LICHT UND SCHATTEN (Black Stiletto 2). Raymond Benson

LICHT UND SCHATTEN (Black Stiletto 2) - Raymond Benson


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ich natürlich nicht sagen.

      »Du erstaunst mich, Lucy. Ich dachte, du mochtest die Black Stiletto. Du hast mir einmal gesagt, dass du sie bewunderst. Wie kannst du so undankbar sein?«

      Sie sah mich verwundert an: »Was stimmt mit dir nicht? Warum verteidigst du sie?«

      »Weil ich denke, dass sie mutig ist und der Stadt einen Dienst erweist. Was stimmt mit dir nicht?«

      »Gar nichts! Ich sage nur, dass sie vielleicht nicht so grundgut ist, wie ich dachte.«

      Ich spürte, dass ich langsam wütend wurde, und musste mich beruhigen. Schließlich wollte ich nicht, dass sie Verdacht schöpfte.

      »Ich muss los«, sagte ich und begann meine Handtasche und meinen Kram einzusammeln.

      »Judy, was ist los? Wieso bist du so wütend?«

      »Ich bin nicht wütend. Mir ist nur gerade eingefallen, dass ich im Studio noch etwas zu erledigen habe.«

      »Dich hat irgendwas auf die Palme gebracht. Außerdem ist die Show noch nicht zu Ende.«

      »Das macht nichts. Wir sehen uns später.«

      Und so machte ich mich ohne viele Worte davon. Ja, ich war wütend auf sie. Sie hatte schlecht über mich geredet, es mir direkt ins Gesicht gesagt, aber natürlich konnte sie das nicht ahnen. Das nächste Mal würde ich mich bei ihr dafür entschuldigen, aber im Moment hätte sich sie am liebsten geschüttelt. Es scheint, als würde sie nicht wahrhaben wollen, was mit ihr passierte. Wer weiß, wen Sam noch alles verletzt hätte, wenn die Stiletto ihn nicht hochgenommen hätte. Wahrscheinlich hätte er sie noch einmal besucht, um seinen Job zu Ende zu bringen, damit sie ihn nicht verriet.

      Wieder einmal saß ich aufgewühlt in meinem Zimmer und konnte nicht schlafen. Mir ging alles Mögliche durch den Kopf und ich konnte mich nicht beruhigen. Ich war deprimiert. Nach der letzten Nacht, als dieser Gangster versucht hatte, mich zu töten, und ich herausfand, dass Franco DeLuca meinen Kopf wollte, und dann diesen Artikel in der Zeitung lese musste, dass ich nichts anderes als eine gewöhnliche Kriminelle war, stellte ich meine Aktionen in Zweifel. Tat die Black Stiletto wirklich das Richtige? Warum bekam ich nicht mehr Unterstützung in der Öffentlichkeit? Es ergab keinen Sinn. Man sollte annehmen, dass die Polizei froh darüber sein musste, wenn ihnen jemand dabei half, die Bösen zu fangen. Ich meine, Superman hatte dieses Problem in den Comics ganz sicher nicht! Die Leute liebten Superman und Batman. Aber die existierten nicht. Wahrscheinlich konnten die Leute keinen Kämpfer gegen das Verbrechen akzeptieren, der eine Verkleidung trug aber keine »Superkräfte« besaß. Sicher, ich kann besser hören, riechen und sehen als die meisten anderen Menschen, und ich kann kämpfen, aber ich bin normal. Ich bin ein Mensch. Aber nach Ansicht der Daily News bin ich nichts weiter als ein gemeiner Dieb.

      Also frage ich mich – wenn mich alle wirklich hassen, wozu dann die Mühe? Sollte die Black Stiletto ihre Verkleidung an den Nagel hängen und verschwinden?

      Ich muss zur Arbeit. Freddie ruft nach mir.

       Später

      Ich habe noch die Telefonnummer von diesem FBI-Typen. Richardson. Seinen Vornamen kenne ich immer noch nicht. Seitdem wir diese kurzen Gespräche am Telefon hatten, denke ich hin und wieder an ihn. Er hörte sich nach einem netten Kerl an. Außerdem hatte er angedeutet, dass er das, was ich tat, nicht für eine schlechte Sache hielt. Aber er ist ein FBI-Agent, also was weiß ich schon? Wahrscheinlich will auch er mich fangen.

      Nach der Arbeit lief ich zu einem Münzfernsprecher und rief ihn an. Ich mache als Stiletto nie Anrufe aus dem Studio, weißt du? Sie können Telefonanrufe zurückverfolgen. Ich weiß nicht, wie das funktioniert, aber ich habe davon gelesen. Wie auch immer, da ich die Direktwahl zu seinem Büro besaß, dachte ich, ich wünsche ihm ein gesundes neues Jahr.

