Harald Harst Krimis: Über 70 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Buch. Walther Kabel

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Thora Olavsen sich hier in der Kabine verkleidet hat –“

      „– als Mann –“

      „– ja, als Mann, das weiß ich natürlich. Sie ist in dieser Verkleidung unbehelligt von Bord gegangen, hat ihre Koffer abgeholt und – und – wozu das alles!?“

      „Es gibt da wohl nur eine Möglichkeit,“ gähnte Harald und rückte sich das Kopfkissen zurecht.

      „Ja – sie ist mit einem oder besser dem Berliner Verehrer entflohen!“

      „Ganz recht –“

      „Wer ist dieser Verehrer?“

      „Du bist etwas anspruchsvoll. Den Namen kenne ich nicht. Ich weiß nur, daß es ein sehr intelligenter, sehr energischer, sehr rücksichtsloser und auf dem Gebiete des Verbrechens recht bewanderter Mensch sein muß.“

      „Also – ein Verbrecher?“

      Wieder gähnte Harst. „Vielleicht, mein Alter! Wenn Du Dein wertes Hirn besser zu benutzen verständest, würdest Du Dir noch eine besondere Eigenschaft dieses Mannes herausklügeln können – eine sehr wichtige, die unsere Sache mit einem Schlage klärt und die mich auf eine bestimmte Spur geführt hat.“

      „Ah – und die wäre?“

      „Eine sehr naheliegende. – Doch jetzt will ich schlafen. Gute Nacht –“

      Er drehte sich der Wand zu, und ich mußte schweigen.

      Ich legte mich gleichfalls nieder und schlief auch sehr bald vor Erschöpfung ein.

      Harald weckte mich dann aus diesem todähnlichen Schlummer, sagte überlaut:

      „Aufstehn! Wir sind in Trelleborg! Und – wir sind um eine Botschaft reicher. – Da, dieser Zettel lag dort unter dem Bullauge (rundes Kabinenfenster), das ja weit offenstand und in das man vom Promenadendeck zum Beispiel mit einer Schirmspitze – der Zettel ist ja durchlocht – ganz bequem ein Stück Papier hineindirigieren kann.“

      Ich las folgendes:

      Herr Harst, lassen Sie die Finger von dieser Sache weg! Die Gefangenschaft im Pensionat Fortuna in Saßnitz, das nach der Saison nur von einer alten Frau bewohnt und beaufsichtigt wird, hätte Sie warnen sollen! Wir lassen nicht mit uns spaßen! Thora Olavsen hat nur die Strafe erhalten, die sie verdiente. Wenn Sie von Trelleborg nicht sofort nach Berlin zurückkehren, geht es Ihnen schlecht! Wir sind unser drei – alles Leute mit einer Vergangenheit, an der dieses Weib schuld ist! Hüten Sie sich!

      Die Handschrift war gut verstellt. Zum Schreiben war ein Tintenstift benutzt worden. Das Papier war ein halber Bogen sogenannten überseeischen Briefpapiers.

      „Hm!“ meinte ich zweifelnd.

      „Ja – Bluff!“ lächelte Harald. „Nun aber schnell an Deck! Ich will die Passagiere mit Hilfe des Kapitäns einzeln mustern.“

       Das grauhaarige Weib

       Inhaltsverzeichnis

      Diese Prüfung hatte keinerlei Ergebnis, obwohl sie sehr streng durchgeführt wurde. Auch Olavsen war dabei und mußte sich die Fahrgäste recht genau ansehen.

      Kaum war dies erledigt, als auch schon ein schwedischer Depeschenbote an Bord kam und nach Doktor Olavsen fragte. Er brachte die Antwort Holger Boomlunds:

      Muß leider Verlobung aufheben. Hatte gegen Thora schon längere Zeit Verdacht. Vor Abfahrt der Preußen traf sie heimlich auf Bahnhof Trelleborg mit einem Herren im Wartesaal zusammen, mit dem sie sehr vertraut stand. Ihr durch Zeitungen hier schon bekanntes Verschwinden dürfte nichts als Flucht mit diesem Liebhaber sein. Bedauere mich, wie ich Dich bedauere. Boomlund.

      Olavsen hatte Harald die Depesche gereicht. Wir vier – Wachtmeister Bließke war ebenfalls dabei – standen auf dem Achterschiff an der Reling.

