Der Soldatenhandel deutscher Fürsten nach Amerika. Friedrich Kapp

Der Soldatenhandel deutscher Fürsten nach Amerika - Friedrich  Kapp


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Staaten bewogen, das englische Gesuch um Ueberlassung von Soldaten von der Hand zu weisen. Unter diesen Umständen mußte denn das Ministerium sich anderwärts nach Truppen umsehen und sie nehmen, wo sie nur zu haben waren. So blieb denn Deutschland die einzige Quelle, aus welcher man seinen Bedarf an Soldaten zu schöpfen hoffen konnte.

      Wie England im ganzen vorigen Jahrhundert in Kriegszeiten Truppenlieferungs-Verträge mit den dortigen kleinen Fürsten abgeschlossen hatte, so war es auch seit langen Jahren gewohnt gewesen, von dort auf eigne Hand seine Rekruten zu beziehen. Zwar verbot der Regensburger Reichstag zu Zeiten das Rekrutiren; allein nichts destoweniger hatten die britischen Werbeoffiziere am ganzen Rhein, in Frankfurt a.M., Neuwied und an der preußischen Grenze bei Kleve ihre Stationen. Die Kurfürsten von Köln, Trier und Mainz wandten auch jetzt so wenig als früher etwas dagegen ein, daß die durch den amerikanischen Krieg, Desertion und Krankheit gelichteten Reihen der englischen Regimenter durch deutsche Rekruten wieder vollzählig gemacht wurden. Wie viele Deutsche auf diese Weise jährlich in den englischen Kolonien und namentlich während des Krieges in Amerika verbraucht wurden, ist schwer zu sagen, weil jeder Anhaltspunkt für ihre Schätzung fehlt, und weil viel wichtigere Dinge die öffentliche Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen.

      Kaum wurde übrigens in Deutschland die Verlegenheit bekannt, in der sich der König von England wegen der Ergänzung seiner Regimenter befand, als entlassene Offiziere aller Grade, vom Kroaten-Obersten an bis zum hannöver'schen Obristlieutenant, und sonstige durch den Frieden überflüssig gewordene, aus dem siebenjährigen Kriege stammende Abenteurer sich zur Beschaffung deutscher Rekruten erboten. Georg III. war trotz der übertriebenen Auffassung seiner königlichen Machtfülle doch ein gewissenhafter und ein im bürgerlichen Sinne des Wortes durchaus moralischer Mann. Er hatte deshalb auch seine Bedenken, die ihm angetragenen Dienste anzunehmen. „Deutschen Offizieren Patente zu geben, damit sie mir Rekruten schaffen — sagte er — heißt eigentlich auf gut Englisch nichts als mich selbst zu einem Menschendiebe machen, welches Geschäft ich durchaus nicht als ehrenvoll betrachten kann.“ Indessen überwog doch zuletzt die politische Nothwendigkeit derartige Skrupel.

      Georg ließ also zuvörderst mit dem hannöver'schen Obristlieutenant Scheither einen Vertrag abschließen, wonach dieser unverzüglich 4000 Rekruten in Deutschland anwerben sollte. Diese Rekruten waren in Stade an Faucitt abzuliefern, der zu diesem Zwecke noch nach Einschiffung der fünf hannöver'schen Bataillone in Deutschland blieb, jedoch bis Mitte November nur 150 Rekruten in Empfang nahm. Das Ministerium überzeugte sich bald, daß es auf diesem langsamen Wege nie zum Ziele gelangen würde, ließ deßhalb den ursprünglichen Plan auch fallen und entschloß sich zur Anknüpfung von direkten Verhandlungen mit den kleineren deutschen Fürsten. Diese kannten weder politische Bedenken, noch hatten sie außer ihrem Geldbeutel eigene Interessen. Geld, Subsidien und standesgemäßes Leben waren, wie ein ausgezeichneter Kenner des achtzehnten Jahrhunderts meint, der Grundton, welcher für das ganze politische Handeln an den kleinen Höfen in Einem fort und ohne Scham und Scheu angeschlagen wurde. Zudem erfreuten sich die kleinen Fürsten des zweifelhaften Glückes, in der europäischen Staatenfamilie einen so untergeordneten Rang einzunehmen, daß man sich um ihr Thun und Treiben gar nicht kümmerte, geschweige denn von ihren Handlungen eine Störung des künstlichen europäischen Gleichgewichts abhängig machte. Andererseits war der deutsche Reichsverband in sich so lose und zerfallen, daß der Kaiser ihnen kein ernstliches Hinderniß in den Weg zu legen wagte.

