LICHT UND SCHATTEN (Black Stiletto 2). Raymond Benson

LICHT UND SCHATTEN (Black Stiletto 2) - Raymond Benson


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»Warum, du Schlampe?!«, schrie er und ging mit fliegenden Fäusten auf mich los. Ich konnte die Schläge aber leicht abwehren, und dann verpasste ich ihm einen starken rechten Haken gegen seinen Kiefer. Er fiel auf den Gehweg.

      Dann zog einer der anderen Kerle ein Schnappmesser hervor und ließ die Klinge herausspringen. Damit fuchtelte er bedrohlich herum, bereit anzugreifen.

      Ich zog mein Stiletto, welches natürlich größer und angsteinflößender aussah. »Du willst dich wirklich mit mir anlegen?«, fragte ich ihn.

      Doch er ließ sich davon nicht einschüchtern. Er ließ die Klinge hin und her sausen und ging ohne viel Feingefühl auf mich los, weshalb ich ihm mühelos die Waffe aus der Hand trat. Er schrie vor Schmerz und sprang zurück, bevor ich ihn mit meinem Messer treffen konnte. Was ich auch nicht getan hätte, aber er dachte, dass ich es tun würde.

      Der dritte Typ musste der Cleverste von ihnen gewesen sein, denn er rief seinen gedemütigten Kameraden zu: »Los, lasst uns abhauen!«

      »Ich lass mich doch nicht von so einem Freak überwältigen!«, heulte der erste Kerl. Leichtsinnig griff er an. Diese Punks waren alles Angeber. Sie hatten die große Klappe und spielten sich auf, aber sie hatten keine Disziplin und kein Training. Ich wich dem wütenden Großmaul seitlich aus und sein Angriff ging ins Leere. Er stürmte wieder auf mich los, und dieses Mal rammte ich ihm mein Knie in den Magen. Uff. Das trieb ihm die Luft aus der Lunge. Für einen Moment schwankte er, dann fiel er rückwärts in die Arme des dritten Typs, der ihn anflehte: »Komm schon, Wayne, lass uns abhauen!« Er und der zweite Kerl bekamen es jetzt mit der Angst. Sie hievten ihren nach Luft japsenden Freund auf, und mit eingezogenen Schwänzen zog das Trio von dannen.

      Ich drehte mich zu dem Pärchen um, dass schlotternd vor mir stand. Ob vor Angst oder der Kälte konnte ich nicht sagen.

      »Seid ihr beiden in Ordnung?«

      Der junge Mann nickte: »Danke sehr.«

      Auch die Frau ergriff das Wort: »Ja, vielen Dank. Sind Sie wirklich die Black Stiletto?«

      Ich zuckte mit den Achseln: »Wann sollst du wieder Zuhause sein?«

      »Um Mitternacht. Das ist in zehn Minuten!«

      »Wartet hier.« Ich trat an den Bordstein, hob einen Arm und pfiff so laut ich konnte. Sofort hielt ein Taxi bei mir an. Dem Fahrer fiel die Kinnlade herunter, und er starrte mich an, als wäre ich so eine Art Geist. Ich griff in meinen Rucksack und holte etwas von dem Bargeld hervor, das ich bei mir trug. Zwanzig Dollar. Das war mehr als genug. Ich winkte das Pärchen heran und öffnete für sie die Hecktür. Die zwanzig Dollar gab ich dem Fahrer und fragte: »Sie haben doch kein Problem damit, diese netten Leute nach Harlem zu bringen, oder?«

      »Nein, Ma'am!«, antwortete er.

      »Gut. Und beeilen Sie sich. Ich habe Ihre Taxinummer und ich komme dahinter, wenn den beiden etwas passieren sollte. Verstehen wir uns?«

      Der Fahrer nickte. Seine Kinnlade stand noch immer offen.

      Das Paar stieg ein und bedankte sich noch einmal bei mir. Ich warf die Tür zu und gab dem Heck des Taxis einen Klaps, als wäre es ein Pferd. Der Fahrer fädelte sich in den Verkehr ein und weg waren sie.

      Das hatte sich richtig gut angefühlt. Ich hatte noch nie zuvor zwanzig Dollar so gut angelegt.

      Aber das war es nicht, was mich aufrüttelte und für meine schlaflose Nacht gesorgt hatte. Das passierte als Nächstes, als ich mich auf dem Rückweg zum Gym befand.

      Es geschah im Washington Square Park. Hier und da liefen ein paar Leute herum, aber ansonsten war der Park größtenteils menschenleer. Es fing plötzlich an zu schneien, und das war einfach herrlich. Ich bin jetzt nicht unbedingt wild nach den Wintern in New York, aber wenn es schneit, hat das etwas Magisches. Ich fühlte mich gut, nachdem ich dem Pärchen geholfen hatte, also lief ich in den Park hinein und ließ den Schnee um mich herum hinabfallen. Ich wollte tanzen und singen und mich im Kreis drehen, als tat ich das. Ein paar Passanten blieben stehen und deuteten mit den Fingern auf mich. Tatsächlich, da war die Black Stiletto! Und was tat sie? Tanzte im Schneefall mit einem unsichtbaren Partner. Die mussten gedacht haben, ich sei irre. Ich lachte laut und winkte ihnen zu. Ein paar von ihnen winkten zurück.

