Die Herrscher und Gestalten des Mittelalters. Reinhard Pohanka
zwei Jahre später musste er sich dem nächsten Gegner stellen. In einer legendären Schlacht am zugefrorenen Peipussee schlug er ein Ritterheer des Schwertordens, das von deutschen und dänischen Rittern verstärkt war und über estnische Hilfstruppen verfügte, und beendete damit das Vordringen der Ritterorden nach Russland.
Nach der Abwehr der Feinde im Norden und Westen sah Alexander sich zwei weiteren Aufgaben gegenüber, der Klärung des Verhältnisses mit den Mongolen und der Festigung seiner Herrschaft und der seines Bruders Andrej. Letzteres gelang ihnen 1248 als sie Batu, den Groß-Khan der Goldenen Horde, dazu bringen konnten, ihren Onkel Swjatoslaw III., der den Großfürstenthron von Wladimir-Susdal 1246 eingenommen hatte, abzusetzen. Batu wies die Brüder an, gemeinsam über Wladimir zu herrschen, Andrej bekam die Hauptstadt Wladimir und deren Umland, Alexander das Gebiet um Kiew, konzentrierte sich allerdings auf Nowgorod als aufstrebendes Wirtschaftszentrum.
Ab diesem Zeitpunkt trennte sich die Politik der beiden Brüder. Andrej sah die Möglichkeit, die Fremdherrschaft der Mongolen abzuschütteln, da diese in Nachfolgestreitigkeiten nach dem Tode des Groß-Khans der Mongolen Gujuk Khan verwickelt waren. Alexander hingegen erkannte, dass die russischen Ressourcen nicht ausreichten, um die Mongolen dauerhaft zu besiegen, und setzte politisch auf die Goldene Horde in der Hoffnung, damit seinen Bruder Andrej auf die Seite schieben zu können und bei den Mongolen mehr durch Verhandlungen als durch Krieg zu erreichen.
1251 war die Nachfolge bei den Mongolen geklärt und Möngke hatte sich als Groß-Khan durchgesetzt. Alexander nutzte die Gunst der Stunde, am Hofe des Groß-Khans der Goldenen Horde intrigierte er gegen seinen Bruder, erreichte seine Absetzung und erhielt die alleinige Großfürstenwürde. Unterstützt wurde Alexander dabei von der russisch-orthodoxen Kirche, da diese durch eine Annäherung Andrejs an den Papst, von dem er sich Unterstützung gegen die Mongolen erhofft hatte, ihre Stellung gefährdet sah.
Alexander lebte eine Politik des Appeasement gegenüber den Mongolen, die Festigung und langsame Ausdehnung seiner Herrschaft und eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung wollte er nicht durch einen Kampf gegen die Mongolen, den er in diesem Stadium als sinnlos ansah, riskieren.
So akzeptierte er, dass die Mongolen mit ihm als Großfürst ihre Herrschaft in Russland konsolidieren konnten. Alexander nahm auch die Einsetzung mongolischer Steuereintreiber hin, obwohl er den Widerstand seiner eigenen Landsleute mit Gewalt brechen und selbst Nowgorod den Mongolen ausliefern musste.
1262 erschlugen in Susdal aufgebrachte Bürger die mongolischen Steuereintreiber und gefährdeten damit die Politik Alexanders. Um den Groß-Khan Berke zu beruhigen, eilte Alexander in die Hauptstadt der Goldenen Horde in Alt-Sarai. Berke, der ihm misstraute, hielt Alexander bis in den Winter 1263 am Hof fest, ehe er abreisen durfte. Auf der Rückreise nach Wladimir starb Alexander am 14. November in Gorodez an der Wolga.
Alexander wurde in seiner Hauptstadt Wladimir begraben, 1380 wurde er von der russischen Kirche heilig gesprochen, Peter der Große ließ seine Gebeine 1729 in das neu gegründete Alexander-Newskij-Kloster nach St. Petersburg überführen.
Die Politik Alexanders sollte für Europa und für Russland weit reichende Folgen haben. Seine Akzeptanz der mongolischen Herrschaft führte dazu, dass er 1251 ein Angebot des Papstes zum gemeinsamen Kampf gegen die Mongolen ablehnte. Gregor IX. hatte ihm eine Wiedervereinigung der beiden christlichen Kirchen angeboten, was Alexander aber ablehnen musste. Er vermutete, dass der Papst die Oberhoheit über eine unierte Kirche anstreben würde, während die Mongolen die orthodoxe Kirche unbehelligt ließen. Für ihn war die russisch-orthodoxe Kirche jene Klammer, die er brauchte, um seine großen Vorhaben, die Entwicklung eines russischen Nationalgefühles und eine Heeresreform, zu unterstützen und durchzusetzen.
Allerdings erreichte die römische Kurie mit ihrem Angebot zumindest, dass Alexander der römischen Kirche die freie Religionsausübung in den russischen Fürstentümern zusagte. Er selbst konnte bei der Goldenen Horde die Einrichtung eines orthodoxen Bistums an der unteren Wolga im Jahre 1261 durchsetzen.
