LICHT UND SCHATTEN (Black Stiletto 2). Raymond Benson

LICHT UND SCHATTEN (Black Stiletto 2) - Raymond Benson


Скачать книгу
Eins ist, spielen sie ihn im Radio rauf und runter. Mittlerweile möchte ich diese Chipmunks am liebsten erwürgen! Zum Glück klettert der neue Song der Platters gerade in den Charts nach oben – »Smoke gets in your Eyes«, und das stimmt ja auch, oder?

      Zu schade, dass Elvis gerade in der Armee ist. Ich vermisse neue Songs von ihm. In der Zwischenzeit bringen sie ein paar Titel von ihm heraus, die er früher aufgenommen hat, wie »One Night«, oder »I got stung«. Immer mehr Rock'n-Roll-Bands machen ihm Konkurrenz, und die meisten davon mag ich sehr. Buddy Holly, die Everly Brothers, Ritchie Valens. Und außerdem gibt es eine Menge neuer beliebter Sänger, die nicht ganz so wild sind, wie Frankie Avalon und Bobby Darin. Die sind in Ordnung, aber für mich gehen die ein wenig zu sehr auf »Nummer sicher« – anders kann ich es nicht beschreiben. Und ich höre mir öfter Frank Sinatra und Dean Martin an als früher. Letzte Nacht hat Freddie eine Schallplatte von einem Jazzmusiker namens Miles Davis aufgelegt. Er spielt Flügelhorn. Das fand ich ganz in Ordnung, war mal was anderes. Es ist interessant, denn die meisten Jazzmusiker sind Schwarze. Es gibt kaum Weiße, die Jazz spielen. Warum ist das so? Und das bringt mich zu letzter Nacht, denn zumindest der erste Teil der Geschichte hat mit Schwarzen zu tun.

      Draußen war es nass und kalt, schließlich haben wir Januar, also zog ich mein warmes Stiletto-Outfit an und ging auf die Straße. Schätze, ich wollte mich auf die Suche nach einem Verbrechen machen, wie ich das immer tue, aber ich hatte nicht viel Hoffnung, auf eines zu stoßen. Ich meine, am liebsten wäre es mir, wenn es gar kein Verbrechen gäbe. Wäre das nicht toll, wenn die Menschen überall sicher vor Verbrechern wären? Aber ich weiß, dass das in einer Million Jahren nicht passieren wird, und da war ich also, stürmte über die Dächer und hinunter in die dunklen Winkel der Straßen, um die Nacht zu beobachten.

      Es war gegen 23:30 Uhr, und ich befand mich im West Village. Mir war nichts Ungewöhnliches aufgefallen, also entschied ich, nach Hause zu gehen und aus der Kälte zu kommen. Ich hielt mich außerhalb der Straßenlaternen zwischen den Gebäuden auf der 7th Avenue bereit und wartete darauf, dass sich der Verkehr etwas lichtete und ich über die Straße nach Osten spurten konnte. Ganz in der Nähe befindet sich ein Jazz Klub namens Village Vanguard, allem Anschein nach ist der weithin berühmt, eine New Yorker Institution. Jedenfalls kam ein schwarzes Pärchen heraus, ein junger Mann und eine Frau. Beide ungefähr um die zwanzig. Kaum älter als ich. Er hatte seinen Arm um sie gelegt und beide lachten. Sie sahen reizend aus und hatten allem Anschein nach ein Date. Hatten sich wohl in dem Klub ein wenig Musik angehört, aber sonst kam weiter niemand heraus. Ich war vielleicht 4 oder 5 Meter von ihnen entfernt, weshalb mein besonderes Gehör ihre Stimmen aufschnappte. Er sagte so etwas wie: »Wenn wir ein Taxi kriegen, kann ich dich noch rechtzeitig nach Hause bringen.« Und sie antwortete: »Mein Paps wird uns umbringen, wenn wir zu spät kommen.« Sie mussten die Show wohl vorzeitig verlassen haben, weil sie zu einer bestimmten Zeit zuhause sein sollte.

      Der junge Mann stand also mit erhobenem Arm am Bordstein, du weißt schon, so wie man eben ein Taxi ruft. Mehrere leere Taxen fuhren vorbei, aber keines hielt an. Die beiden taten mir leid. Seitdem ich in New York lebe, werden mir die Vorurteile, die gegenüber Schwarzen existieren, immer mehr bewusst.

      Als ich in Odessa aufwuchs, machte ich mir darüber keine Gedanken. Unten im Süden nannten wir sie »Farbige«. Ich muss mich selber zwingen, »Schwarze« zu sagen, denn das ist höflicher. Die Schwarzen in Odessa lebten allesamt südlich der Bahngleise, gar nicht weit von uns entfernt, und deshalb war ich an sie gewöhnt. Ich weiß, dass sich eine Menge weißer Leute in Texas nicht um die Farbigen scheren und manchmal hörte ich meine Brüder »Nigger« sagen, aber ich selber benutzte dieses Wort nie. Ich wusste, dass das nicht nett war. Ich habe gehört, wie Weiße dieses Wort hier in New York benutzt haben und über Schwarze sprachen, als ob sie Menschen zweiter Klasse wären.