      Und dann fiel der Schuss.

      Ich spürte, wie die Hitze des Geschosses bedrohlich nahe links an mir vorbei pfiff. Ich ließ mich sofort auf den Gehweg fallen und presste mich flach auf den Boden. Meine Augen suchten die Umgebung des Parks nach dem Schützen ab. Ein Mann in einem schweren Mantel kam durch den Triumphbogen auf mich zugelaufen. Er hielt den Arm ausgestreckt, und seine Hand hielt eine Pistole, die auf mich gerichtet war. Während er lief, feuerte er ein zweites Mal. Die Kugel schlug in den Beton neben meinem Kopf, kleine Brocken stoben in mein Gesicht.

      Ich stand auf und lief los.

      Ich wusste nicht, ob er allein war oder Freunde mitgebracht hatte. Ich wollte kein Risiko eingehen. Denn obwohl er mich zweimal verfehlt hatte, schien er im Umgang mit der Waffe geübt zu sein. Offenbar eine halbautomatische Waffe.

      Ein weiterer Schuss traf die Parkbank direkt vor mir. Ich überquerte die 4th Street und sprintete zur Thompson Street. Mit Gebäuden östlich und westlich von mir war ich sicherer. Ich huschte in einen unbeleuchteten und geschlossenen Ladeneingang, kauerte mich in die Dunkelheit und beobachtete meinen Verfolger. Er war am südlichen Ende des Parks angekommen und gerade dabei, die 4th zu überqueren. Er war allein. Obwohl er zu weit entfernt war, um es mit Sicherheit sagen zu können, war ich ziemlich sicher, dass ich ihn noch nie zuvor gesehen hatte. Aber da war etwas an seinem Auftreten, das »Gangster« rief. Ich hatte mit diesen Mafia-Typen genug zu tun gehabt, als ich noch mit Fiorello zusammen war. Seitdem witterte ich die Kerle aus einer Meile Entfernung. Lässt sich schwer beschreiben – das ist eine Art Grundkörperhaltung, zusammen mit der Art, wie sie sich kleiden. Und wer außer einem Undercover-Cop oder einem Gangster würde sonst mit einer Knarre in New York herumlaufen? Und der Typ war kein Undercover-Cop.

      Sobald er die Kreuzung 4th und Thompson erreicht hatte, hielt er an. Er spähte die Straße hinunter, sah mich aber nicht. Ich war gut im Schatten hinter einer Reihe von Mülltonnen versteckt – doch dann blieb mein Herz beinahe stehen. Im frisch gefallen Schnee sah ich meine Schuhabdrücke. Die Straße und die Gehwege waren leicht überzuckert; meine Fährte überdeutlich, und sie führte genau dorthin, wo ich mich versteckt hielt.

      Der Schütze bemerkte die Spuren ebenfalls. Er hob von da, wo er stand, die Pistole und gab drei Schüsse ab – zwei trafen eine der Mülltonnen, die dritte zerschlug eine Schaufensterscheibe hinter mir. Scherben regneten auf mich herab. Mit der Waffe direkt auf mich gerichtet kam er näher. Es gab keine Möglichkeit, wegzulaufen. Ich konnte ihn auch nicht angreifen, so lange er nicht weiter heran war. Wenn er genug Abstand hielt, konnte er ewig Zielschießen mit mir spielen, oder zumindest so lange, bis ihm die Munition ausging. Angesichts der Tatsache, dass er eine halbautomatische Pistole besaß und bestimmt mehrere Reservemagazine in der Tasche hatte, standen die Chancen ziemlich gut für ihn, mich früher oder später zu erwischen.

      Nun, so leicht würde ich es ihm aber nicht machen. Ich hob eine Mülltonne an – voller übelriechendem Abfall – und warf sie nach ihm. Es machte ein fürchterliches Getöse, als sie auf die Straße krachte und herumrollte. Er schoss reflexartig auf die Tonne, war kurz abgelenkt, und ich konnte mich aufrichten, mein Stiletto ziehen und es nach ihm werfen. Der Abstand zwischen uns betrug zehn oder zwölf Meter, aber ich hatte genug Übung mit Zielen in dieser Entfernung.

      Die Klinge bohrte sich in seine Schulter.

      Der Mann schrie auf. Sein Arm schnellte nach oben und er feuerte einen unkontrollierten Schuss ab, der das Gebäude hinter mir traf. Aber er ließ seine Waffe nicht fallen. Ich machte einen Satz zur Seite, denn der Mistkerl hatte seine Zielsicherheit wiedererlangt und feuerte eine ganze Salve von Schüssen ab. Die Dunkelheit rettete mir das Leben. Ich rollte mich nach hinten ab und verschwand im dunklen Kellereingang eines Hauses direkt neben dem Ladengeschäft. Dort kauerte ich mich zusammen und hielt den Kopf unterhalb der Höhe der Straße. Der Gangster hörte auf zu schießen. Ich wusste, dass er nachsehen wollte, ob er mich


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