      Jetzt endlich, nachdem man in London gegen ihre direkten und indirekten Winke sich so lange blind gestellt hatte, jetzt nach dem Fehlschlage der bisherigen Verhandlungen und aller sonstigen Versuche zur Beschaffung von Truppen, eröffnete sich den Landesvätern eine sichere Aussicht auf glänzende Geschäfte. Die Geschichte ist ihnen das Zeugniß schuldig, daß sie sich für die beleidigende Hintenansetzung in ihrer Weise empfindlich zu rächen und die günstigen Konjunkturen des Marktes gehörig auszubeuten und zu verwerthen verstanden. Das englische Ministerium hatte sich mit der Anknüpfung von Unterhandlungen mit den deutschen Fürsten deßhalb nicht übereilt, weil so lange es noch Aussicht auf Erlangung einer einzigen großen, einheitlich organisirten Hülfsarmee zu haben glaubte, es dieser im Interesse des Dienstes den Vorzug gab, weil es andererseits aber ganz gut wußte, daß einzelne deutsche Korps zu jeder Zeit zu haben waren, und daß die dortigen Fürsten Nichts sehnlicher wünschten, als ihre Soldaten an England verkaufen zu können. Ueber die deutschen Verhältnisse und die Gewißheit, Truppen in Deutschland zu erlangen, war es ganz gut durch Sir Joseph Yorke, den bereits erwähnten Gesandten im Haag, unterrichtet, welcher im Sommer 1775 den Auftrag erhalten hatte, sich auf dem Kontinent des guten Willens der Freunde des Königs und der Zahl und Bedingungen der von ihnen möglicher Weise zu liefernden Soldaten zu vergewissern. Yorke berichtete schon im September 1775 nach Hause, daß Hessen-Kassel, Hessen-Darmstadt, Würtemberg, Sachsen-Gotha und Baden zu irgend einer Zeit eine beliebige Anzahl Truppen zu billigen Preisen zu liefern im Stande und bereit seien. Vor Allem bemühte sich schon im August 1775 der Erbprinz von Hessen-Kassel um einen Lieferungsvertrag mit England, und ihm folgte zunächst der Fürst von Waldeck. Ihre im servilsten Tone gehaltenen Anerbietungen, welche der Leser im Anhang findet, verdienen im Original gelesen zu werden. Braunschweig und Kassel verhielten sich vorläufig abwartend.

      Es war übrigens jetzt Gefahr im Verzuge. Wollte die Regierung den Feldzug von 1776 energisch eröffnen, so mußte sie an eine schleunige Verstärkung denken. Sie beauftragte also den Obersten Faucitt mit der Leitung der Verhandlungen. Lord Suffolk, der Minister des Auswärtigen schickte ihm am 14. November 1775 folgende Instruktion nach Stade:

      „Reisen Sie sofort nach Empfang dieser Depesche unter irgend welchem Vorwand nach Braunschweig, und suchen Sie dort zu ermitteln, ob der Herzog Willens ist, dem König eine Anzahl seiner Truppen für den Dienst in Amerika zu überlassen. Sie können sich darüber leicht beim Erbprinzen unterrichten. Wenn Serenissimus geneigt ist, dem König beizustehen, so überreichen Sie unverzüglich das einliegende Beglaubigungsschreiben und beginnen Sie ohne jeden Zeitverlust Ihre Unterhandlungen.

      Ich sende Ihnen zugleich einliegend Abschriften der früheren, namentlich im letzten Kriege abgeschlossenen Subsidien-Verträge. Sie können diesmal im Nothfall die höchsten der früher festgesetzten Preise zahlen. Abweichende Bestimmungen in den einzelnen Punkten, wenn sie sonst im Ganzen auf dasselbe herauskommen, bleiben Ihrer Diskretion überlassen. Obgleich uns in unserer gegenwärtigen Lage weniger als sonst an den Kosten liegt, so dürfen Sie auf der andern Seite doch auch nicht verschwenden, und es wird Ihnen hoch angerechnet werden, wenn Sie möglichst billige Bedingungen zu erlangen im Stande sind. Es wird mit einem gewissen Grade von Recht und Billigkeit geltend gemacht werden, daß der von uns verlangte Dienst neu und für ferne Lande bestimmt ist. Wenn wir das auch zugeben müssen, so hat der amerikanische Krieg doch nichts mit irgend einer europäischen Macht zu thun, und kann die Betheiligung daran für keinen Deutschen nachtheilige Folgen haben. Was nun die weite Entfernung betrifft, so muß zugestanden werden, daß die Truppen zum Theil wenigstens durch neue Aushebungen vollzählig zu erhalten sind, die für den aushebenden Fürsten zu einer neuen Last werden, wenn irgend ein glückliches Ereigniß den Kampf bald beenden würde. Sie können diesem Einwande, wenn er stark betont werden sollte, damit begegnen, daß Sie sich verpflichten, daß die Subsidie während der wirklichen Verwendung der Truppen in Kraft bleiben und erst sechs Monate nach gegebener Kündigung aufhören soll. Wenn mehr als sechs Monate beansprucht werden, so berichten Sie vorher darüber an mich. Bei früheren Gelegenheiten war es nichts Ungewöhnliches, daß der seine Truppen vermiethende Fürst den Ueberschuß für sich behalten hat, der sich aus dem Unterschiede zwischen englischer und deutscher Löhnung ergab. Das kann im gegenwärtigen Falle nicht gestattet werden, weil es für uns sehr wichtig ist, daß der Soldat ermuthigt wird, seinen Dienst in Amerika freudig zu thun. Wir glauben kaum, daß der Herzog von Braunschweig mehr als 3000 bis 4000 Mann liefern kann. Ihre Aufgabe ist, so viel als möglich für den Krieg in Amerika von ihm zu erlangen. Der König giebt Ihnen zugleich einen ähnlichen Auftrag für Kassel. Finden Sie in Ihrer Unterhaltung mit dem Erbprinzen, daß sich in Braunschweig Nichts machen und erwarten läßt, so reisen Sie sofort nach Kassel, wo Sie Mittel und Wege finden werden, dem Landgrafen auf den Zahn zu fühlen und im Uebrigen gerade so wie in Braunschweig zu handeln. Es läßt sich kaum voraussetzen, daß der Landgraf mehr als 5000 Mann liefern kann; versuchen Sie jeden Falls auch hier soviel als möglich zu bekommen. Wenn Sie in Braunschweig


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