Harald Harst Krimis: Über 70 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Buch. Walther Kabel

Harald Harst Krimis: Über 70 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Buch - Walther Kabel


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– die Krawatte mußte auffallen! Und Olavsen würde sie wiedererkennen! Sie würde Wachtmeister Bließke den Weg weisen!

      Was doch die Hoffnung alles tut! Meine Schmerzen waren vergessen; meine Mattigkeit war wie weggezaubert.

       Auf der Preußen

       Inhaltsverzeichnis

      Aber – erst nach weiteren zwei Stunden hörte ich draußen auf der Treppe Stimmen, dann nach einer Weile eine helle Knabenstimme dicht am Fenster:

      „Een Schlips, Herr Wachtmeester!“

      Wieder fünf Minuten nichts.

      Und dann wurde die einzige Tür unseres Zimmers aufgestoßen. Drei Männer traten ein: Bließke, ein Hafenpolizist und Olavsen!

      Wir wurden losgebunden. Ich taumelte wie ein Trunkener.

      Und Haralds Frage, ob das Fährschiff Preußen bereits abgefahren, war mir so vollständig gleichgültig.

      „Vor drei Minuten, Herr Harst,“ erwiderte Bließke.

      „Dann rasch ein schnelles Motorboot für uns! – Eilen Sie, Bließke! Wir müssen die Preußen einholen!“ –

      Der Hotelbesitzer Dankert stellte uns sein Motorboot zur Verfügung. Außerdem wurde die Preußen durch Funkspruch verständigt, daß wir an Bord wollten.

      Um 1/212 mittags war das Fährschiff abgedampft. Um 12 jagten wir vier – Bließke hatte durchaus mitkommen wollen – und Dankert hinterdrein.

      Wir saßen in der kleinen Kajüte. Dankert steuerte und gab auf den Motor acht.

      „Sind unsere Schuhe auf der Treppe gefunden worden?“ fragte Harald und biß dann tüchtig in eins der belegten Brötchen hinein, die Dankert vorsorglich mitgenommen hatte.

      „Ja, aber nicht auf der Treppe, Herr Harst,“ erwiderte Bließke, „sondern oben bei der Kreidefabrik auf einem Feldweg.“

      „Sonst etwas Neues?“

      „Nichts, Herr Harst. Die Kabine Nr. 24 ist noch verschlossen. Hier habe ich den Schlüssel – bitte.“

      Harald steckte ihn zu sich, fragte wieder:

      „Hatte die Preußen heute viele Passagiere?“

      „Gegen hundert, Herr Harst.“

      Harald wandte sich an Olavsen „Sie müssen, sobald wir an Bord der Preußen sind, eine Funkendepesche nach Kopenhagen an Boomlund senden und die Antwort nach Trelleborg erbitten. Boomlund soll sofort nach Trelleborg kommen. Telegraphieren Sie:

      Thora etwas zugestoßen. Erwarte Dich Bahnhof Trelleborg sofort.

      Falls Boomlund ausweichend antwortet, besagt das genug.“

      Der junge Arzt schüttelte den Kopf. „Aber Herr Harst, Sie werden doch nicht etwa Boomlund verdächtigen, hierbei irgendwie –“

      „Bitte – irgendwie ist er beteiligt!“ fiel Harald ihm ins Wort. „Ich glaube auch schon zu wissen, was geschehen wird: Boomlund wird antworten, daß er die Verlobung von seiner Seite als gelöst betrachte und daß er an Thora keinerlei Interesse mehr hätte.“

      „Oh – da irren Sie sich!“ meinte Olavsen sehr bestimmt. „Wie sollte Holger wohl derart handeln können?! Er hat doch gar keinen Grund dazu!“

      „Er hat einen Grund, Herr Doktor! Mag auch Frau Ruperti zurückdepeschiert haben, daß sie nichts von Beziehungen Ihrer Schwester zu einem Herrn wisse: Diese Beziehungen haben bestanden und haben auch dieses Unglück verschuldet.“

      Olavsens Augen weiteten sich. „Ein Unglück?! Mein Gott, nehmen Sie wirklich an, Thora könnte etwas Ernstliches zugestoßen sein?!“

      „Wir wollen hoffen, daß es nicht der Fall ist! Obwohl ich, um ehrlich zu sein, fürchte, daß –“

      Im selben Moment rief Dankert in die Kajüte hinein:

      „Die Preußen ist in Sicht und hat beigedreht!“

      „Was fürchten Sie, Herr Harst?“ fragte Olavsen, der erregt aufgesprungen war.

