Der Soldatenhandel deutscher Fürsten nach Amerika. Friedrich Kapp

Der Soldatenhandel deutscher Fürsten nach Amerika - Friedrich  Kapp


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nach Kassel. Sind Sie dort sicher durchzudringen oder abschlägig beschieden zu werden, so gehen Sie nach Braunschweig zurück und schließen Sie mit dem Herzog ab.

      Es ist in dieser Sache überhaupt die größte Thätigkeit erforderlich, da der König sich in der einen oder anderen Weise ohne Zeitverlust darüber verlässigen will, ob und wie schnell er fremde Truppen für Amerika erhalten kann. Zu diesem Ende schicke ich Ihnen zwei Kouriere, welche Ihnen als Ihre Bediente nach Braunschweig und Kassel folgen sollen, und deren Einen Sie sofort, nachdem Sie selbst Gewißheit darüber erlangt haben, ob Truppen zu haben sind, noch vor Erledigung aller Förmlichkeiten hierher zurückschicken wollen.

      Es entspricht weder der Würde noch dem Interesse Ihres Hofes, daß Sie, wenn es überhaupt vermieden werden kann, als erfolgloser Bittsteller bei irgend einem der Fürsten auftreten. Meine eigenen Hoffnungen für den günstigen Abschluß des Ihnen anvertrauten Geschäftes, ich gestehe es offen, sind nicht sanguinisch. Treten Sie also in Ihrer amtlichen Eigenschaft nicht eher auf, als bis Sie eine sichere Aussicht auf Erfolg vor sich haben.“

      Faucitt erhielt dieses Schreiben am 24. November 1775 in Stade, wo er durch die Einmusterung der Scheither'schen Rekruten noch aufgehalten worden war, und reiste einige Stunden nach seinem Empfange mit Extrapost über Hannover nach Braunschweig ab. Die Nächte waren aber so dunkel und die Wege so schlecht — Faucitt nennt sie in seinem Bericht die schlechtesten in Europa — daß er erst nach fünftägiger Reise in letzterer Stadt ankam. Der englische Gesandte war hier kein Fremder. Er war während des siebenjährigen Krieges, wo er unmittelbar unter dem Erbprinzen gedient hatte, öfters in Braunschweig sowohl als in Kassel gewesen und von jener Zeit her mit den jetzt einflußreichsten Personen beider Residenzen bekannt. Die Vortheile dieser persönlichen Beziehungen wurden von ihm aber nicht gehörig ausgebeutet, indem er in seinem Auftreten nicht entschieden genug und in seinem Urtheil nicht selbständig war. Ein stolzer englischer Lord, der die hinter der glänzenden Außenseite lauernde Misere jener Höfe sofort erkannt und diese Welt des Scheins rücksichtslos in seines Landes Interesse auszubeuten verstanden hätte, wäre besser am Platze gewesen. Faucitt war blos eine subalterne Natur und als solche allen Details der Aufgabe vollständig gewachsen. Er arbeitete in der That von Morgen bis Abend mit dem gewissenhaftesten Fleiße, mit der anerkennenswerthesten Uneigennützigkeit; allein es fehlte ihm das richtige Verständniß seiner Stellung. Er war zu sehr untergeordneter Hofmann, den ein freundliches Lächeln des Fürsten leicht erobert, ein „Snob“, der vor Titeln, Rang und äußerm Glanz einen angeborenen Respekt hat und für jede Herablassung der Höhergestellten dankbar ist. Aus diesem Grunde wurde er ein Spielball in den Händen einsichtiger, kühler und berechnet handelnder Personen, während er mit Entschiedenheit und Grobheit jede Forderung, selbst die härteste durchgesetzt und England hundert Tausende erspart haben würde.

      Der Herzog Karl I. von Braunschweig (1735–1780), mit welchem Faucitt zunächst zu thun hatte, war einer der prachtliebendsten, leichtsinnigsten und verschuldetsten Fürsten, von denen Deutschland im vorigen Jahrhundert heimgesucht war. Sein Ländchen, das bei einer Größe von einigen sechszig Quadratmeilen mit etwa 150,000 Einwohnern kaum anderthalb Millionen Thaler Einkünfte abwarf, war allerdings durch den siebenjährigen Krieg hart mitgenommen worden, allein erst des Herzogs üble Wirthschaft hatte es an den Rand eines Bankrottes gebracht. Die Schulden beliefen sich auf nahezu zwölf Millionen Thaler. Karl lebte aber auf einem Fuße, als ob ihm die reichen Hülfsquellen eines großen Königreichs zu Gebote ständen. Italienische Oper und französisches Ballet, auswärtige und einheimische Maitressen, Militärspielerei und Alchymie verschlangen ungeheure Summen. Der Theater-Direktor und Kuppler Nicolini, ein unbedeutender italienischer Abenteurer, hatte 30,000 Thaler jährlichen Gehalts; unser großer Lessing aber, der zu jener Zeit in der bescheidenen Stellung eines herzoglichen Bibliothekars „einem verschüchterten Geschlecht mißhandelter Kleinbürger zuerst die Seele mit freien, menschlich heiteren Empfindungen erfüllte“ und unser Volk zum Bannerträger des freien Geistes erheben half, unser Gotthold Ephraim Lessing bezog ein Gehalt von 300 Thalern jährlich. Dort lernte er „lieber hungern als niederträchtig sein;“ mußte er doch um eine armselige Gehaltszulage von 200 Thaler länger als drei Jahre suppliziren! „Es ist ein Irrthum, — schrieb er seiner Freundin und spätern Gattin, Eva König, aus Wolfenbüttel — daß kleine Souveraine den Gelehrten und Künstlern förderlich seien; sie sind es nur in dem Maße, als Wissenschaft und Kunst ihnen Amusement machen und man ihnen hofmännisch schmeichelt. Das verstehe ich nicht. — — Ich fühle mich hier, als wäre ich in einen Sarg gedrückt; ich kann keine Bücklinge machen, um mich zu empfehlen. Lichtenberg verkümmert im kleinen Göttingen, Möser im kleinen Osnabrück; beide zehren von den Erinnerungen aus England, wie ich aus Leipzig und Berlin.“