      Es war noch nicht ganz 17 Uhr, also hoffte ich, dass er noch auf Arbeit war. War er.

      »Special Agent Richardson«, meldete er sich.

      »Ein gesundes neues Jahr, Special Agent Richardson«, sagte ich zuckersüß. »Ich wusste gar nicht, dass Sie ein Special Agent sind. Was macht Sie denn so special

      Er brauchte einen Moment, bis er mich erkannte: »Stiletto? Sind Sie das?«

      »Ich bin's. Wie geht es Ihnen? Hatten Sie schöne Feiertage?«

      Ich hörte ihn kichern. »Es überrascht mich, von Ihnen zu hören. Ist schon eine Weile her.«

      »Ich habe seit einem Jahr nicht mehr mit Ihnen gesprochen, Mr. Richardson! Es war 1958, als wir uns das letzte Mal unterhielten.«

      »Das stimmt.«

      »Wie heißen Sie eigentlich mit Vornamen?«

      »John.«

      »John Richardson.« Das wiederholte ich einige Male. »Das ist ein schöner Name, John Richardson.«

      »Sagen Sie mir jetzt Ihren Namen?«

      »Haha, netter Versuch, John. Ich sage Ihnen was, Sie können mich Eloise nennen.«

      »Eloise? Diesen Decknamen haben Sie schon einmal benutzt.«

      »Ihr Typen vom FBI wisst aber auch alles, oder?«

      Ich konnte kaum fassen, dass ich gerade mit einem Bundesagenten flirtete. Ich kannte ihn ja noch nicht einmal. Ich versuchte, mir ausmalen, wie er aussah, und stellte mir einen gut aussehenden, adretten Mann in einem Anzug vor. Wahrscheinlich in körperlich guter Verfassung und um die dreißig herum. In so jemanden könnte ich mich verlieben. Könnte ich wirklich. Wenn er nicht gerade für die Justiz arbeiten würde.

      »Kann ich Ihnen irgendwie helfen, Eloise?«, fragte er. Auch in seiner Stimme klang jetzt eine gewisse Verspieltheit mit.

      »Oh, nein, nicht unbedingt. Ich wollte einfach nur Hallo sagen und Ihnen alles Gute fürs neue Jahr wünschen und so. Sie bleiben anständig, John?«

      »Das tue ich. Aber wie ich sehe, tun Sie das nicht. Ich habe gerade erst etwas über Sie in der Zeitung gelesen.«

      »Ja ja, und das ist alles gelogen, John. Das wissen Sie. Oder? Ich bin keine Kriminelle.«

      »Doch, das sind Sie, Eloise. Selbstjustiz ist ein Verbrechen. Die Polizei sucht nach Ihnen. Und das FBI ebenso, fürchte ich.«

      Ich lachte: »Ich mache mir mehr Sorgen, dass mich einer von Franco DeLucas Schergen erwischt, bevor es einem von Ihren Kollegen gelingt.«

      »Franco DeLuca? Wieso das? Was wissen Sie über Don DeLuca?«

      »Er hat einen Preis auf meinen Kopf ausgesetzt. Er macht mich für den Tod seines Bruders verantwortlich. Sie wissen schon, Don Giorgio.«

      »Und waren Sie dafür verantwortlich?«

      »Nein.«

      »Das sind sehr gefährliche Leute, Eloise. Sie sind in einige wirklich kriminelle Aktivitäten verwickelt. Ich hoffe, Sie halten sich von denen fern.«

      »Ich werde nicht gerade an deren Tür klingeln und versuchen, ihnen Pfadfinderinnen-Kekse zu verkaufen.«

      »Sie wissen, was ich meine.«

      »John, Sie wissen, dass ich kein schlechter Mensch bin. Warum bekomme ich diese schlechte Presse? Warum erfinden die Lügen über mich? Ich habe noch nie irgend jemanden ausgeraubt. Ich greife keine unschuldigen Leute auf der Straße an. Ich habe noch nie jemanden verletzt, der es nicht auch verdiente. Ich bin keine Mörderin.«

      Kaum dass ich das sagte, fühlte ich mich unwohl. Das war gelogen, und ich wusste es. Ich hatte getötet. Zwei Männer, die es definitiv verdient hatten. Ein Auftragsmörder der Mafia, der sicher schon ein Dutzend Menschen umgebracht hatte, und meinen bösen Stiefvater, der mich missbrauchte, als ich noch kleiner war, und meine Mutter in den Tod trieb.

      »Sie haben nicht Vittorio Ranelli umgebracht?«, fragte John.

      Ich stellte mich dumm. »Sie meinen den Ganoven, der als Handlanger für die


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