LICHT UND SCHATTEN (Black Stiletto 2). Raymond Benson

LICHT UND SCHATTEN (Black Stiletto 2) - Raymond Benson


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      »Standen die beiden nicht auf Ihrer Liste der meistgesuchten Verbrecher? Wegen Mordes, Erpressung, organisiertem Verbrechen und anderen Delikten?«

      »Ja, taten sie.«

      »Wo liegt also das Problem?«

      John machte eine kurze Pause und sagte dann: »Die Medien stellen Sie nicht ohne Grund so dar, als wären Sie so schlimm wie jeder andere Kriminelle auch, Eloise. Sie brechen das Gesetz. So einfach ist das.«

      »Ich verstehe nicht, warum sie nicht über die guten Dinge berichten, die ich tue.«

      »Das haben sie in der Vergangenheit. Für einige dieser Taten haben Sie ihre Anerkennung erhalten. Aber Sie müssen das verstehen: Was Sie tun, lässt die Polizei in einem schlechten Licht erscheinen.«

      »Wie?«

      »Wenn die einen Verbrecher nicht fangen können, Sie aber schon, dann können die Sie natürlich nicht leiden. Ich schätze, die haben ihre Verbindungen zu den Zeitungen, und sorgen dafür, dass deren Sicht auf die Dinge aufrecht erhalten wird.«

      Ich dachte darüber für eine Sekunde nach. »Hat das FBI auch diese Art von Beziehungen?«

      »Natürlich.«

      »Was müsste passieren, dass Sie Ihre Verbindungen zu den Zeitungen nutzen, damit eine positive Geschichte über mich gedruckt wird?«

      Er lachte. »Ich weiß nicht, Eloise. Wie wäre es, wenn wir uns treffen und darüber sprechen?«

      »Das haben Sie schon einmal vorgeschlagen. Aber Sie wissen, dass ich mich nicht mit Ihnen persönlich treffen kann. Sie würden mich festnehmen, mich entlarven, und dann bekäme ich wirklich schlechte Presse.«

      »Da wäre ich mir nicht so sicher«, sagte er. »Vielleicht möchte ich Sie wirklich einfach nur treffen. Ich … ich mag Ihre Stimme.«

      Das überraschte mich. Jetzt flirtete er mit mir.

      »Nun, wie heißt doch gleich dieses Sprichwort? Quid pro quo? Wenn Sie etwas gegen die schlechte Berichterstattung unternehmen, dann überlege ich es mir vielleicht, mich mit Ihnen zu treffen. Solange Sie mir versprechen, mich nicht gefangen zu nehmen.«

      Er schwieg einen Moment, dann sagte er: »Ich werde sehen, was ich tun kann, Eloise.«

      Ich bedankte mich bei ihm und sagte, dass ich das Gespräch mit ihm genossen hatte. Er fragte, wann ich ihn wieder anrufen würde, und ich sagte nur: »Bald.«

      Als ich zurück ins Gym lief, hatte ich Schmetterlinge im Bauch.

      4| John

       Private Dictaphone-Aufzeichnung

      Heute ist der 11. Januar 1959.

      Diese und alle folgenden Aufnahmen sind persönliche Ergänzungen zu meinem schriftlichen Report, den ich Don Haggerty, dem leitenden Special Agent, vorgelegt habe. Ich schneide diese Aufnahmen Zuhause mit, auf dem neuen Diktiergerät, das ich zu Weihnachten bekommen habe.

      Ich war erstaunt, als ich heute Nachmittag einen weiteren Anruf von der Black Stiletto bekam. Seit letztem Herbst hatte ich nicht mehr mit ihr gesprochen.

      Sie ist ein interessanter Fall. Die Frau hört sich am Telefon so normal an, wie ein gewöhnliches Mädchen mit einem Südstaaten-Akzent. Sie ist definitiv keine gebürtige New Yorkerin. Ich würde sagen, sie kommt irgendwo aus Oklahoma oder Texas. Als ich sie nach ihrem wirklichen Namen fragte, antwortete sie kokett, sie hieße Eloise, aber ich weiß, dass das nicht stimmt. Sie hat diesen Namen zuvor schon im Umgang mit der Polizei und dem FBI genannt. Doch je länger ich darüber nachdenke, umso mehr hört sie sich wie ein Mädchen aus Texas an.