      „Das – das ist unmöglich!“ meinte der junge Arzt. „So etwas würde Thora nie tun! Nie! Sie hat Holger sehr lieb gehabt!“

      „War sie denn im Wartesaal hier eine Zeit allein?“ fragte Harald.

      „Ja. Sie wollte sich Zigaretten kaufen.“

      „Merkten Sie ihr eine gewisse Erregung an, als sie sich Ihnen nachher wieder zugesellte?“

      „Ja – jetzt, wo Sie mich darauf aufmerksam machen, erinnere ich mich tatsächlich, daß sie ganz rot und atemlos war, als sie –“

      „Schon gut. – Gehen wir an Land. Sie bleiben hier in Trelleborg, Herr Doktor. Schraut und ich fahren weiter nach Malmö und Kopenhagen. Ich muß Boomlund persönlich sprechen.“

      Bließke und der Doktor gingen voran.

      „Es waren nur drei Schirme mit dünnen eisernen Stöcken dabei,“ flüsterte Harald mir hastig zu. „Du verstehst: eine solche Schirmspitze war durch den Zettel gebohrt!“

      „Und – was beabsichtigst Du?!“

      „Im Zuge bis Malmö die „Richtige“ herauszufinden.“

      „Also Thora Olavsen?“

      „Ja. Eine von den drei Schirmbesitzerinnen war eine alte Dame mit kleinem Hut, grauem Scheitel, gesticktem Schleier und Hornkneifer. Sie kam mir gleich etwas eigentümlich vor. – Nun – warten wir den Erfolg ab!“

      „Aber – dann müßte doch auch der Liebhaber Thoras an Bord gewesen sein!“

      „Weshalb?! – Nein, mein Alter, der wird erst – sterben müssen, glaube ich!“

      „Soll das ein Witz sein?!“

      „Durchaus nicht. Es ist eine neue Vermutung.“

      Olavsen drehte sich jetzt um und sagte:

      „Der Zug nach Malmö geht in einer halben Stunde ab, Herr Harst. Weshalb wollen Sie mich eigentlich nicht mitnehmen nach Kopenhagen?“

      „Es ist besser, Sie bleiben hier, Herr Doktor. Wozu die Aufregung, die eine Aussprache mit Boomlund für Sie notwendig mit sich bringt?! – Entschuldigen Sie. Ich will Fahrkarten besorgen.“

      Er eilte voraus. – Der Bahnhof in Trelleborg liegt ein Stück vom Hafen ab. Als wir drei den Vorraum betraten, war Harald nirgends zu finden.

      Wir wurden immer unruhiger und besorgter. Der Schalterbeamte erklärte uns dann, ein bartloser Herr habe keine Fahrkarten bis Malmö gekauft.

      Wo war Harst geblieben?! Wo nur?!

      Wir lösten Bahnsteigkarten und suchten den Zug ab. Ich gab acht, ob die alte Dame noch anwesend war. Sie hatte, wie wir wußten, eine Karte erster Klasse bis Göteborg gehabt, und – sie war nicht im Zuge, obwohl bis zur Abfahrt nur noch zehn Minuten Zeit waren.

      Ich überlegte mir diesen Zwischenfall nun sorgfältiger. Harst war uns auf dem Wege zum Bahnhof bald aus den Augen gekommen. Und – die Grauhaarige fehlte ebenfalls! Ob er etwa hinter dieser her war?!

      Wir begaben uns vor das Bahnhofsgebäude. Hier hielten zwei Droschken. Olavsen mußte die Kutscher ausfragen.

      Der eine erklärte, es habe hier ein Auto gestand, in dem eine ältere Dame mit einer großen Reisetasche davongefahren sei. Dann sei ein Herr gekommen und habe sich von dem einen Hoteldiener ein Rad geliehen, dem er vierhundert Kronen als Pfand gab. Der Herr radelte sehr eilig auf dem Hauptwege der Stadt zu. Dorthin war auch das Auto verschwunden.

      Nun wußten wir Bescheid: Harald war wirklich der Dame gefolgt! –

      Der Zug nach Malmö fuhr ab. Wir waren unschlüssig, was wir tun sollten. Wir blieben dann auf dem Bahnhof und setzten uns in den Wartesaal.

      Es war jetzt fünf Uhr nachmittags. Die Abenddämmerung


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