Die Ablehnung des päpstlichen Angebotes machte ihn zum Heiligen der russischen Kirche, die ihn 1380 kanonisierte, verhinderte aber in der Folge weitere europäische Einflüsse in Russland und beförderte damit langfristig eine Abkopplung des Landes in kultureller und geistiger Hinsicht. Dadurch konnten Humanismus und Renaissance in Russland niemals Fuß fassen.
Dennoch hatte seine Politik Erfolg, die russischen Fürstentümer konnten sich ihre Selbstständigkeit, wenn auch nur mit mongolischer Duldung, erhalten. Sein Sohn Daniel gründete 1280 das Großfürstentum Moskau, das zur Keimzelle des Zarenreiches und des russischen Staates werden sollte.
ALFRED DER GROßE
(847/849–899)
England hat in seiner langen Geschichte an seine Könige und Königinnen nur einmal den Beinamen »der Große« vergeben, an einen Mann, der alle politischen Vorzüge, Tapferkeit und Wissensdurst des frühen Mittelalters vereinigte wie kaum ein anderer.
Alfred wurde zwischen 847 und 849 in Wantage in Oxfordshire als der jüngste Sohn des Königs von Wessex, einem der sieben angelsächsischen Königreiche Englands, geboren. Er muss schon als Kind eine eindrucksvolle Persönlichkeit gewesen sein und war der Liebling der Familie. Angeblich wurde er bereits im Alter von fünf Jahren zu Papst Leo IV. nach Rom gesandt, den er so beeindruckte, dass ihn dieser zum Konsul von Rom ernannte. Mit Sicherheit war er zwei Jahre später wieder in Rom, diesmal in Begleitung seines Vaters. Er blieb für ein Jahr in der Ewigen Stadt und dürfte hier jene Erziehung und Liebe zu Kultur und Wissen bekommen haben, die ihn sein ganzes späteres Leben begleiten sollten.
In England konnte er nicht viel Erziehung erwarten, sein Vater Ethelwulf von Wessex stand in einem Abwehrkampf gegen dänische Invasoren, die das Land verwüsteten. Die Invasion hatte 835 mit sommerlichen Raubzügen begonnen, 850 und 854 aber kamen große dänische Armeen ins Land, die hier auch überwinterten. Die dänische Taktik war einfach: Man suchte sich einen leicht zu befestigenden Punkt, errichtete eine Festung aus Palisaden und Erdwerken und plünderte von hier aus die Umgebung, bis sie entweder erschöpft war oder man Lösegeld erpressen konnte, um weiterzuziehen.
865 kamen die Dänen mit aller Macht nach England, und es war klar, dass sie diesmal für lange Zeit bleiben würden. In fünf Jahren eroberten sie mit Nordhumbrien, Mercien und Ost-Anglien drei der sieben Königreiche der Angeln, 870 waren sie zum Angriff auf Wessex bereit.
Alfred war der Vizebefehlshaber des Heeres von Wessex unter dem Kommando Aethelraeds, der seinen zwei älteren Brüdern und seinem Vater nachgefolgt war. In Raeding erreichte Alfred einen ersten Sieg gegen die Dänen, obwohl sein Bruder, weil er mit dem Morgengebet nicht fertig war, erst spät am Schlachtfeld erschien.
871 starb Aethelraed, und Alfred wurde König. Seine Regentschaft begann unglücklich mit einer schweren Niederlage gegen die Dänen in Wilton. Alfred musste seine Unterlegenheit anerkennen, für vier Jahre hielt er sich militärisch zurück und versuchte Wessex zu halten, während in dieser Zeit die Dänen Mercien eroberten, ihr Reich aufteilten und in Yorkshire und in Cambridge siedelten. 875 kam es erneut zum Krieg, als Guthrum, der dänische König von Cambridge, in Wessex einfiel. Diesmal traf er aber auf einen gut vorbereiteten Alfred, der ihn nach Norden vertrieb. Guthrum änderte seine Taktik, fiel im Winter in Wessex ein, besiegte Alfred und trieb ihn und die wenigen ihm verbliebenen Männer in das Marschland von Athelney.
Alfred war am Tiefpunkt seiner Karriere angelangt, aber nun zeigte sich seine wahre Größe. In wenigen Wochen konnte er aus den Resten seiner Herrschaft eine neue Armee aufstellen, sei es durch Überzeugung, Willenskraft oder militärische Führung. Im Frühjahr fiel er überraschend über Guthrum her und schlug ihn bei Eddington vernichtend, so dass sich Guthrum taufen lassen musste und sich nach Ost-Anglien zurückzog.
In den nächsten sechs Jahren herrschte eine Art kriegerischer Friede zwischen den Dänen und Alfred, der die Zeit nutzte. Er ließ eine Flotte bauen, nicht die erste der englischen Geschichte, aber die erste, die den Namen Flotte auch verdiente. Er organisierte das Heerwesen derart, dass er ein stehendes Heer einrichten konnte. Eine Hälfte der Bauern diente als Krieger, während sie von der zweiten Hälfte