      Zum Glück ist Freddie keiner von diesen Typen. Er lässt Schwarze in seinen Boxklub. Als ich nach New York kam, hatte ich den Eindruck, dass die meisten Fitnessstudios genauso nach Rassen getrennt waren wie jeder andere Ort auch. Aber eine Menge Schwarze sind Boxer, also denke ich, dass das nicht ungewöhnlich ist. Ins Second Avenue Gym kamen tatsächlich alle Rassen. Weiße, Schwarze, Mexikaner und Lateinamerikaner aus Kuba oder Puerto Rico. Ich bin es also gewohnt, von allen möglichen Hautfarben umgeben zu sein. Das sind alles nur Menschen.

      Egal, während ich also das bedauernswerte Pärchen dabei beobachtete, wie es auf ein Taxi wartete, fiel mir wieder all das ein, was ich in letzter Zeit in den Zeitungen über eine Rede eines schwarzen Predigers namens Martin Luther King Jr. bezüglich der Bürgerrechte gelesen hatte. Der Mann hat immer Schwierigkeiten mit weißen Leuten. Obwohl es eigentlich anders herum ist. Die Weißen machen immer ihm Schwierigkeiten. Ich erinnere mich noch gut an den letzten Herbst, als er hier in New York war, um sein Buch Strike Toward Freedom zu promoten – das ich im Übrigen gelesen habe – und man ihm in einem Kaufhaus in Harlem ein Messer in die Brust rammte. Die Ironie an der Sache war, dass die Täterin eine farbige Frau war. Es hieß, sie sei eine geistig verwirrte obdachlose Landstreicherin gewesen. Soweit ich weiß, hat man sie in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen. Dr. King überlebte, Gott sei dank. Aber überall in den Städten gibt es rassenbedingte Unruhen; Pulverfässer, die jederzeit explodieren können. Ich gebe den Schwarzen nicht die Schuld für die Stimmung. Sie hatten es in all den Jahren schwer genug. Sie wollen nichts weiter, als gleich behandelt zu werden. Ich verstehe das. Warum dann nicht auch die anderen?

      Ich stand da also im Dunkeln und bedauerte die beiden, als diese drei weißen Männer die Straße herunterkamen. Alle Ende zwanzig oder Anfang dreißig, schätze ich. Sie schienen betrunken zu sein, denn sie redeten und lachten laut, rempelten sich an und markierten den starken Mann. Sie sahen das farbige Pärchen am Straßenrand stehen und einer der Männer rief: »Hey, seht euch die Nigger an! Die versuchen, ein Taxi zu bekommen. Viel Glück, Nigger!« Ich hasse das Wort und mag es nicht aufschreiben, aber das war es, was sie sagten. Die Männer lachten, als wäre es das Lustigste, das sie je gehört hatten. Der Freund versuchte, sie zu ignorieren, aber ich konnte sehen, dass die junge Frau anfing, nervös zu werden, je näher die weißen Männer kamen. Sie zog ihr Date am Ärmel und sagte: »Komm schon, lass uns die U-Bahn nehmen.« Er erkannte, dass ihr Vorschlag nicht einer gewissen Klugheit entbehrte, und nickte. Also begannen sie, auf mich und dem Eingang der U-Bahn an der 7th Avenue zuzulaufen. Doch dann stellten sich ihnen die drei Unruhestifter in den Weg,

      »Was hast du hier verloren, schwarzer Mann?«, fragte einer von ihnen. »Harlem ist ziemlich weit von hier!« Er ließ es so klingen, als sei Harlem ein besonders widerwärtiger Ort. Unglücklicherweise war die Straße wegen des schlechten Wetters wie leer gefegt. Es war niemand in der Nähe, der sich für das Paar hätte einsetzen können. Die drei fuhren damit fort, das Pärchen zu verhöhnen, und drängten sie immer mehr gegen das Gebäude. Einer der Männer gab dem Farbigen einen Schubs. Da hielt ich es nicht mehr aus. Ich trat aus dem Schatten und gab mich zu erkennen.

      »Aufhören«, sagte ich. »Lasst sie in Ruhe!«

      Die drei Ganoven wirbelten herum; und meine Herren, die staunten nicht schlecht.

      »Seht mal, das ist sie!«

      »Die Black Stiletto!«

      Sie wussten nicht, ob sie sich darüber freuen sollten, mir leibhaftig begegnet zu sein, oder sich darüber ärgern, dass ich ihnen ihren Spaß verdorben hatte.

      »Warum verdünnisiert ihr euch nicht besser und lasst das reizende Paar in Ruhe?«, fragte ich.

      Der junge Mann und die junge Frau standen nur mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund da, halb verängstigt, halb bewundernd.

      »Macht schon«, forderte ich sie auf. »Verschwindet von hier.«

      Da machte der Anführer des Trios einen Schritt auf mich zu. »Wer bist du denn, etwa eine Nigger-Freundin?«, schnauzte er mich an.

      Tja, das mochte ich ganz und gar nicht. Ich verlor die Beherrschung. Blitzschnell war ich bei ihm und hieb dem Mann mit der flachen Hand ins Gesicht, bevor der auch nur reagieren konnte. Ich hatte wirklich nicht vor, eine Schlägerei anzuzetteln. Ich wollte dem Kerl einfach nur eine Lektion erteilen, du weißt schon, so wie ein Lehrer einen ungezogenen Schüler zur Raison bringt.

      »Und


Скачать книгу