      Ich werde Haggerty morgen darüber informieren müssen. Er hatte das Büro bereits verlassen, als ich das Gespräch mit ihr beendete. Seitdem er davon erfahren hat, dass sie mich hin und wieder anruft, nervt er mich damit, sie zu stellen. Ich sagte ihm, dass sie nichts anderes macht, als anzurufen und sich mit mir zu unterhalten. Haggerty will, dass ich ihr eine Falle stelle. Als ich ihn fragte, was er damit meint, winkte er nur ab und lachte auf die ihm eigene dreckige Art. Ich sagte ihm, dass ich nicht glaubte, dass das FBI irgendeinen Grund habe, sie festzunehmen. Das ist eine Angelegenheit der New York City Police. Haggerty schnauzte mich daraufhin an. Er meinte, die Tatsache, dass sie an der Ergreifung eines kubanischen Spions beteiligt war, würde es zu einer Sache des FBI machen. Außerdem sagte er, dass sie offensichtlicherweise mit der Mafia zu tun hat, und auch das wäre dann Angelegenheit des FBI. Ich konnte ihm da nicht widersprechen. Er wünschte die üblichen schriftlichen Berichte über meine Fortschritte. Ich schrieb einen bissigen Bericht über sie, den ich ihm geben werde, und werde eine Kopie davon natürlich für mich behalten.

      Ich schlug Haggerty vor, dass wir uns eher auf den Rauschgifthandel in New York konzentrieren sollten, als darauf, eine weibliche Verbrecherjägerin zu jagen, die bis jetzt nichts anderes getan hatte, als der Polizei zu helfen – und uns. Daraufhin fragte er mich, ob ich gleichzeitig Kaugummi kauen und geradeaus gehen könne. Mit anderen Worten, man erwartet, dass ich mehrere Aufgaben gleichzeitig bewältigen soll. Die Arbeit an dem Rauschgift-Fall und die Black Stiletto fangen.

      Trotzdem denke ich, dass sie mit einer Sache, die sie am Telefon sagte, recht hatte: Die Black Stiletto bekommt nicht die Anerkennung, die ihr gebührt.

      Don Haggerty, leitender Special Agent. Was für ein Arschloch. Unter uns und den vier umgebenden Wänden – ich halte den Mann für einen aufgeblasenen Wichtigtuer. Ich habe keine Ahnung, wie er es zu einem SAC in New York gebracht hat. Um ehrlich zu sein, denke ich, dass ich den Job tun könnte. Andererseits möchte ich nicht der Assistent Director des Obermotzes unserer Außenstelle sein. Haggerty ist ihm unterstellt. Aber Haggerty ist stets mehr mit seinen Winkelzügen beschäftigt als damit, seinen Job zu erledigen. Er ist oft zusammen mit NYPD-Chef Bruen in Manhattan »zum Essen unterwegs« – die beiden sind Busenfreunde – oder er trifft sich mit dem Bürgermeister, dem Gouverneur oder diesem und jenem Richter. Es hat den Anschein, als würde er die ganzen Verwaltungsarbeiten und Fälle an mich und die anderen Special Agents delegieren. Was bedeutet, dass wir dann die Doppelschichten machen dürfen.

      Ein Großteil der anderen SAS im New Yorker Büro arbeitet an Fällen von Kommunisten, inneren Unruhen oder der sich wie die Pest ausbreitenden organisierten Kriminalität. In den wöchentlichen Treffen weise ich immer wieder darauf hin, dass der Rauschgifthandel kurz davor steht, zu explodieren und größer als alles andere zu werden. Sie hören nicht zu, und deshalb kümmere ich mich um die weniger dringlichen Fälle.

      Wo wir gerade bei meinen eigenen Fällen sind – es gab wieder eine Heroin-Razzia in Harlem. Die Polizei durchsuchte einen Gemischtwarenladen, der als Fassade für Purdys Operationen dient. Oder besser gesagt angeblich als Fassade dient. So wie es aussieht, hat die Polizei die Festnahmen vermasselt. Die drei Männer, die man in Gewahrsam genommen hatte, waren später wieder freigelassen worden. Carl Purdy hat in dieser Stadt seine Finger in vielen Taschen. Er ist so schlimm wie die italienischen Mafiosi. Aber hey, wenn die Schwarzen beim Rauschgift mitmischen wollen, dann werden sie das auch. Purdy ist der Mann dafür. Es ist schlimm. Ich bin davon überzeugt, dass er in Harlem das Sagen hat, auch wenn ich noch keine handfesten Beweise gegen ihn besitze. Hinzu kommen immer mehr Tote in der Unterwelt. Die Schwarzen bekriegen sich mit den italienischen Gangstern, wer das Rauschgiftgeschäft kontrolliert. Jede Woche gibt es ein oder zwei weitere Leichen auf beiden Seiten. Ich denke, das wird sich zu einem noch viel größeren Problem auswachsen, nicht nur in New York, sondern im ganzen Land. Es gab immer illegale Drogen, aber noch nie so viele wie jetzt. Und es wird immer schlimmer.

      [Lange Pause in der Aufzeichnung.] Ich frage mich, wann sie mich wieder anrufen wird.

      5| Martin

       Heute

      Heute habe ich Mom im Pflegeheim besucht. Seitdem ich arbeitslos bin, versuche ich, mehr Zeit mit ihr zu verbringen. Später habe ich aber heute noch ein Bewerbungsgespräch, und ich muss sagen,


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