      „Daß Sie Ihre Schwester nie wiedersehen werden, Herr Doktor –“

      „Wie – etwa ermordet?!“

      „Nein – nicht ermordet. – Doch darüber möchte ich mich erst später genauer äußern –“ –

      Fünf Minuten nachher waren wir an Bord des großen Fährdampfers. Dankert fuhr mit dem Motorboot nach Saßnitz zurück.

      Die Passagiere umdrängten uns neugierig. Es hatte sich schon herumgesprochen, daß der Liebhaberdetektiv Harald Harst hier auf der Preußen das Verschwinden einer jungen Norwegerin aufklären wolle.

      Wir begaben uns sofort in die Kajüte des Kapitäns, der uns mit einem Glase Wein bewillkommnete und dann die Depesche an Boomlund absenden ließ.

      Nachdem wir jeder zwei Glas Rotwein getrunken hatten, führte der Kapitän uns nach unten auf das Hauptdeck, wo in dem Gange unter der Brücke die Kabine Nr. 24 lag.

      Wir blieben vor der Tür stehen. Harald trat allein ein. Er begann die Kabine nun ganz systematisch zu durchsuchen. Das dauerte etwa eine Stunde. Der Kapitän hatte sich inzwischen wieder entfernt.

      Die Durchsuchung schien ergebnislos verlaufen zu sein. Wenigstens hatte Harald, so weit wir von draußen hatten beobachten können, nichts gefunden – keinen Gegenstand, der von uns bemerkt worden wäre.

      Er kam jetzt in den Gang hinaus, sagte kurz:

      „Dies wäre erledigt –“

      „Und – ohne Erfolg?!“ platzte Olavsen enttäuscht hervor.

      „Nein, das nicht, Herr Doktor. Kehren wir in die Kapitänskajüte zurück –“

      Hier nahmen wir wieder Platz, und Harst faßte nun in die Tasche und holte dreierlei hervor:

      Sechs lange blonde Haare, die er zu einem Knäuel zusammengewickelt hatte: dann ein Stückchen einer bräunlichen Masse von etwa Erbsengröße: schließlich noch einen Herrenkragenknopf.

      Er fragte nun Olavsen, indem er ihm die blonden Haare hinhielt:

      „Können das Haare Ihrer Schwester sein?“

      „Ja. Sie war hellblond.“

      „Diese Haare sind mit einer Schere abgeschnitten worden. Sie lagen vor dem Türspiegel des Wandschränkchens auf dem Teppich. – Hatte Ihre Schwester auch hellblonde Augenbrauen?“

      „Ja. Aber die Brauen waren etwas dunkler als das Kopfhaar.“

      „Nun – und dies hier ist ein Stückchen von einem dunkelbraunen Augenbrauenstift, wie ihn Damen zum Verstärken oder Färben der Brauen benutzen. Dieses Stückchen lag gleichfalls auf dem Teppich. – Herr Doktor, trug Ihre Schwester Blusen mit anknöpfbaren Kragen?“

      „Nein, niemals. Nur halsfreie Blusen, im Winter solche mit Stehkragen von demselben Stoff.“

      „Dieser Kragenknopf ist ganz neu. Er war in das Bett gefallen, auf dem Ihre Schwester angekleidet gelegen hatte. Man wird ihn gesucht und nicht gefunden haben.“

      „Und – und was soll das alles?!“ fragte Olavsen verwirrt.

      „Das alles ist der Beweis für die Richtigkeit meiner Vermutung, die jedoch erst zur Gewißheit werden soll, bevor ich mich darüber äußere. Jetzt werden wir, Schraut und ich, in der Kabine 24 bis Trelleborg einen Teil des versäumten Nachtschlafes nachholen.“ –

      Wir waren in Nr. 24 allein. Harald verriegelte die Tür, machte es sich bequem und legte sich auf das eine Bett.


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