Die Herrscher und Gestalten des Mittelalters. Reinhard Pohanka
alt="image"/> Heinrich IV. mit Papst Gregor VII. im Investiturstreit ging es darum, wieweit ein weltlicher Herrscher das Leben der Kirche mitbestimmen darf und ob sich die Kirche dagegen wehren kann. Im Fall von Thomas Becket kommt noch dazu, dass er sich völlig wandelte, vom Kanzler, der das Wohl Englands auch gegen die Kirche verteidigte und förderte, zum persönlichen Gegner der Königs, der seine Kirche angriff. In der Auseinandersetzung steckte die Ideologie der Zeit, aber auch ein Kampf zweier großer Persönlichkeiten auf einer menschlichen Ebene, der weit über die politischen Inhalte hinausging.
BENEDIKT VON NURSIA
(480–547)
Das Mönchtum und die Mönche im Mittelalter sind die Träger der Kultur. Sie bewahren in ihren Klöstern die Schriften des Altertums, kümmern sich um Medizin, Wissenschaft, Landwirtschaft und Gartenbau, erziehen die Kinder des Adels und roden weite Landstriche Mitteleuropas. Mönchische Gemeinschaften gab es, besonders im Orient, schon ab dem 1. Jahrhundert n. Chr. Die Blüte des europäischen Mönchtums wurde aber erst möglich, als Benedikt von Nursia mit seinen Regeln die Arbeit und das Wirken der Mönche in geordnete Bahnen lenkte.
Benedikt entstammte der christlichen Spätantike. Geboren wurde der aus der Familie eines reichen Landbesitzers stammende Benedikt 480 in Nursia in Umbrien, der Überlieferung nach war seine Zwillingsschwester die später als Heilige verehrte Scholastika.
Im Alter von 20 Jahren scheint er sein Leben überdacht zu haben. Von seinen Eltern nach Rom gesandt, um dort zu studieren, fühlte er sich bald abgestoßen vom Leben seiner Mitstudenten, auch die Liebe zu einem Mädchen scheint ihm keine Erfüllung gebracht zu haben. Er verließ Rom und siedelte sich mit »tüchtigen Männern« in einer klösterlichen Gemeinschaft in Enfide an, dem heutigen Affile in den Bergen von Simbrucini in der Nähe von Subiaco, etwa 80 km südlich von Rom. Hier zog sich Benedikt unter dem Einfluss des Mönches Romanus als Eremit für drei Jahre in eine Grotte zurück, wobei er der Legende nach immer wieder den Anfechtungen des Teufels ausgesetzt war.
Seine Lebensweise fand so viel Respekt, dass man ihm die Abtstelle in einem Kloster bei Vicovaro anbot. Hier versuchte er erstmals, seine Grundsätze von Askese, Arbeit und Gebet durchzusetzen, was aber bei den Mönchen auf Widerstand stieß. Diese, verwöhnt vom guten Leben, wollten Benedikt wieder loswerden und versuchten ihn zu vergiften.
Benedikt kehrte ins Aniotal zurück und gründete zwölf Klöster, die er jeweils mit zwölf Mönchen ausstattete. Dafür entwickelte er die »regula benedicti« (Regeln des Benedikt), die das Klosterleben des Mittelalters prägen sollten.
Die Regeln des Benedikt sind einfach. Grundlage sind die »opus dei«, die Arbeiten Gottes wie Meditation und Gebet, die allen anderen Arbeiten vorzuziehen sind. Dazu kommt die Ortsfestigkeit, um das Vagabundieren der Mönche, das bis dahin üblich war, zu unterbinden. Der Mönch darf keinen Besitz haben und ist zum Zölibat und zur Demut verpflichtet, die Mahlzeiten werden unter Schweigen gemeinsam eingenommen. Seinem Oberen ist er den absoluten Gehorsam schuldig. Sieben Mal am Tag versammeln sich die Mönche zum gemeinsamen Gebet, und in der Woche sollten die 150 Psalmen einmal vollständig gebetet werden. Der Mönch hat körperlich zu arbeiten, denn: »Der Müßiggang ist der Feind der Seele. Deshalb müssen sich die Brüder zu bestimmten Zeiten mit der Arbeit beschäftigen, die anderen Stunden dienen zum Lesen der Bücher.« Die Ernährung hatte einfach zu sein und verbot den Verzehr vierfüßiger Tiere. Alle Tätigkeiten des Tages wie Gebet, Lesung, Arbeit und Schlaf wurden festen Zeiten unterworfen.
Das Kloster sollte auch Modell für die Gesellschaft ein. Der Abt hatte wie ein Vater zu sein, die Mönche wie Brüder. Aufgenommen werden konnte jeder, der ein Noviziat, die Probezeit von einem Jahr, im Kloster verbracht hatte. Eltern konnten ihre Kinder dem Kloster übergeben, die hier in Klosterschulen unterrichtet wurden.