      Erst zu Anfang der siebenziger Jahre ward in diese wüste Braunschweiger Wirthschaft etwas Ordnung eingeführt, indem in Folge der beständigen Finanznoth von dem zum Mitregenten ernannten Erbprinzen Karl Wilhelm Ferdinand die Landstände einberufen wurden. Es durfte ohne dessen Mitunterschrift fortan kein Geld mehr ausgegeben werden. Karl Wilhelm Ferdinand, der seinem Vater während des amerikanischen Krieges 1780 als Herzog folgte, als preußischer General 1787 in Holland und 1792 in Frankreich kommandirte und in der Schlacht bei Auerstädt seiner Augen beraubt, bald darauf in Ottensee bei Hamburg starb, war ebenso sparsam als sein Vorgänger verschwenderisch. Ein Zögling des bekannten Abts Jerusalem, dem Ordens- und Gesellschaftswesen jener Zeit von Herzen zugethan, zwischen mystischem Glauben und Voltaire'schem Unglauben schwankend, ein begeisterter Verehrer des französischen Wesens, dabei ein schöner Mann, sinnlich, gefallsüchtig und Meister der Repräsentation, stand er in engeren Beziehungen zum englischen Hofe, indem er eine Schwester Georg III., Lady Auguste, zur Frau hatte. Da sie unbedeutend und ungebildet war, so entschädigte sich Ferdinand durch schöne und geistreiche Maitressen, wie die von Goethe bewunderte italienische Gräfin Branconi, deutsche Baroninnen und französische Schauspielerinnen. Im Uebrigen knauserte er, wo er nur konnte, um die Schulden seines Vaters zu bezahlen und war ebenso gewissenlos als unermüdlich in der Auffindung neuer Hülfsquellen zur Verbesserung seiner ökonomischen Lage. Ein italienisches Lotto, dessen Pacht dem Geheimen Rath und Minister Feronce überlassen war, that in dieser Beziehung zwar sehr gute Dienste, reichte indessen zur Hebung der zerrütteten Finanzen allein noch nicht aus. Es galt also, da sich die Goldmacherei des alten Herzogs nicht bewährt hatte, noch andere außerordentliche Mittel flüssig zu machen.

      Mitten über diesen Versuchen und Plänen zur Verbesserung des herzoglichen Haushalts traf Faucitt in Braunschweig ein. Ein Engel vom Himmel hätte zu keiner günstigern Stunde zum dortigen Hofe herniedersteigen und goldenen Segen spenden können als der englische Kommissär. Es kam jetzt darauf an, ihn gehörig auszubeuten. Er hatte, wie aus seiner Instruktion ersichtlich, den Auftrag, zuerst den damals fast allein gebietenden Erbprinzen zu sondiren und diesem einen Privatbrief des Königs zu überreichen. Faucitt, statt erst die Verhältnisse zu prüfen und sich der für ihn daraus ergebenden Vortheile zu versichern, hatte kaum die Reisekleider ausgezogen, als er am Abend des Tages seiner Ankunft, am 29. November dem Erbprinzen seine Aufwartung machte. Sobald dieser sich überzeugt hatte, daß der Engländer nichts von seinen häuslichen Verlegenheiten und der Finanznoth blasser Wehmuth wußte, nahm er die ihm so gut stehende Miene des herablassenden Gönners und Beschützers an. „Der Erbprinz — so berichtet Faucitt am 1. Dezember 1775 an Suffolk — gab mir die stärksten Versicherungen, daß er den königlichen Vorschlag billige und daß er allen seinen Einfluß auf den regierenden Herzog zu dessen Durchführung aufbieten wolle. Er verbürgte sich übrigens nicht dafür, daß sein Vater unbedingt darauf eingehen werde, da er nur ungern so viele seiner Unterthanen in einem unbekannten, so sehr entfernten Lande verwandt sehe, und fragte mich, ob nicht die Bestimmung der braunschweigigen Truppen besser nach Irland statt nach Amerika geändert werden könne, was ich natürlich unbedingt verneinte. Dann wünschte der Erbprinz, daß wenigstens ein Theil der Truppen nach Gibraltar und Minorka geschickt werden möge. Ich erwiderte ihm, daß bereits fünf Bataillone aus dem Kurfürstenthum dahin gesandt seien, daß also eine Aenderung nicht mehr stattfinden könne. Schließlich forderte mich der Prinz auf, von meinem Beglaubigungsschreiben nicht eher Gebrauch zu machen, als bis ich sicher sei, daß der Herzog auf meinen Antrag eingehen wolle.“

      Der Erbprinz hatte jetzt das Spiel in den Händen und dabei den Vortheil, es mit einem höchst unerfahrenen Anfänger zu thun zu haben.


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