LICHT UND SCHATTEN (Black Stiletto 2). Raymond Benson

LICHT UND SCHATTEN (Black Stiletto 2) - Raymond Benson


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       Über den Autor

      1| Martin

       Heute

      Der altmodische 8mm-Projektor surrte, die Filmrollen drehten sich, und die brandneue Glühbirne warf flackerndes Licht an die leere Wand. Der Film war über fünfzig Jahre alt, deshalb war die Qualität nicht gerade berauschend. Und natürlich war der Film in schwarz-weiß.

      Die Szene fand in einem Raum statt, so etwas wie ein Fotoatelier, denn der Vorhang im Hintergrund reflektierte das künstliche Studiolicht. Eine große Frau in einem schwarzen Kostüm lief ins Bild. Die Kamera stand weit genug entfernt, sodass man ihren gesamten Körper und die Größe des Raums erkennen konnte. Eine männliche Schaufensterpuppe in Straßenbekleidung stand ihr gegenüber. Sie nahm ihre Position ein, machte sich bereit, dann sprang sie in die Luft, trat mit dem rechten Stiefel nach vorn und der Schaufensterpuppe gegen die Brust. Der »Gegner« fiel nach hinten um und krachte auf den Boden. Die Frau landete leichtfüßig und sah in die Kamera. Die Maske bedeckte die obere Hälfte ihres Kopfes und ihres Gesichts. Der Kameramann zoomte für eine Nahaufnahme heran. Die dunklen Augen funkelten in den Löchern der schwarzen Ledermaske und ihr von Lippenstift bedeckter Mund formte ein süßes Lächeln. Sie sagte etwas zu dem Mann hinter der Kamera, aber da es ein Stummfilm war, verstand ich nicht, was sie sagte.

      Da war sie. Die Black Stiletto. Unglaublich.

      Nach einem Schnitt hatte die Frau wieder ihre Position eingenommen und die Schaufensterpuppe war wieder aufgerichtet worden. Dieses Mal zog sie ein Messer aus einer Scheide, die an ihrem rechten Oberschenkel befestigt war – ein Stiletto natürlich – und wechselte mit einem blitzschnellen Manöver vom Heft zu einem Griff an der Klinge. Dann warf sie die Waffe durch den Raum. Das Messer bohrte sich mitten durch die Kehle der Schaufensterpuppe. Wieder sah sie in die Kamera, schmunzelte und lachte über etwas, das der unsichtbare Kameramann sagte.

      Es war einfach unglaublich. Abgesehen von der bizarren Aufmachung – der eng anliegenden schwarzen Lederjacke, dem Gürtel, den engen Hosen aus Leder, kniehohen Stiefeln, einem kleinen Rucksack und der Maske – war sie wirklich süß! Ihre quirlige Art strahlte selbst durch die Verkleidung hindurch. Sie hatte jede Menge Charisma.

      Und sie war meine Mutter.

      Ist sie immer noch.

      Und ich beginne mich zu fragen, ob ich vielleicht nicht der Einzige bin, der das weiß.

      Die alte kleine 8mm-Filmrolle war eine der Hinterlassenschaften, die meine Mutter zusammen mit einem Brief, in dem sie mir ihre Identität als Black Stiletto offenbarte, in einer Schatulle aufbewahrt hatte. Auf dem Film war »März 1959« vermerkt wurden, also nahm ich an, dass er zu dieser Zeit gedreht wurde. Es gab keinen Hinweis darauf, wer sich hinter der Kamera befand.

      Fasziniert schaute ich weiter dem etwa fünf Minuten langen Filmmaterial zu. Im Zeitalter der digitalen Fotografie ist es gar nicht so einfach, einen 8mm-Projektor zu finden, aber ich konnte einen in einem Second-Hand-Laden in Palatine ergattern und stellte ihn in der Zurückgezogenheit meines Hauses in Buffalo Grove auf.

      Obwohl ein paar alte, nicht gestellte Aufnahmen der Black Stiletto existierten, waren die meisten von Amateuren auf der Straße gefilmt worden – flüchtige Momentaufnahmen, in denen sie vorbeirannte oder irgendwo hinaufkletterte. Das hier war die erste echte, einigermaßen professionell inszenierte Aufnahme der berühmten Verbrechensbekämpferin aus der Nähe, die ich bislang zu Gesicht bekam. Vielleicht sogar die Einzige, die existierte.

      Es ist erst ein paar Monate her, als ich die Überraschung meines Lebens überreicht bekam. Der Anwalt meiner Mutter, Onkel Thomas – er ist nicht wirklich mein Onkel, aber ich habe ihn immer so genannt, denn ich kenne ihn seit meiner Kindheit – hatte die Schatulle bis zu dem Zeitpunkt aufbewahrt, an dem meine Mutter unzurechnungsfähig wurde. Und das ist sie definitiv. Meine Mutter hat Alzheimer und wohnt derzeit in Woodlands North, einem Pflegeheim in Riverwoods, Illinois. Sie weiß kaum noch, wer ich bin, aber sie erkennt mich als jemanden, den sie liebt. Sie ist jetzt dreiundsiebzig. Ich bin beinahe neunundvierzig.

      Ich heiße Martin Talbot. Der Name meiner Mutter ist Judy Talbot, geborene Cooper. Niemand außer mir – soweit ich das sagen kann – weiß davon, dass sie die legendäre und berühmt-berüchtigte Verbrechensbekämpferin namens Black Stiletto gewesen war, die zwischen 1958 und 1963 etwa in New York City und Los Angeles tätig war. Nachdem sie plötzlich scheinbar verschwand, wurde die Stiletto zum Stoff für Mythen und popkulturelle Phänomene. Niemand kannte ihre wahre Identität oder was aus ihr wurde, wenn man von der Flut an Black-Stiletto-Produkten absah, die seit den Achtzigern erschienen – Comicbücher, Actionfiguren, Halloweenkostüme und sogar ein Film in den Neunzigern mit der noch sehr jungen Angelina Jolie in der Hauptrolle.

      Onkel Thomas wusste nicht, was sich in der Schatulle befand, die er mir vor einiger Zeit übergab. Sie können sich meine Überraschung vorstellen, als ich erfuhr, dass meine Mutter die Black Stiletto war. Zuerst konnte ich es nicht glauben. Das war komplett verrückt. Aber dann begann ich, unser altes Haus in Arlington Heights auszukundschaften – welches immer noch zum Verkauf steht – und fand ihr Kostüm und eine Reihe von Tagebüchern in einem geheimen Schrank im Keller. Ich las das erste Tagebuch, mit »1958« betitelt, und erfuhr, wie die vierzehnjährige Judy Cooper 1953 von ihrer Mutter, ihren Brüdern und einem gewalttätigen Stiefvater aus Odessa, Texas, davonlief. Schließlich landete sie in New York City, allein und ohne einen Penny. Dort freundete sie sich mit Freddie Barnes an, dem Besitzer eines Boxklubs im östlichen Greenwich Village, und zog in ein Zimmer über der Einrichtung. Sie arbeitete als Putzfrau, aber nach einer Weile begann Freddie ihr beizubringen, wie man boxte. Ein japanischer Trainer namens Soichiro unterwies sie in diversen Kampfkünsten, bevor Dinge wie Judo oder Karate der breiten Masse bekannt wurden. Ihr erster ernsthafter Freund, ein Mafioso namens Fiorello, zeigte ihr den Umgang mit Messern.


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