529 zog Benedikt mit einigen getreuen Mönchen nach Süden und gründete auf dem Berg Monte Cassino ein Kloster, das zum Stammhaus des Ordens der Benediktiner werden sollte. Das Kloster wurde rasch berühmt, 542 besuchte Gotenkönig Totila Benedikt auf Monte Cassino, der ihm hier seinen Tod in der Schlacht von Busta Gallorum im Jahr 552 vorausgesagt haben soll. Weitere Wunder, die ihm zugeschrieben werden, sind Heilungen und Totenerweckungen.
Benedikt starb am Gründonnerstag des Jahres 547 in Monte Cassino. Der Legende nach starb er aufrecht von einigen Mönchen gestützt, nachdem er die Eucharistie empfangen hatte. Er wurde in Monte Cassino begraben, das Schicksal seiner irdischen Reste ist aber fraglich. Noch heute wird auf Monte Cassino das Grab Benedikts gezeigt, aber der Legende nach wurden seine Gebeine aus dem 577 von den Langobarden zerstörten Kloster vom hl. Aigulf in die Benediktinerabtei in Fleury, heute Saint-Benoit-sur-Loire bei Orleans, gebracht, weitere Reliquien kamen in die Klöster Benediktbeuren und Metten in Niederbayern.
Monte Cassino wurde um 717 wiederaufgebaut,
Karl der Große besuchte es 787 und gab ihm weitreichende Privilegien. 883 wurde es von den Sarazenen geplündert und zerstört, nach einem Wiederaufbau fiel es 1349 einem Erdbeben zum Opfer. Die letzte Zerstörung erfolgte 1944 im Zuge des 2. Weltkrieges.Benedikts Regeln setzten sich rasch in der abendländischen Kirche durch. Bereits 589 wurde ein Benediktinerkloster im Lateran in Rom gegründet, 590 wurde Gregor der Große der erste Papst, der aus dem Orden der Benediktiner hervorgegangen ist. Das rasche Anwachsen der benediktinischen Gemeinschaft machte es möglich, zahlreiche Mönche in fremde Länder zu entsenden. So missionierten Benediktinermönche im 6. Jahrhundert England, im 7. Jahrhundert kamen die Klosterregeln nach Frankreich, der hl. Bonifatius brachte die Ordensregeln im Zuge seiner Missionstätigkeit nach Deutschland. Da zu jedem Benediktinerkloster auch ein Pflanz- und Heilkräutergarten gehörte, fanden von den Klöstern aus zahlreiche neue Anbauformen in der Landwirtschaft und die Gartenkultur Verbreitung in Europa. Die Kenntnis der Heilkräuter führte zum Aufkommen der Priesterärzte, die lange Zeit vor den studierten »Buchärzten« die Bevölkerung medizinisch versorgten.
Da Mönche lesen und schreiben konnten, wurden im Mittelalter Benediktinerklöster stark in die Reichsverwaltung integriert. Mit der Zeit verweltlichten aber die Benediktiner, viele Äbte lebten wie Fürsten, verloren ihre eigentliche Rolle als geistliche Führer ihrer Gemeinschaft, und die Abteien unterstanden weltlichen Herrschern.
Auch die Lebensweise der Benediktinermönche erregte mit der Zeit immer stärkere Kritik. Das in der Benediktsregel vorgesehene Gleichgewicht von Gebet und Arbeit wurde zugunsten des Gebets aufgeweicht. Die Abteien lebten von Kapitalerträgen, Mess- und Gebetsstiftungen. Daher gab es immer wieder Tendenzen zur Erneuerung des Mönchslebens, die sich in der Gründung der Zisterzienser und der Bettelorden, die sich in ihrem Wirken besonders auf die Städte konzentrierten, äußerte. Bis ins Hochmittelalter waren die Benediktiner der bedeutendste Orden in Europa, verloren diese Stellung jedoch, da sie auf die Landwirtschaft, das Feudalsystem und die Naturalienwirtschaft ausgerichtet waren. Die neu aufkommenden Städte mit ihren sozialen Problemen und die sich entwickelnde Geldwirtschaft konnten die Benediktiner nur langsam in ihre Lebensweise integrieren.
Die Bedeutung Benedikts liegt darin, dass er für Jahrhunderte dem abendländischen Mönchtum jene Regeln von Arbeit und Gebet gegeben hat, die diese brauchten, um die Kultur der Antike in das Mittelalter hinüberzuretten, große Teile Europas zu roden und zu erschließen und Europa zu christianisieren. Auch wenn seine Regeln immer wieder aufgeweicht und missachtet wurden, so waren sie doch Vorbild für viele Kirchenleute, das Mönchtum immer wieder nach ihrem Vorbild zu erneuern und die Klöster zu einer der bestimmenden Kräfte im mittelalterlichen Europa zu machen.
BERNHARD VON CLAIRVAUX
(1090–1153)
Bernhard war ein Mann mit zwei Gesichtern. Er war grausam und auf den Untergang aller Feinde des Christentums bedacht: »Ein Ritter Christi tötet mit gutem Gewissen, noch ruhiger stirbt er selber. Wenn er stirbt, nützt er sich selbst, wenn er tötet, nützt er Christus.« Und doch konnte er sich wie