissen, den Gefallenen wieder zu erwecken, damit er die Welt der Lebenden mit Krieg und Terror überzieht. Einen Krieg, in dem ich aufblühe. Dir versprach ich dafür die Macht, deinen Erzfeind zu besiegen. Von dem ich zugeben muss, dass er mehr Rückgrat besitzt als du es jemals haben wirst! Außerdem habe ich von dir verlangt, niemals Hand an die Zwillinge anzulegen.“

      Haruns Augen begannen bösartig zu funkeln. Energisch hob er sein Kinn empor:

      „Deine Versprechen hast du bisher nicht eingehalten Kriegsgott!“ brachte er mit einem Mal in einem Tonfall hervor, dass Tantras glaubte sich verhört zu haben.

      „Ich brauche deine Hilfe nicht mehr, ich diene nur noch dem einen Gott. Dem wahren Gott!“

      ES spürte die Anwesenheit Tantras. Der Dämon konnte die Welt der Lebenden noch nicht betreten. Aber er war mittlerweile durchaus in der Lage, einzugreifen. Haruns Augen begannen grünlich zu leuchten, während ES versuchte, zumindest für einen kurzen Moment, einen Teil seiner Kraft in Harun einfahren zu lassen. Tantras fühlte sich durch Haruns plötzliches dreistes Verhalten, wie vor den Kopf geschlagen.

      „Die Zwillinge!“ brüllte der Kriegsgott ihn jetzt an: „Solltest du ihnen irgendein Leid zufügen, verspreche ich dir einen Tod, den du dir in deinen schlimmsten Alpträumen nicht vorstellen kannst.“

      Harun begann plötzlich lauthals zu lachen. Er neigte seinen Kopf nach hinten und stieß sein Lachen wie ein Irrer in den Nachthimmel. Als er den Kopf wieder nach vorn beugte, strahlte der grüne Glanz seiner Augen über sein ganzes Gesicht. Seine Stimme war eine andere. Dumpfer, härter, unnachgiebiger und in keiner Weise mehr von Furcht geprägt:

      „Die Zwillinge also, warum immer wieder dieses Interesse, bezüglich des Wohlergehens dieser Bälger!“

      „Meine Großnichte sowie mein Großneffe,“ ereiferte sich Tantras: „So etwas nennt man Familie. Nur sie können eines Tages...“

      Erst jetzt nahm der Kriegsgott die Verwandlung wahr, die Harun im Augenblick durchfuhr.

      „Sprich weiter!“ forderte Harun ihn mit der Stimme des Dämons auf.

      In der linken Hand von Tantras bildete sich augenblicklich ein Feuerball. Zeitgleich erschuf Harun, mit beiden Händen, eine grünlich schimmernde Kugel aus der Rauchschwaden hervorquollen und sich um die Arme des Zauberers züngelten. Mit aller Macht schleuderten beide ihre magischen Objekte auf ihr Gegenüber. Der Feuerball prallte auf die Kugel des Dämons und eine gewaltige Explosion erschütterte die Dachterrasse. Von der Wucht der Druckwelle erfasst, wurde der Kriegsgott von den Beinen gerissen und durch die Wand in den Raum mit dem Sandkastenmodell geschleudert. Leicht benommen schüttelte sich der Kriegsgott, wobei Staub, Dreck und Putz augenblicklich von ihm abfielen. Durch das Loch in der Wand konnte er Harun sehen. Er stand noch an der gleichen Stelle wie zuvor. Die Druckwelle schien seinem Körper nichts angehabt zu haben. Wieder neigte der Zauberer seinen Kopf nach hinten und lachte wie ein Irrer in den Nachthimmel. Tantras ließ einen rötlich leuchtenden Wirbel um sich herum entstehen, der ihn komplett umhüllte. Ein Wimpernschlag später war der Kriegsgott verschwunden.

      Harun schritt auf das Loch in der Mauer


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